alkoholisiert Fahruntüchtige können sich nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen
"Es kommt noch hinzu, dass sich der Beklagte zu 1 auch deswegen nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen darf, weil er sich selbst nicht verkehrsrichtig verhalten hat. Wie oben bereits erwähnt, setzt eine Berufung eines Verkehrsteilnehmers auf den Vertrauensgrundsatz voraus, dass sich der betreffende Ve......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Es kommt noch hinzu, dass sich der Beklagte zu 1 auch deswegen nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen darf, weil er sich selbst nicht verkehrsrichtig verhalten hat. Wie oben bereits erwähnt, setzt eine Berufung eines Verkehrsteilnehmers auf den Vertrauensgrundsatz voraus, dass sich der betreffende Verkehrsteilnehmer selbst regelgerecht verhält, also nicht eine zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer bestimmte Norm verletzt (vgl. dazu - neben den obigen Nachweisen - etwa noch BGH, Urteil vom 04.07.1957 - 4 StR 190/57 -, VRS 13, 255; Urteil vom 06.02.1958 - 4 StR 687/57 -, juris; Urteil vom 15.11.1966 - VI ZR 57/65 -, VersR 1967, 157; Urteil vom 08.09.1967 - 4 StR 81/67 -, VRS 33, 368, 370; Urteil vom 10.04.1968 - 4 StR 62/68 -, NJW 1968, 1532, 1533; Urteil vom 03.11.1970 - VI ZR 65/69 -, VersR 1971, 179; OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.12.1999 - 3 Ss 43/99 -, NStZ-RR 2000, 141, 143; Fischer, StGB, 71. Aufl. 2024, § 222, Rdnr. 14; Puppe, Jura 1998, 21, 23).
Das Führen eines Kraftfahrzeuges in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand ist als grober Verstoß gegen die Grundsätze der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt anzusehen (s. auch § 316 StGB, § 24a StVG). Es gehört zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.1985 - IVa ZR 128/83 -, NJW 1985, 2648; Urteil vom 22.02.1989 - IVa ZR 274/87 -, NJW 1989, 1612, 1613). Dieses Verbot besteht zuvörderst zum Schutz anderer Verkehrsteilnehmer. Wer angetrunken ein Kraftfahrzeug führt, handelt also grob pflichtwidrig (s. Kaufmann, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl. 2024, Kap. 25, Rdnr. 331) und kann sich daher nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen (vgl. Puppe, Jura 1998, 21, 23; in diesem Sinne wohl auch BGH, Urteil vom 09.07.1968 - VI ZR 171/67 -, VersR 1968, 1093)."
vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 25.01.2024, Az. 26 U 11/23
Alleinhaftung des Radfahrers, der ungebremst auf PKW auffährt
"Der Kläger ist ungebremst auf den Pkw des Beklagten zu 1 aufgefahren, hat also überhaupt nicht reagiert, obwohl in Anbetracht des Seitenabstandes zwischen dem Pkw und der Gosse von ca. einem Meter eine Ausweichmöglichkeit nach rechts bestanden hätte (s. unter I 3). Bei dieser Sachlage ist auszuschlie......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Der Kläger ist ungebremst auf den Pkw des Beklagten zu 1 aufgefahren, hat also überhaupt nicht reagiert, obwohl in Anbetracht des Seitenabstandes zwischen dem Pkw und der Gosse von ca. einem Meter eine Ausweichmöglichkeit nach rechts bestanden hätte (s. unter I 3). Bei dieser Sachlage ist auszuschließen, dass der Kläger bei einem größeren Seitenabstand rechts mit einem Ausweichmanöver reagiert hätte.
