60% Eigenverschulden bei Überfahren einer Fahrbahnbegrenzung im (verkehrssicherungswidrig beschildertem) Baustellenbereich
"Die Klägerin muss sich jedoch nach § 254 Abs. 1 BGB die durch ein Mitverschulden ihrer Fahrerin erhöhte Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs entgegenhalten lassen (vgl. Staudinger/Schiemann, (2017) BGB § 254 Rn. 112, 116). Diese führt zu einer Mithaftung der Klägerin von 60%.
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1. Die Fahre......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Klägerin muss sich jedoch nach § 254 Abs. 1 BGB die durch ein Mitverschulden ihrer Fahrerin erhöhte Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs entgegenhalten lassen (vgl. Staudinger/Schiemann, (2017) BGB § 254 Rn. 112, 116). Diese führt zu einer Mithaftung der Klägerin von 60%.
1. Die Fahrerin des Klägerfahrzeugs hat infolge Unachtsamkeit die als StVO-Zeichen 295 angebrachte Fahrbahnbegrenzung überfahren.
Aus dem vorgelegten Foto K 11 ist zu ersehen, dass - wie von der Anordnung S. 4 u. gefordert – die Baustellenausfahrt mit einer 30 cm breiten Randmarkierung vom öffentlichen Verkehr abgegrenzt war. Damit durfte diese Markierung als Fahrbahnbegrenzung i.S.d. StVO-Zeichens 295 von der Fahrerin des Klägerfahrzeugs – wie aber unstreitig geschehen - nicht überfahren werden. Die gelbe Randmarkierung war bei gehöriger Sorgfalt ohne Weiteres zu erkennen; dies lässt sich bereits den verwertbaren Fotos (s.o.) entnehmen. Dass die Fahrerin des Klägerfahrzeugs durch das vor ihr fahrende und ebenfalls die Randmarkierung überfahrende Fahrzeug "mitgezogen" wurde, kann die Unaufmerksamkeit nicht entschuldigen. Jeder Fahrzeugführer ist für die Einhaltung der Verkehrsregelung selbst verantwortlich."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 08.06.2017 - 2 S 5570/15
60% Haftung des Abbiegenden gegenüber Überholer
"Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger zumindest gegen die ihn treffende doppelte Rückschaupflicht verstoßen hat. Zwar hat der Kläger im Rahmen der informatorischen Befragung angegeben, er habe eine doppelte Rückschau durchgeführt, er hab......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger zumindest gegen die ihn treffende doppelte Rückschaupflicht verstoßen hat. Zwar hat der Kläger im Rahmen der informatorischen Befragung angegeben, er habe eine doppelte Rückschau durchgeführt, er habe in alle Richtungen gesehen, bevor er das Abbiegemanöver eingeleitet habe. Aus dem eingeholten Sachverständigengutachten des dem Gericht aus einer Vielzahl vergleichbarer Rechtsstreitigkeiten als ausgesprochen kompetent bekannten Sachverständigen Dipl.-Ing."....."vom 20. Juni 2016 ergibt sich jedoch, dass das Motorrad für den Kläger in jedem Fall auf der linken Fahrspur fahrend erkennbar gewesen ist. Der Sachverständige führt aus, dass der Beklagte nach seinen eigenen Angaben ca. 75 - 100 m vor Erreichen des Kollisionspunktes den Spurwechsel nach links durchgeführt haben wolle. In einem solchen Fall wäre das Motorrad auf der linken Fahrspur längere Zeit als überholendes Fahrzeug erkennbar gewesen. Berücksichtige man den spätesten Spurwechsel mit einem Einfahren in die linke Fahrspur ca. 35 m vor Erreichen des Kollisionspunktes, so wäre das Motorrad beim Beginn des Abbiegevorganges für den Kläger erkennbar gewesen. Durch Verbleiben in der rechten Fahrspur und Abbremsens wäre der Unfall - so der Sachverständige - deshalb für den Kläger vermeidbar gewesen. Der Sachverständige hat im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens in der öffentlichen Sitzung vom 23. November 2016 ausgeführt, dass die Endlage des Motorrades bzw. des Beklagten zu 1), wie dokumentiert, nur erreicht werden könne, wenn es zu einem schrägen Aufprall auf den Heckträger gekommen sei. Zu einem schrägen Aufprall könne es aber nur dann kommen, wenn sich das Motorrad irgendwann auf der linken Fahrspur befunden habe.
Aber auch der Beklagte zu 1) hat sich nicht wie der vom Bundesgerichtshof stets geforderte sogenannte "Idealfahrer" verhalten. Denn aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger mit seinem "....." auf der Landstraße bis auf eine Geschwindigkeit von ca. 20 - 25 km/h abgebremst, sich auf der rechten Fahrspur zumindest am linken Rand eingeordnet und den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hat. Die Zeugin".....", an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln die Kammer keinerlei Anlass hat, hat bei ihrer Vernehmung angegeben, dass sie den Kläger habe ankommen sehen und dass der Blinker am "....." eingeschaltet gewesen sei sowie, dass sich der Kläger auf seiner Fahrspur links eingeordnet habe. Die genaue Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeuges vermochte die Zeugin zwar nicht anzugeben, sie hat allerdings einen Rückschluss aus ihrer eigenen Fahrweise angegeben und meinte, sollte der Kläger "offensiver" fahren, so habe die Geschwindigkeit vielleicht 30 km/h betragen. Aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten folgt, dass der klägerische "....." mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von 10 bis 15 km/h gefahren ist. Gleichgültig, ob der Kläger nun mit 15 - 20 km/h oder aber mit 30 km/h gefahren ist, unter Berücksichtigung der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sowie dem Umstand, dass das Fahrzeug links geblinkt hat und sich auch zur Mitte hin eingeordnet hatte, lag für den Beklagten zu 1) in jedem Fall eine unklare Verkehrssituation vor, so dass er nicht ohne weiteres mit seinem Motorrad zum Überholen ansetzen durfte, sondern vielmehr eine Zeit hinter dem "....." herfahren müssen, um zu eruieren, welche Absichten der Kläger hegt.
Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führt zu dem Ergebnis, dass vorliegend eine Haftungsverteilung von 40 : 60 zu Lasten der Beklagten vorzunehmen ist."
vgl. LG Kassel, Urteil vom 23.11.2016 - 6 O 253/15
Alkohol, grobe Fahrlässigkeit und subjektives Element: hier ja
"3) Auch die subjektiven Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit liegen beim Kläger vor. Die Annahme grober Fahrlässigkeit setzt auf der subjektiven Seite voraus, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt durch ein auch subjektiv unentschuldbares Verhalten in hohem Maße außer Acht gelassen worden ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"3) Auch die subjektiven Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit liegen beim Kläger vor. Die Annahme grober Fahrlässigkeit setzt auf der subjektiven Seite voraus, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt durch ein auch subjektiv unentschuldbares Verhalten in hohem Maße außer Acht gelassen worden ist. Dabei ist auch in subjektiver Hinsicht ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden nötig. Dafür ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles unerlässlich (BGH, Urteil vom 22. Februar 1989 - IVa ZR 274/87 -, Rn. 13, juris; BGH, Urteil vom 29. Oktober 2003 - IV ZR 16/03 -, Rn. 16, juris).
Das Führen eines Kraftfahrzeuges in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand wird objektiv durchweg als grober Verstoß gegen die Grundsätze der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt anzusehen sein. Es gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt. Wer sich in absolut fahruntüchtigem Zustand an das Steuer eines Kraftfahrzeuges setzt, handelt grundsätzlich grob fahrlässig (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-131, Rn. 11; BGH, Urteil vom 22. Februar 1989 - IVa ZR 274/87 -, Rn. 15, juris, m. w. Nachw.). Daraus folgt in aller Regel auch ohne weiteres das für die Annahme grober Fahrlässigkeit erforderliche, gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigerte Verschulden. Dass sich ein unter starker Alkoholeinwirkung stehender Kraftfahrer nicht mehr ans Steuer seines Kraftfahrzeuges setzen darf, und dass er durch ein Fahren in fahruntüchtigem Zustand andere Verkehrsteilnehmer, sich selbst und sein Fahrzeug einer unverantwortlichen Gefährdung aussetzt, ist heute so sehr Allgemeingut, dass unbedenklich davon ausgegangen werden kann, dass bei fast jedem Kraftfahrer die Hemmschwelle für ein Fahren trotz alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit stark heraufgesetzt ist (BGH, a. a. O.). Der Fahrer, bei dem dies aus mangelnder Einsicht nicht der Fall ist, muss sich diese mangelnde Einsicht in der Regel als grobes Verschulden zurechnen lassen. Bei den meisten Kraftfahrern pflegt die Einsichtsfähigkeit und die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, in Bezug auf die Trunkenheitsfahrt auch bei einem hohen Grad der Alkoholisierung noch vorhanden zu sein. Auch wenn der Kraftfahrer sich erst dann zum Führen seines Kraftfahrzeuges entschließt, wenn er bereits stark unter Alkoholeinfluss steht, wird deshalb in vielen Fällen ungeachtet der Alkoholbeeinflussung das für die Annahme grober Fahrlässigkeit erforderliche gesteigerte subjektive Verschulden festgestellt werden können (BGH, a. a. O.)."
"Das Führen eines Fahrzeugs im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit (d.h.: mit einer BAK von mehr als 1,1 ‰) stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen grundlegende Verhaltensregeln des Straßenverkehrsrechts dar und ist grundsätzlich objektiv und subjektiv als grob fahrlässig anzusehen (BGH, Ur......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Das Führen eines Fahrzeugs im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit (d.h.: mit einer BAK von mehr als 1,1 ‰) stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen grundlegende Verhaltensregeln des Straßenverkehrsrechts dar und ist grundsätzlich objektiv und subjektiv als grob fahrlässig anzusehen (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10, BGHZ 190, 120 = VersR 2011, 1037; Senat, Urteil vom 28. Januar 2009 - 5 U 698/05-102, VersR 2009, 1068; LG Saarbrücken, RuS 2016, 343)."
vgl. Saarländisches OLG, Urteil vom 12.10.2022 - 5 U 22/22
Alleinhaftung bei Erfordernis des Ausschlusses der Gefährdung anderer möglich
"Auf Seiten der Klägerin hat sich lediglich die einfache Betriebsgefahr verwirklicht. Dagegen liegt auf Seiten der Beklagten ein mindestens fahrlässiger Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften vor. Die 100%ige Haftung ist dort anerkannt, wo der unfallverursachende Teil gegen Vorschriften ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Auf Seiten der Klägerin hat sich lediglich die einfache Betriebsgefahr verwirklicht. Dagegen liegt auf Seiten der Beklagten ein mindestens fahrlässiger Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften vor. Die 100%ige Haftung ist dort anerkannt, wo der unfallverursachende Teil gegen Vorschriften des Straßenverkehrsrecht verstößt, die eine Verhaltensweise nur dann erlauben, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausdrücklich "ausgeschlossen" ist (vgl. Bursch/Jordan, VersR 1985, 512). Diese Vorschriften stellen einen sehr hohen Sorgfaltsmaßstab auf, der von dem einen Unfallbeteiligten verletzt wird. Ein solcher Verstoß des Beklagten zu 1. ist hier darin zu erkennen, dass er entgegen § 5 Abs. 4 S. 1 und 4 StVO sich beim Überholen nicht so verhalten hat, dass eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs aufgeschlossen wird und der Überholte nicht behindert wird."