Es kann dahinstehen, ob der Unfall für den Beklagten zu 1 im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG unabwendbar war oder ein besonders sorgfältiger Idealfahrer den Kläger in Anbetracht der Verkehrssituation überhaupt nicht überholt und damit den Unfall vermieden hätte. Zutreffend führt das Landgericht aus, dass die gegebenenfalls zu berücksichtigende Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 1 jedenfalls hinter dem überwiegenden Verschulden des Klägers zurückträte."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 15.01.2004 - 14 U 91/03
Alleinhaftung des Rettungswagens, der ohne (bzw. nicht beweisbare) Nutzung von Sonderrechten über rote Ampel fährt
"Gleichwohl erscheint es angesichts der mehrfach zu registrierenden Sorgfaltspflichtverstöße auf Seiten der Beklagten gerechtfertigt, die dem Kläger allein zuzurechnende Betriebsgefahr seines Pkw hinter das insgesamt erhebliche, der Beklagten zur Last fallende Verschulden zurücktreten zu lassen und di......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Gleichwohl erscheint es angesichts der mehrfach zu registrierenden Sorgfaltspflichtverstöße auf Seiten der Beklagten gerechtfertigt, die dem Kläger allein zuzurechnende Betriebsgefahr seines Pkw hinter das insgesamt erhebliche, der Beklagten zur Last fallende Verschulden zurücktreten zu lassen und dieser, auch wegen der geschwindigkeitsbedingt höheren Betriebsgefahr des Rettungswagens, im Rahmen der Gesamtabwägung der wechselseitigen Verantwortungsbeiträge nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 und 2 StVG die alleinige Haftung zuzuweisen. Der Senat befindet sich hierbei in Übereinstimmung mit einem vergleichbaren Urteil des Kammergerichts vom 07. Mai 2007 (VRS 113 Nr. 37). Dort hatte ein Polizeifahrzeug sein Martinshorn nicht rechtzeitig vor der roten Ampelkreuzung zugeschaltet, was ebenfalls zum Zurücktreten der Betriebsgefahr auf Seiten des Unfallgegners führte."
vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 21.07.2011 - 4 U 23/11
"Das angeordnete Überholverbot bezweckt dabei auch den Schutz des Gegenverkehrs (Helle in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 5 StVO (Stand: 09.06.2023), Rn. 66).(Stand: 09.06.2023), Rn. 66)." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Das angeordnete Überholverbot bezweckt dabei auch den Schutz des Gegenverkehrs (Helle in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 5 StVO (Stand: 09.06.2023), Rn. 66)."
vgl. LG Münster, Urteil vom 11.07.2024 - 8 O 7/22
Anscheinsbeweis des Verschuldens des Spurwechslers
"Steht die Kollision zweier Kraftfahrzeuge - wie im streitgegenständlichen Fall - in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Fahrspurwechsel, so spricht grundsätzlich der Anscheinsbeweis für die Missachtung der Sorgfaltspflichten, die für den Spurwechsler gelten (vgl. Sena......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Steht die Kollision zweier Kraftfahrzeuge - wie im streitgegenständlichen Fall - in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Fahrspurwechsel, so spricht grundsätzlich der Anscheinsbeweis für die Missachtung der Sorgfaltspflichten, die für den Spurwechsler gelten (vgl. Senat, Urteil vom 13. Juli 2018 - 10 U 1856/17 -, Rn. 25, juris). Der gerichtliche Sachverständige hat überdies einen schuldhaften Verstoß des Beklagten zu 1) gegen die ihm im Zusammenhang mit dem Spurwechsel obliegenden Pflichten auch bestätigt: "Da ein möglicher Fahrstreifenwechsel [...] somit deutlich vor dem Kollisionszeitpunkt bereits abgeschlossen gewesen sein müsste, wäre - sofern der Beklagte zu 1) bis zum Beginn seines Fahrstreifenwechsels Rückschau über den linken Seitenspiegel hielt - das auf dem linken Fahrstreifen fahrende Klägerfahrzeug erkennbar gewesen. Hätte der Beklagte zu 1) angesichts des auf dem linken Fahrstreifen fahrenden Klägerfahrzeugs und der bereits von 95 bis 100 km/h reduzierten Geschwindigkeit des Wohnmobils von dem Lenkmanöver abgesehen, hätte er die Kollision vermeiden können" (vgl. Seite 31 des Gutachtens vom 02.03.2021)."