vgl. LG Bonn, Urteil vom 28.08.2003 - 18 O 499/02
Beweislast des § 827 BGB beim Versicherten
"2) Dem Kläger gelingt hier der Nachweis nicht, dass er sich bei Antritt der Fahrt in fahruntüchtigem Zustand in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hat. Diesen Nachweis hat bei Anwendung des § 81 VVG der Versicherungsnehmer zu ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"2) Dem Kläger gelingt hier der Nachweis nicht, dass er sich bei Antritt der Fahrt in fahruntüchtigem Zustand in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hat. Diesen Nachweis hat bei Anwendung des § 81 VVG der Versicherungsnehmer zu führen, wenn er sich auf die Vorschrift des § 827 BGB zu seiner Entlastung berufen will (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-131, Rn. 12; BGH, Urteil vom 29. Oktober 2003 - IV ZR 16/03 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 20. Juni 1990 - IV ZR 298/89 -, Rn. 10, juris; BGH, Urteil vom 23. Januar 1985 - IVa ZR 128/83 -, Rn. 8, juris).
a) Der Kläger beruft sich hier darauf, dass er auf dem Grundstück seiner Bekannten gestürzt sei und in Folge dieses Sturzes, bei dem er sich auch Kopfverletzungen zugezogen habe, in einen geordneten amnestischen Dämmerungszustand verfallen sei mit der Folge, dass ab einem Zeitpunkt vor Antritt der Fahrt kein Erinnerungsvermögen vorhanden sei und erst nach Beendigung der Fahrt wieder sein Bewusstsein einsetze.
aa) Der Kläger hat zum Beweis hierfür seine eigene Parteivernehmung angeboten, der die Beklagte widersprochen hat (Bl. 37 d. A.). Eine Vernehmung des Klägers als Partei von Amts wegen gemäß § 448 ZPO war nicht zulässig. Die nach pflichtgemäßem Ermessen vom Gericht anzuordnende Parteivernehmung von Amts wegen setzt grundsätzlich das Bestehen einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptungen der beweisbelasteten Partei aufgrund des bisherigen Verhandlungsergebnisses bei einer nonliquet-Situation im Übrigen voraus. Dieser "Anbeweis" kann sich aus einer schon durchgeführten Beweisaufnahme oder aus dem sonstigen Verhandlungsinhalt, insbesondere aus einer Anhörung nach § 141 ZPO oder aus Ausführungen der Partei nach § 137 Abs. 4 ZPO ergeben (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2019 - III ZR 198/18 -, Rn. 20, juris). Der im Termin vor dem Landgericht anwesende Kläger hat von der Möglichkeit des § 137 Abs. 4 ZPO keinen Gebrauch gemacht. Ein sonstiger "Anbeweis" für die Richtigkeit seines Vortrages lag nicht vor."
vgl. KG, Beschluss vom 03.05.2022 - 6 U 39/21
Bösgläubigkeit i.S.d. § 851 BGB liegt vor, wenn Versicherer nicht klar nach der Eigentumsstellung fragte
"In diesem Kontext kann die Erklärung des Anspruchstellers, es handele sich um "sein Fahrzeug" - wie sie sich sinngemäß auch im hiesigen anwaltlichen Anspruchsschreiben vom 12.05.-2021 (Anlage K1) findet - keinesfalls mit einer verbindlichen Erklärung zum Eigentum am Fahrzeug gleichgesetzt werden. Ein......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"In diesem Kontext kann die Erklärung des Anspruchstellers, es handele sich um "sein Fahrzeug" - wie sie sich sinngemäß auch im hiesigen anwaltlichen Anspruchsschreiben vom 12.05.-2021 (Anlage K1) findet - keinesfalls mit einer verbindlichen Erklärung zum Eigentum am Fahrzeug gleichgesetzt werden. Eine solche oder vergleichbare Formulierung lässt entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht (dazu sogleich nachfolgend) nach dem "üblichen Sprachgebrauch" gerade nicht mit der erforderlichen Verlässlichkeit auf eine Eigentümerstellung schließen. So würden wohl die wenigsten Fahrzeughalter auf die Frage wo sie "ihr Fahrzeug" geparkt haben antworten, dass es ja gar nicht "ihr Fahrzeug" sei, sondern das einer Leasinggesellschaft oder Bank. Die Erfahrung zeigt zudem, dass selbst Anwälte im Rechtsstreit immer wieder trotz Verwendung entsprechender Formulierungen auf Nachfrage erklären (müssen), dass das Fahrzeug tatsächlich nicht im Eigentum der Klagepartei steht, sondern geleast oder finanziert ist. Entsprechend obliegt es einem Haftpflichtversicherer durch eine präzise Frage nach den Eigentumsverhältnissen Klarheit zu schaffen, idealerweise ergänzt durch die konkrete Frage, ob das Fahrzeug geleast oder darlehensfinanziert ist.