vgl. OLG München, Endurteil vom 01.06.2022 - 10 U 7382/21 e
Ascheinsbeweis gegen Fußgänger beim Zusammenstoß mit Kfz
"Wenn ein Kraftfahrzeug - wie vorliegend - auf seiner rechten Fahrbahnseite mit einem von rechts kommenden Fußgänger zusammenstößt, so ist ein Anscheinsbeweis für eine schuldhafte Nichtbeachtung der Sorgfaltspflichten des § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO durch den Fußgänger einschlägig (Senat, 5. März 20......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Wenn ein Kraftfahrzeug - wie vorliegend - auf seiner rechten Fahrbahnseite mit einem von rechts kommenden Fußgänger zusammenstößt, so ist ein Anscheinsbeweis für eine schuldhafte Nichtbeachtung der Sorgfaltspflichten des § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO durch den Fußgänger einschlägig (Senat, 5. März 2013, 1 U 116/12 m.w.N.; Rogler in: jurisPK-Straßenverkehrsrecht, § 25 StVO Rz. 141 )."
vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.04.2018 - I-1 U 196/14
auf Blinker muss man nur reagieren, wenn man ihn erkennen kann
"Unabhängig davon lässt sich ein schuldhafter Verstoß des Motorradfahrers gegen § 5 Abs. 7 Satz 1 StVO auch deshalb nicht feststellen, weil nicht auszuschließen ist, dass ein etwaig gesetzter Fahrtrichtungsanzeiger für diesen nicht (rechtzeitig) erkennbar war. Das linke Blinklicht war möglicherweis......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Unabhängig davon lässt sich ein schuldhafter Verstoß des Motorradfahrers gegen § 5 Abs. 7 Satz 1 StVO auch deshalb nicht feststellen, weil nicht auszuschließen ist, dass ein etwaig gesetzter Fahrtrichtungsanzeiger für diesen nicht (rechtzeitig) erkennbar war. Das linke Blinklicht war möglicherweise gar nicht oder nur schwer für den nachfolgenden Verkehr erkennbar, weil dieses zum einen verdreckt war und zum anderen die Sonneneinstrahlung von hinten die Erkennbarkeit erheblich reduzierte; diesen Aspekt hat das landgerichtliche Urteil zu Unrecht unberücksichtigt gelassen.
Die diesbezügliche Feststellung ergibt sich aus den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen B in seinem Gutachten vom 31.01.2022 (im Folgenden Gutachten I, dort S. 12, eGA I-65), das der Senat als staatsanwaltschaftlich eingeholtes Gutachten nach § 411a ZPO verwerten konnte, nachdem er den vor dem Landgericht unterbliebenen, die Verwertung des genannten Gutachtens nebst Ergänzung vom 21.03.2022 anordnenden Beweisbeschluss in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2024 nachgeholt hat."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 02.07.2024 - 7 U 74/23
bei Sonderrechten liegt kein Verstoß gegen Lichtzeichenregel vor
"Die Klägerin räumt ein, dass der Zeuge D trotz Rotlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren ist und damit gegen das Gebot aus § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7 StVO "Halt vor der Kreuzung" verstoßen hat.
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Ein die Betriebsgefahr des klägerischen Rettungswagens erhöhender Sorgfaltspflichtverstoß lieg......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Klägerin räumt ein, dass der Zeuge D trotz Rotlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren ist und damit gegen das Gebot aus § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7 StVO "Halt vor der Kreuzung" verstoßen hat.
Ein die Betriebsgefahr des klägerischen Rettungswagens erhöhender Sorgfaltspflichtverstoß liegt darin indes nur, wenn der Zeuge D nicht von der Beachtung des Vorrechts anderer Verkehrsteilnehmer aufgrund eines ihm nach §§ 35, 38 StVO zustehenden Sonderrechts befreit war."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 04.05.2018 - 7 U 37/17
Beweislast bzgl Verstoß gegen Rechtsfahrgebot
"(....) ist es dem Kläger bereits dem Grunde nach nicht gelungen den Nachweis zu führen, dass der Beklagte Ziffer 2 hätte weiter rechts fahren können. Denn er war für seine Behauptung, wonach sich im eigentlichen Kreuzungsbereich und damit der Unfallstelle keine Fahrzeuge mehr am rechten Fahrbahnrand......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"(....) ist es dem Kläger bereits dem Grunde nach nicht gelungen den Nachweis zu führen, dass der Beklagte Ziffer 2 hätte weiter rechts fahren können. Denn er war für seine Behauptung, wonach sich im eigentlichen Kreuzungsbereich und damit der Unfallstelle keine Fahrzeuge mehr am rechten Fahrbahnrand befunden haben und der Beklagte Ziffer 2 daher weiter rechts hätte fahren können, beweispflichtig."
vgl. LG Hechingen, Urteil vom 11.12.2020, Az. 1 O 207/19
falsche Restwertermittlung (falsche Datengrundlage) muss jedenfalls dem Anwalt auffallen
"Das bei der Streithelferin eingeholte Gutachten vom 30.05.2018, das dem Kläger vor dem Verkauf des beschädigten Fahrzeugs am 06.06.2018 vorlag, genügt nicht diesen Anforderungen.
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(...)
Ob dem Kläger dabei hätte persönlich auffallen müssen, dass das Gutachten den Restwert nicht zutre......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Das bei der Streithelferin eingeholte Gutachten vom 30.05.2018, das dem Kläger vor dem Verkauf des beschädigten Fahrzeugs am 06.06.2018 vorlag, genügt nicht diesen Anforderungen.
(...)
Ob dem Kläger dabei hätte persönlich auffallen müssen, dass das Gutachten den Restwert nicht zutreffend ermittelt hat, kann letztlich dahinstehen. Denn zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Gutachtens war der Kläger bereits anwaltlich vertreten. Jedenfalls seinem Rechtsanwalt hätte auffallen müssen, dass sich die Restwertermittlung als unzureichend darstellt und nicht geeignet ist, ein Vertrauen in diese zu begründen. Das insoweit seinem Anwalt zur Last fallende Verschulden muss sich der Kläger zurechnen lassen (OLG Hamm, Urteil vom 28.09.2018 - I-9 U 137/16 - juris Rn. 43)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 26.04.2023 - 11 U 66/22
fehlerhafte Bedienung von Richtungsanzeigern verhindert Unabwendbarkeit
"Für eine Unabwendbarkeit des Unfalls für den Beklagten zu 1 i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG spricht vordergründig, dass er keinen direkten Einfluss auf die Kollision des klägerischen Fahrzeugs mit dem des Zeugen L hatte. Allerdings bleibt zu Lasten der Beklagten nach dem Ergebnis der erst- und zweitinstanzl......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Für eine Unabwendbarkeit des Unfalls für den Beklagten zu 1 i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG spricht vordergründig, dass er keinen direkten Einfluss auf die Kollision des klägerischen Fahrzeugs mit dem des Zeugen L hatte. Allerdings bleibt zu Lasten der Beklagten nach dem Ergebnis der erst- und zweitinstanzlichen Beweisaufnahme die Möglichkeit im Raum stehen, dass der Beklagte zu 1 durch eine zunächst irrtümlich verwechselnde Betätigung des rechten Fahrtrichtungsanzeigers einen Gefahrenmoment geschaffen hat, was letztlich aber offen bleiben kann, da dies im Rahmen der Abwägung der Verursachungsbeiträge jedenfalls - wie nachfolgend ausgeführt wird - zurücktritt."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 27.11.2020 - 7 U 24/19
grobe Fahrlässigkeit bei absoluter Fahruntüchtigkeit
"Das Führen eines Kraftfahrzeuges in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand gehört zu den schwersten Verkehrsverstößen. Wer sich in absolut fahruntüchtigem Zustand an das Steuer eines Kraftfahrzeuges setzt, handelt grundsätzlich grob fahrlässig (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10 -, BGHZ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Das Führen eines Kraftfahrzeuges in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand gehört zu den schwersten Verkehrsverstößen. Wer sich in absolut fahruntüchtigem Zustand an das Steuer eines Kraftfahrzeuges setzt, handelt grundsätzlich grob fahrlässig (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - IV ZR 225/10 -, BGHZ 190, 120-131, Rn. 11; BGH, Urteil vom 22. Februar 1989 - IVa ZR 274/87 -, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 23. Januar 1985 - IVa ZR 128/83 -, Rn. 9, juris)."