d) Gemessen am Vorstehenden ist im Streitfall von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Beklagten vom (vorrangigen) Eigentum der Klägerin auszugehen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann allerdings aus dem Umstand, dass die Firma R GmbH im Zeitpunkt der Regulierung noch nicht existent war, sich sondern tatsächlich noch in Gründung befand, nicht auf eine grob fahrlässige Unkenntnis geschlossen werden. Zum einen ist eine Vor GmbH "in Gründung" zum Auftreten und Handeln im Rechts- und Geschäftsverkehr im weiten Umfang berechtigt und dabei - abgesehen von der Rechtsfähigkeit im engeren Sinne - einer juristischen Person bereits weitgehend angenähert (BGH, Urt. v. 29.10.1992 - I ZR 264/90, BGHZ 120, 103); zum anderen würde das durch die Klägerin stillschweigend postulierte Erfordernis, vor jeder Regulierung einen Handelsregisterauszug einzuholen, die Anforderungen und auch Erwartungen an eine zügige Schadensregulierung klar überspannen. Eine entsprechende Obliegenheit des Haftpflichtversicherers vor der Schadensregulierung ist nicht sachgerecht. Gleiches gilt für die fehlende Angabe eines Vertretungsberechtigten der GmbH (in Gründung).
Grob fahrlässig hat die Beklagte im Zuge der Regulierung aber deswegen gehandelt, weil sie überhaupt nicht nachgefragt hat, in wessen Eigentum das Fahrzeug stand und ihr gegenüber auch sonst keine hinreichend klaren Erklärungen zu den Eigentumsverhältnissen im vorstehend dargelegten Sinne vorlagen.
Die entsprechende Aufklärungsmöglichkeit stand ihr nach § 119 Abs. 3 VVG zu Gebote, der zur Beantwortung und gegebenenfalls Belegvorlage für sämtliche sachdienlichen Aspekte des Schadensfalls anhält (z.B. Beckmann in: Bruck/Möller, VVG, § 119 Rn. 28). Dass hierzu die für den bereits den Grund des Anspruchs maßgebliche Frage nach der Anspruchsberechtigung in Gestalt des Eigentums und gegebenenfalls die Vorlage von Belegen zu dessen Nachweis gehört, bedarf keiner Vertiefung.
Die Beklagte kann sich insoweit schon deshalb nicht darauf berufen, dass ihr eine solche Nachfrage nicht zumutbar gewesen wäre, da sie sich ausweislich der Anlage SK04 im Hinblick auf die sich ihr gegenüber anzeigende Anwaltskanzlei veranlasst und in der Lage sah, eine Vollmacht anzufordern.
Hinzu tritt im Streitfall die Besonderheit, dass im zur Regulierung vorgelegten Schadensgutachten die vermeintlich zum Fahrzeug gehörende Zulassungsbescheinigung Teil I derart abfotografiert war, dass der linke der drei "Faltflügel" so umgefaltet war, dass er buchstäblich "wie abgeschnitten" wirkte. Es war deshalb nicht erkennbar, auf wen das Fahrzeug zugelassen war, wer also (ursprünglich) dessen Halter war bzw. ist (vgl. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 FZV). Zwar ist diese Information für die Frage nach dem Eigentum am Fahrzeug nicht von Bedeutung, doch hätte die ungewöhnliche bzw. unvollständige Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I für die Beklagte jedenfalls Anlass sein müssen, hier nachzuhaken.
In der Gesamtwertung hat die Beklagte im Zuge ihrer Regulierung damit dasjenige unbeachtet gelassen, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urt. v. 23.09.2022 - V ZR 148/21, VersR 2022, 1513). Sie hat das Eigentum der Klägerin grob fahrlässig nicht gekannt."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 05.01.2023 - 2 O 6786/21
Definition: Haftung u. Exculpation des Fahrers (§ 18 StVG)
"§ 18 Abs. 1 StVG normiert eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast. Das unfallursächliche Verschulden des Fahrzeugführers wird hiernach widerlegbar vermutet, solange dem Fahrzeugführer nicht der Entlastungsbeweis des § 18 Abs. 1 S. 2 StVG gelingt. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn fes......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"§ 18 Abs. 1 StVG normiert eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast. Das unfallursächliche Verschulden des Fahrzeugführers wird hiernach widerlegbar vermutet, solange dem Fahrzeugführer nicht der Entlastungsbeweis des § 18 Abs. 1 S. 2 StVG gelingt. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn feststeht, dass den Fahrzeugführer bezüglich sämtlicher in Betracht kommender Unfallursachen kein Verschulden trifft, d.h., es geht zu seinen Lasten, wenn der Sachverhalt ungeklärt bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.1974, VI ZR 37/73, Rn. 22, juris). Haftungsmaßstab für das Verschulden des Fahrzeugführers ist insoweit § 276 BGB, wonach fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. Laws/Lohmeyer/Vinke in Freymann/Wellner, jurisPK - Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., 2016, § 18 StVG, Rn. 17, m.w.N.). Folglich hat der Fahrzeugführer nachzuweisen, dass er sich so verhalten hat, wie dies jeder andere ordentliche Kraftfahrzeugführer unter den gegebenen Umständen auch getan hätte. Maßgebend ist das Maß an Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil eines besonnenen und gewissenhaften Verkehrsteilnehmers zu fordern ist. Er muss nachweislich alles einem ordentlichen Kraftfahrer, dem Durchschnittskraftfahrer, Zumutbare getan haben, um den Unfall zu vermeiden (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.03.2000, 9 U 128/99, Rn. 20; Laws/Lohmeyer/Vinke, aaO, Rn. 18)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 06.09.2019 - 7 U 18/17