vgl. KG, Beschluss vom 03.05.2022 - 6 U 39/21
grundsätzlich haften Auffahrender und Überholer allein
"Ausgehend von der grundsätzlichen Alleinhaftung des Auffahrenden wie des Überholers kommt eine Mithaftung nämlich regelmäßig nur bei vorwerfbarem Fehlverhalten in Betracht (Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 17. Auflage 2022, Rn. 115 und N01, beckonline), welches hier - wie dargestell......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Ausgehend von der grundsätzlichen Alleinhaftung des Auffahrenden wie des Überholers kommt eine Mithaftung nämlich regelmäßig nur bei vorwerfbarem Fehlverhalten in Betracht (Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 17. Auflage 2022, Rn. 115 und N01, beckonline), welches hier - wie dargestellt - auf Seiten des Zeugen R1. nicht vorliegt."
vgl. LG Münster, Urteil vom 11.07.2024 - 8 O 7/22
Haftungsabwägung (schlafender Fußgänger auf Straße gegenüber Verstoß gegen Sichtfahrgebot): 50:50
"Die gebotene Abwägung der beiderseitigen unfallursächlichen Verursachungsbeiträge führt zu einer je hälftigen Verantwortung beider Unfallbeteiligten. Insoweit hat der Senat berücksichtigt, dass der Geschädigte zwar die erste Ursache für das Unfallgeschehen gesetzt und damit maßgeblich zum Unfall......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die gebotene Abwägung der beiderseitigen unfallursächlichen Verursachungsbeiträge führt zu einer je hälftigen Verantwortung beider Unfallbeteiligten. Insoweit hat der Senat berücksichtigt, dass der Geschädigte zwar die erste Ursache für das Unfallgeschehen gesetzt und damit maßgeblich zum Unfall beigetragen hat, dem Beklagten zu 1), der nach seinen eigenen Angaben vor der Kollision "gar nichts auf der Fahrbahn" gesehen hat, jedoch ebenfalls ein nicht unerheblicher Verkehrsverstoß zur Last fällt. Die von ihm gesetzte Unfallursache weicht von der durch den Versicherungsnehmer der Klägerin gesetzten Erstursache in ihrer Ausprägung weder nach oben noch nach unten ab. Beide Unfallbeteiligten hatten es in der Hand, durch verkehrsrichtiges Verhalten den Unfall unschwer zu vermeiden. Beide haben durch ihr verkehrswidriges Verhalten gleichermaßen zum Unfallgeschehen beigetragen."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 03.03.2023 - 7 U 100/22
Haftungsabwägung nur bei unmittelbarer Kausalität
"Soweit der Kläger selbst ein Überholen unmittelbar nach dem Kreisverkehr schildert, so mag dieses Verhalten unvernünftig und nicht nachvollziehbar sein. Nach den obigen Ausführungen war sein Überholvorgang aber bereits abgeschlossen. Selbst wenn dieser seinerseits einen Verstoß gegen § 5 StVO darg......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Soweit der Kläger selbst ein Überholen unmittelbar nach dem Kreisverkehr schildert, so mag dieses Verhalten unvernünftig und nicht nachvollziehbar sein. Nach den obigen Ausführungen war sein Überholvorgang aber bereits abgeschlossen. Selbst wenn dieser seinerseits einen Verstoß gegen § 5 StVO dargestellt haben soll, was hier offen bleiben kann, war dieser für den Sturz nicht unmittelbar kausal. Vielmehr ist letztes Glied der Kausalkette das verbotswidrige Überholen des Beklagten zu 1) und nur dieses ist bei der hier vorgenommenen Quotierung zu beachten. Anderenfalls hätte im Wege einer Gesamtbetrachtung auch noch ein etwaiger Verkehrsverstoß des Beklagten zu 1) im Kreisverkehr aufgeklärt werden müssen, was ersichtlich nicht zweckmäßig ist."
"Hinzukommt, dass in der Regel die Betriebsgefahr desjenigen, der - wie hier die Beklagte zu 1) - unter Außerachtlassung der Sorgfalt des § 9 Abs. 5 StVO in ein Grundstück abbiegen will, in der Regel doppelt so hoch zu bewerten ist wie die Betriebsgefahr desjenigen, der den Abbieger in unzulässiger We......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Hinzukommt, dass in der Regel die Betriebsgefahr desjenigen, der - wie hier die Beklagte zu 1) - unter Außerachtlassung der Sorgfalt des § 9 Abs. 5 StVO in ein Grundstück abbiegen will, in der Regel doppelt so hoch zu bewerten ist wie die Betriebsgefahr desjenigen, der den Abbieger in unzulässiger Weise überholt (Senat, Urteil vom 06.05.2014, I-1 U 32/13, juris, Rn. 10). Zudem hat die Beklagte zu 1) über eine Sperrfläche hinweg abbiegen wollen und musste auch mit Verkehr auf der Sperrfläche rechnen. Denn unstreitig fuhren dort Straßenbahnen; die Sperrfläche war sogar eingerichtet, damit diese störungsfrei fahren konnten. Auf Seiten des Klägers ist allerdings zu berücksichtigen, dass er ebenfalls über die Sperrfläche gefahren ist. Weiter ist er zu schnell gefahren. Entgegen seiner Ansicht handelt es sich auch nicht um eine zu vernachlässigende Geschwindigkeitsüberschreitung. Sie betrug immerhin etwa 15 %, wenn es auch in absoluten Zahlen nur 8 km/h waren, wobei sich bei der Verursachung maßgeblich der erhebliche Geschwindigkeitsüberschuss gegenüber dem stockenden Verkehr ausgewirkt hat.
Insgesamt hält der Senat daher bei der Abwägung im Rahmen des § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG eine Quote von 40 % zu 60 % zu Lasten der Beklagten für angemessen.
"
vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.09.2019 - 1 U 82/18
kein faktisches Überholverbot wg. notwendigen Geschwindigkeitsverstoßes
"Der Umstand, dass der Kläger nur unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überholen konnte, ist im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 und 2 StVO nicht zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen.
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Soweit aus dem Umstand, dass ein Überholvorgang nur unter Ü......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Der Umstand, dass der Kläger nur unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überholen konnte, ist im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 und 2 StVO nicht zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen.
Soweit aus dem Umstand, dass ein Überholvorgang nur unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit möglich ist, auf ein sog. faktisches Überholverbot geschlossen wird (so OLG Schleswig, Urteil vom 29.11.1995 - 9 U 50/95); OLG München NJW 1966, 1270; Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. A. 2012, § 5 Rn. 23) findet eine solche Konzeption nach Ansicht des Senats keine hinreichende Stütze im Gesetz: Insbesondere findet sich eine solche nicht in § 5 StVO. § 5 Abs. 2 StVO normiert lediglich, dass neben dem Ausschluss einer Behinderung des Gegenverkehrs mit wesentlich höherer Geschwindigkeit zu überholen ist. Der Katalog der Überholverbote in § 5 Abs. 3 StVO greift ebenfalls nicht.
Nach der Konzeption der §§ 5 und 3 StVO trifft vielmehr denjenigen, der nur unter Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit überholt, "lediglich" der Vorwurf, gegen § 3 StVO zu verstoßen. Damit lässt sich die Konzeption eines "faktischen Überholverbots" allein damit begründen, dass der Unfall sich nicht ereignet hätte, wenn der Kläger die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hätte, schlicht weil er dann geschwindigkeitsbedingt nicht hätte überholen können. Eine solche Sichtweise vernachlässigt aber, dass sich die Kollision nach den Feststellungen des Sachverständigen auch bei Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den Kläger ereignet hätte, die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit also gerade nicht kausal geworden ist. Bei einer solchen Konstellation verbietet sich nach Auffassung des Senats jedenfalls die Annahme eines faktischen Überholverbots."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 04.02.2014 - 9 U 149/13
keine Vorfahrtsverletzung, wenn nur leichtes Bremsen notwendig
"Da somit eine leichte, wenn auch durchgängige Angleichungsbremsung als Reaktion auf das Einfahren des Beklagten zu 2) auf die Vorfahrtstraße reichte, fällt dem Beklagten zu 2) zwar keine Vorfahrtsverletzung im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 2 StVO zur Last, weil sich die hierfür erforderliche wesentliche......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Da somit eine leichte, wenn auch durchgängige Angleichungsbremsung als Reaktion auf das Einfahren des Beklagten zu 2) auf die Vorfahrtstraße reichte, fällt dem Beklagten zu 2) zwar keine Vorfahrtsverletzung im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 2 StVO zur Last, weil sich die hierfür erforderliche wesentliche Beeinträchtigung der vorfahrtsberechtigen Zeugin nicht feststellen lässt."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 22.08.2023 - 7 U 112/22
Kurve schneiden ist Verstoß gegen das REchtsfahrgebot
"Zudem liegt ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO vor, da die Beklagte zu 1) die Kurve „geschnitten“ hat." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Zudem liegt ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO vor, da die Beklagte zu 1) die Kurve „geschnitten“ hat."