grobe Fahrlässigkeit kann vorverlagert (bei Trinkbeginn oder im Trinkverlauf) vorliegen
"Selbst wenn der Fahrer im Unfallzeitpunkt schuldunfähig gewesen sein sollte, kann er den Versicherungsfall durch ein zeitlich früheres Verhalten grob fahrlässig herbeigeführt haben, als er sich noch in schuldfähigem Zustand befand. Da die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 81 Abs. 2 VVG ledi......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Selbst wenn der Fahrer im Unfallzeitpunkt schuldunfähig gewesen sein sollte, kann er den Versicherungsfall durch ein zeitlich früheres Verhalten grob fahrlässig herbeigeführt haben, als er sich noch in schuldfähigem Zustand befand. Da die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 81 Abs. 2 VVG lediglich an einen Erfolg, nämlich die Herbeiführung des Versicherungsfalles, nicht dagegen an ein bestimmtes Verhalten, etwa das Führen des Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand, anknüpft, kann auf ein zeitlich vorangehendes Verhalten des Versicherungsnehmers abgestellt werden, durch das der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt wird (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-131, Rn. 17). Rechnet der Versicherungsnehmer schon vor Trinkbeginn oder jedenfalls in einem noch schuldfähigen Zustand damit, dass er später unter Alkoholeinfluss mit seinem Kraftfahrzeug fahren und dabei möglicherweise einen Unfall herbeiführen werde, oder musste er damit rechnen und verschließt er sich dem grob fahrlässig, so setzt der Vorwurf der schuldhaften Herbeiführung des Versicherungsfalles bereits zu diesem früheren Zeitpunkt ein. Dazu bedarf es weder des Rückgriffs auf die Rechtsfigur der actio libera in causa (so noch BGH, Urteil vom 22. Februar 1989 - IVa ZR 274/87 - Rn. 15, juris) noch des Rechtsgedankens des § 827 S. 2 BGB (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-131, Rn. 17)."
vgl. KG, Beschluss vom 03.05.2022 - 6 U 39/21
Haftung des Fahrers eines E-Scooter nur nach § 823 BGB
"Der Klägerin steht auch kein Schadenersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB zu. Voraussetzung dafür wäre, dass das Unfallereignis zumindest teilweise auf ein mindestens fahrlässiges Verhalten des Beklagten zu 1) zurückzuführen wäre. Der Beklagte hätte also die ihn in der konkreten Situation treffen......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Der Klägerin steht auch kein Schadenersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB zu. Voraussetzung dafür wäre, dass das Unfallereignis zumindest teilweise auf ein mindestens fahrlässiges Verhalten des Beklagten zu 1) zurückzuführen wäre. Der Beklagte hätte also die ihn in der konkreten Situation treffenden Sorgfaltspflichten verletzt haben müssen. Den ihr hierfür obliegenden Beweis (vgl. zur Beweislast BGH, Urt. V. 24.09.2013, VI ZR 255/112) hat die Klägerin nicht erbracht."
vgl. LG Münster, Urteil vom 09.03.2020 - 8 O 272/19
Haftunverteilung: Verkehrssicherungspflicht in Baustelle (Haftung: 40%) zu Überfahren einer Fahrbahnmarkierung
"Die hier durch die unzureichende Beschilderung der Beklagten geschaffene Verkehrslage war für die Fahrerin des Klägerfahrzeugs unklar, was eine Schadenteilung rechtfertigt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.11.1975 – 10 U 28/75, VersR 1976, 668). Dabei ist zu sehen, dass die fehlerhaft und damit irre......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die hier durch die unzureichende Beschilderung der Beklagten geschaffene Verkehrslage war für die Fahrerin des Klägerfahrzeugs unklar, was eine Schadenteilung rechtfertigt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.11.1975 – 10 U 28/75, VersR 1976, 668). Dabei ist zu sehen, dass die fehlerhaft und damit irreführende Beschilderung durch die Mitarbeiter der Beklagten auf einer Autobahn besonders schwer wiegt: Gerade auf einer Bundesautobahn muss sich ein Autofahrer wegen der dort üblicherweise gefahrenen hohen Geschwindigkeiten auf die Anordnungen der Straßenverkehrs- oder -baubehörde (§ 45 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, 3 StVO) und deren Beschilderung verlassen können (OLG Celle, Urteil vom 21.02.2006 – 14 U 163/05, DAR 2006, 267). Andererseits musste der Fahrerin des Klägerfahrzeugs trotz der geringen zur Verfügung stehenden "Überlegungszeit" zumindest durch die klar erkennbare durchgezogene Fahrbahnbegrenzung klar sein, dass die unzutreffende Beschilderung nicht im von ihr verstandenen Sinne gemeint gewesen sein konnte.
In der Rechtsprechung wird – dem hiesigen Fall durchaus nicht unähnlich - z.B. einem Fahrzeugführer ein überwiegendes Mitverschulden von 2/3 zugerechnet, wenn er mit einer Geschwindigkeit von 90 km/h die im Autobahnbaustellenbereich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h erheblich überschritten hat und mit dem Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit auch gegen das Sichtfahrgebot verstoßen hat und so reflektierende Absperrtafeln, die vor einer Baugrube aufgestellt waren, zu spät wahrgenommen hat, nachdem er veranlasst durch unzureichend aufgestellte Warnbaken in den Baustellenbereich gewechselt war (OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.07.1998 – 15 U 124/97, Schaden-Praxis 1998, 415).
Nachdem es im Streitfall aber an einem unfallkausalen Geschwindigkeitsverstoß fehlt und auch sonst außer dem Überfahren der Fahrbahnmarkierung kein maßgebliches Mitverschulden festgestellt werden kann, hält die Kammer eine leicht überwiegende Eigenhaftung der Klägerin von 60% für angemessen und ausreichend, gleichzeitig aber auch geboten."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 08.06.2017 - 2 S 5570/15
Höhenbegrenzung und Verschuldensgrad
"Bei einem erheblichen Höhenunterschied und einer deutlichen Kennzeichnung nimmt die Rechtsprechung indes regelmäßig grobe Fahrlässigkeit an (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 2004, 1549; OLG Dresden NZV 2004, 38; vgl. auch Nugel, JurisPR-VerkR 15/2010, Anm. 4, veröffentlicht bei Juris). Gerade bei Anmietung......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Bei einem erheblichen Höhenunterschied und einer deutlichen Kennzeichnung nimmt die Rechtsprechung indes regelmäßig grobe Fahrlässigkeit an (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 2004, 1549; OLG Dresden NZV 2004, 38; vgl. auch Nugel, JurisPR-VerkR 15/2010, Anm. 4, veröffentlicht bei Juris). Gerade bei Anmietung eines ansonsten unbekannten Fahrzeugs kann dieses Fehlverhalten im Einzelfall aber auch lediglich fahrlässig sein (vgl. OLG München DAR 1999, 506; Nugel, a.a.O.). Insgesamt wird deutlich, dass - sofern eine grobe Fahrlässigkeit festgestellt wird - eine Beschränkung der Leistungskürzung unterhalb von 50 % möglich ist, wenn der Grenzbereich zur einfachen Fahrlässigkeit betroffen ist, sich das Verhalten des Schädigers also eher diesem Bereich als dem des bedingten Vorsatzes zuordnen lässt. Lässt sich weder das eine noch das andere feststellen, dürfte eine Leistungskürzung von 50 % angemessen sein (vgl. OLG Hamm NJW-Spezial 2010, 297, Leitsatz und Kurzwiedergabe; Nugel, a.a.O.)."
vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. September 2012 – I-24 U 54/12
Obliegenheit des Versicherers zur Recherche der Aktivlegitimation
"Die Erfahrung des Vorsitzenden nach nunmehr mehr als 15 Jahren in einer Spezialkammer für Verkehrssachen zeigt, dass nahezu jeder zweite Fall ein finanziertes oder geleastes Fahrzeug betrifft (vgl. auch MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., BGB § 851 Rn. 6: eher der Regelfall als die Ausnahme). Dies deckt sich mi......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Erfahrung des Vorsitzenden nach nunmehr mehr als 15 Jahren in einer Spezialkammer für Verkehrssachen zeigt, dass nahezu jeder zweite Fall ein finanziertes oder geleastes Fahrzeug betrifft (vgl. auch MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., BGB § 851 Rn. 6: eher der Regelfall als die Ausnahme). Dies deckt sich mit frei zugänglichen Statistiken:
- Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen (BDL): 2019 gehören ca. 40% aller Fahrzeuge Leasing-Gesellschaften (www.fuhrpark.de/bdl-40-prozent-der-autos-sind-geleast)
- Deutsche Automobil Treuhand GmbH: 2020 waren ca. 22% der privaten Neuwagen geleast und 62% der gekauften Neuwagen zumindest teil-finanziert (www.dat.de/news/thema-des-monats-august-finanzierung-und-leasing-bei-neuwagenkaeufern)
- Statista GmbH: 2022 sind ca. 36% aller privaten PKW in Deutschland per Kredit oder Leasing finanziert (de.statista.com/statistik/daten/studie/1065113/umfrage/anteil-der-per-kredit-oder-leasing-finanzierten-privaten-pkw-in-deutschland/)
Bei diesem Befund würden die Interessen der Beteiligten nicht ausgewogen berücksichtigt, wollte man dem Haftpflichtversicherer eine Erkundigungsobliegenheit zum Eigentum nur dann auferlegen, wenn bereits konkrete Anhaltspunkte erkennbar sind, die gegen die Eigentümerstellung des Besitzers am unfallbeschädigten Fahrzeug sprechen (so aber z.B. MüKoStVR/Geiger, BGB § 851 Rn. 5; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., BGB § 851 Rn. 6; BeckOGK/Eichelberger, 1.12.2022, BGB § 851 Rn. 30)."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 05.01.2023 - 2 O 6786/21
Öffnen der Tür gehört - auch auf Privatgrund - zur Betriebsgefahr
"Nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG in Verbindung mit § 1 PflVG deckt die Kfz-Haftpflichtversicherung den durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Schaden. Der "Gebrauch des Kraftfahrzeugs" in diesem Sinne schließt den "Betrieb" des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 7 StVG ein (vgl. BGH, Urteil vom 23. Feb......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG in Verbindung mit § 1 PflVG deckt die Kfz-Haftpflichtversicherung den durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Schaden. Der "Gebrauch des Kraftfahrzeugs" in diesem Sinne schließt den "Betrieb" des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 7 StVG ein (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1977 - IV ZR 59/76, VersR 1977, 418 f.; BGHZ 75, 45 ff.; 78, 52 ff.; Beschluss vom 8. April 2008 - VI ZR 229/07 - Schaden-Praxis 2008, 338; Urteil vom 31. Januar 2012 - VI ZR 43/11, VersR 2012, 734 ff.), wozu anerkanntermaßen auch das Öffnen einer Tür beim Aussteigen aus einem Kraftfahrzeug gehört (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 316/08, VersR 2009, 1641; OLG München, VersR 1966, 987; VersR 1996, 1036; KG, RuS 2011, 174; Greger/Zwickel, Haftung des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 3 Rn. 129, § 19 Rn. 11; Wussow/Fad, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Kapitel 17 Rn. 86; zum Ein- und Aussteigen als Fahrzeuggebrauch vgl. nur Stiefel/Maier aaO AKB A.1.1 Rn. 26). Dass sich der Aussteigevorgang hier auf einer privaten Fläche stattgefunden hat, ändert hieran nichts (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1994 - VI ZR 107/94, VersR 1995, 90; Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., AKB A.1.1 Rn. 25)."
vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 20.11.2015 - 13 S 117/15
Rückrechnung nach Blutentnahme
"Beweisrechtlich ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der Versicherer die Voraussetzungen des Risikoausschlusses des § 81 Abs. 2 VVG (vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls) und damit die von dem Maß der Alkoholisierung und ihren Umständen abhängige Vorwerfb......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Beweisrechtlich ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der Versicherer die Voraussetzungen des Risikoausschlusses des § 81 Abs. 2 VVG (vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls) und damit die von dem Maß der Alkoholisierung und ihren Umständen abhängige Vorwerfbarkeit aber auch die für die Quotenbildung entscheidende Schwere des Verschuldens, die ihrerseits vom Grad der Alkoholisierung abhängen kann, beweisen muss. Daher muss zunächst (mangels anderer gerichtlicher Feststellungen) in der Vollkaskoversicherung von der dem VN günstigsten Berechnung ausgegangen werden. Das bedeutet, dass forensisch ein Ende der Alkoholaufnahme unmittelbar vor dem Unfall und damit das Einsetzen der Resorption erst unmittelbar vor dem Unfall, also ein "Aufbau" der BAK erst "nach" dem Unfall anzunehmen ist. Eine rückrechnende Erhöhung des BAK-Wertes ist also tatsächlich nur bei Entnahme einer Blutprobe nach Ablauf von 2 Stunden nach dem Unfall überhaupt erlaubt. Von da an ist dann ein Alkoholabbau von 0,1 ‰ pro Stunde anzunehmen (anschaulich Rixecker in ZfSch 2014, 334, 335; LG Kaiserslautern, Urteil vom 7. Februar 2014 - 3 O 323/13 -, juris). Gemessen daran ist vorliegend nach verständiger Würdigung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. D. eine Mindestblutalkoholkonzentration von 0,85 ‰ zum Unfallzeitpunkt anzunehmen. Zudem ist es weder seitens der Berufung gerügt noch in sonstiger Hinsicht zu beanstanden, dass das Landgericht zum Unfallzeitpunkt eine maximale Blutalkoholkonzentration von 0,99 ‰ zugrunde gelegt hat."
vgl. Saarländisches OLG, Urteil vom 12.10.2022 - 5 U 22/22
unsinniges Beschleunigen vor Geschwindigkeitsbegrenzung: auch wenn legal ist es nicht verkehrsrichtig
"Unter Zugrundelegung, dass nach dem Ergebnis der durch den Sachverständigen durchgeführten Fahrversuche eine moderate Ausfahrt aus dem Kreisverkehr zu einer Geschwindigkeit von nur 60 km/h im Bereich der Unfallstelle geführt hätte und selbst bei voller Beschleunigung ab Kreisverkehr maximal eine Gesc......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Unter Zugrundelegung, dass nach dem Ergebnis der durch den Sachverständigen durchgeführten Fahrversuche eine moderate Ausfahrt aus dem Kreisverkehr zu einer Geschwindigkeit von nur 60 km/h im Bereich der Unfallstelle geführt hätte und selbst bei voller Beschleunigung ab Kreisverkehr maximal eine Geschwindigkeit von ca. 90 km/h erreichbar war (vgl. Bl. 361, 400 GA), muss der Beklagte zu 1) sich entgegenhalten lassen, trotz Ortskenntnis bzw. trotz guter Sichtverhältnisse auf das Verkehrszeichen (vgl. hierzu die Lichtbilder Bl. 408 f. GA) in einem kurzen Streckenabschnitt im Vorfeld einer Geschwindigkeitsbeschränkung, in dem selbst bei Vollbeschleunigung mit einem Mittelklassefahrzeug 100 km/h kaum zu erreichen waren, mehr als moderat beschleunigt zu haben. Ein solches Verhalten stellt sich nach Auffassung des Senats nicht als verkehrsrichtig dar; vielmehr hätte ein Durchschnittsfahrer in der Situation des Beklagten zu 1) wegen seiner Ortskenntnis bzw. wegen des bei Ausfahrt aus dem Kreisverkehr bereits gut sichtbaren Verkehrszeichens nicht mehr als moderat beschleunigt, so dass er - wie offenbar durch die Straßenverkehrsbehörde unterstellt - auf dem nur 175 m langen Streckenabschnitt bei Erreichen des Verkehrszeichens keine höhere Geschwindigkeit als 70 km/h erreicht hätte."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 06.09.2019 - 7 U 18/17
Vorbeifahren an Hindernis ohne Sicht ist Sorgfaltspflichtverstoß
"Allerdings steht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass auch der Kläger gegen seine Sorgfaltspflicht aus § 1 Abs. 2 StVO verstoßen hat.Denn er fuhr, wenn auch mit geringer Geschwindigkeit, trotz fehlender Sicht am S......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Allerdings steht nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass auch der Kläger gegen seine Sorgfaltspflicht aus § 1 Abs. 2 StVO verstoßen hat.Denn er fuhr, wenn auch mit geringer Geschwindigkeit, trotz fehlender Sicht am Sprinter vorbei."
vgl. LG Kassel, Urteil vom 08.03.2013 - 5 O 118/12
Zurücktreten der Betriebsgefahr nur bei Unabwendbarkeit für Idealfahrer
"Grundsätzlich kann die Gefährdungshaftung für ein Kraftfahrzeug, bei dessen Betrieb ein nicht motorisierter Verkehrsteilnehmer zu Schaden gekommen ist, überwiegend zurücktreten oder sogar in Gänze entfallen, wenn das nicht motorisierte Unfallopfer seinerseits durch ein grob verkehrswidriges Verhalt......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Grundsätzlich kann die Gefährdungshaftung für ein Kraftfahrzeug, bei dessen Betrieb ein nicht motorisierter Verkehrsteilnehmer zu Schaden gekommen ist, überwiegend zurücktreten oder sogar in Gänze entfallen, wenn das nicht motorisierte Unfallopfer seinerseits durch ein grob verkehrswidriges Verhalten eine Ursache für den Unfall gesetzt hat (vgl. BGH, Urteil vom 24.09.2013, IV ZR 255/12, Rn. 7, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.08.2015, I-1 U 168/15, Rn. 53, juris; Hentschel/König/Dauer, 45. Aufl., § 9 Rn.13). Dass der Kläger die erforderliche Sorgfalt bei Überqueren der Fahrbahn unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO in grober Weise missachtet hat, ist vorliegend anzunehmen. Zwar ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt alkoholisiert gewesen ist. Es ist aber zu berücksichtigen, dass es sich um eine gut ausgebaute und gerade Straße handelte, andere Fahrzeuge waren dort zum Unfallzeitpunkt offensichtlich nicht unterwegs. Der Kläger hatte mithin freie Sicht und hätte das Beklagtenfahrzeug bei einem Blick nach links unschwer erkennen können und müssen, bevor er auf die Straße trat. Wer als Fußgänger Fahrbahnen ohne Beachtung des Straßenverkehrs überquert (§ 25 Abs. 3 S. 1 StVO), handelt in erheblichem, nicht mehr nachvollziehbarem Umfang unsorgfältig und verantwortungslos (vgl. OLG München, Urteil vom 04.09.2015, 10 U 3814/14, Rn. 46 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 27.06.2000, VI ZR 126/99, Rn. 18, 19, jeweils bei juris; vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 16.02.2016, 26 U 105/15, Rn. 16, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.08.2015, 1 U 168/15, Rn. 57, juris). Dies kann umso mehr gelten, wenn bei Dunkelheit ein beleuchtetes Fahrzeug übersehen wird (so OLG München, aaO).
Allerdings ist auch bei einem grob fahrlässigen Verhalten eines nicht motorisierten Unfallopfers ein Ausschluss der Haftung nur in Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.08.2015, 1 U 168/15, Rn. 54, juris; OLG München, aaO, Rn. 46, m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 28.04.2015, VI ZR 206/14, Rn. 10, juris, für den Fall eines Skiunfalls). Ein gänzlicher Ausschluss der Haftung wegen überwiegenden Mitverschuldens kommt danach bei Fußgängerunfällen nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände das Verschulden als außergewöhnlich schwer erscheinen lassen (so auch OLG Düsseldorf, aaO, Rn. 46). Ein Haftungsausschluss lässt sich in den Fällen grober Fahrlässigkeit im Übrigen nur dann rechtfertigen, wenn die Betriebsgefahr des an dem Unfall beteiligten Kraftfahrzeugs geringer zu bewerten ist. Für eine solche Bewertung kann es Anlass geben, wenn der Führer des Fahrzeuges sich nachweislich wie ein Idealfahrer verhalten hat (OLG Düsseldorf, aaO, vgl. Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl., 2018, § 9 StVG, Rn. 18). Hätte auch ein Idealfahrer bei weit vorausschauender und überobligatorisch vorsichtiger Fahrweise den Unfall nicht verhindern können, so spricht dies dafür, die Haftung aus § 7 StVG gänzlich in den Hintergrund treten zu lassen (so auch aktuell OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. April 2018 - I-1 U 196/14 -, Rn. 70, juris).
Dass der Beklagte zu 1) sich wie ein Idealfahrer verhalten hätte, steht - wie zuvor zum misslungenen Entlastungsbeweis ausgeführt - nicht fest. Insoweit oblag den Beklagten auch im Rahmen des Abwägungsverhältnisses die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast, nachdem zu Gunsten des Klägers davon auszugehen ist, dass er sich das für ihn günstige und entscheidungserhebliche gegenteilige Ergebnis der Beweisaufnahme zum Entstehen weniger gravierender Unfallfolgen bei geringerer Kollisionsgeschwindigkeit und anderer Anstoßkonstellation zu Eigen gemacht hat."