vgl. LG Kassel, Urteil vom 08.03.2013 - 5 O 118/12
nur feststehende Verstöße sind abzuwägen
"Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge können nur solche Umstände zu Lasten eines Beteiligten berücksichtigt werden, die unstreitig oder bewiesen sind und die sich ursächlich auf die Entstehung des Schadens ausgewirkt haben. Nur vermutete Tatbeiträge oder d......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge können nur solche Umstände zu Lasten eines Beteiligten berücksichtigt werden, die unstreitig oder bewiesen sind und die sich ursächlich auf die Entstehung des Schadens ausgewirkt haben. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung auf Grund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2013 - VI ZR 255/12 -, Rn. 7, juris, m.w.N.; OLG Hamm Beschl. v. 02.01.2018 - 7 U 44/17, NJW-RR 2018, 410, Rn. 36)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 03.03.2023 - 7 U 100/22
nur kausale Verstöße sind in die Abwägung einzustellen
"Zutreffend hat das Landgericht einen Verstoß der Beklagten zu 1) gegen die Vorschrift des § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO wegen der Überschreitung der am Unfallort geltenden zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht in die Haftungsabwägung eingestellt, obwohl die Beklagte zu 1) nach dem Ergebnis der......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Zutreffend hat das Landgericht einen Verstoß der Beklagten zu 1) gegen die Vorschrift des § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO wegen der Überschreitung der am Unfallort geltenden zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht in die Haftungsabwägung eingestellt, obwohl die Beklagte zu 1) nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststellbar jedenfalls mit 54 km/h gefahren ist. Denn die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hat sich nicht unfallursächlich ausgewirkt."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.01.2019, Az. 7 U 38/18
ohne Kausalität ist geringfügiges Falschparken nicht anspruchsmindernd
"Dass sich auch das klägerische Fahrzeug nicht 100-ig in dessen Parkmarkierung befand, ist im Übrigen ohne Belang. Es ist nicht zu erkennen, wie sich diese (zumal nur geringe) Überschreitung der Markierung nach vorne irgendwie auf den Unfall hätte auswirken können........" [vollständiges Zitat anzeigen]
"Dass sich auch das klägerische Fahrzeug nicht 100-ig in dessen Parkmarkierung befand, ist im Übrigen ohne Belang. Es ist nicht zu erkennen, wie sich diese (zumal nur geringe) Überschreitung der Markierung nach vorne irgendwie auf den Unfall hätte auswirken können."
vgl. LG Lübeck im Urteil vom 02.11.2023, Az. 14 S 113/22
Parken mit Abstand von 50cm zum Fahrbahnrand verstößt gegen § 12 Abs. 4 S. 1 StVO
"Die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs hat damit gegen die ihr aus § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO obliegende Pflicht, am rechten Fahrbahnrand zu parken, verstoßen." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs hat damit gegen die ihr aus § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO obliegende Pflicht, am rechten Fahrbahnrand zu parken, verstoßen."
vgl. LG München I, Urteil vom 26.05.2009 - 17 O 1695/09
Pflichtenverstoß ist nur bei Unfallrelevanz kausal
"Die im Video eingeblendete Geschwindigkeit stimmt mit der real gefahrenen überein. Der Sachverständige legt aber im Weiteren plausibel dar, dass die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um lediglich 10 km/h sich nicht unfallursächlich ausgewirkt hat. Demnach hätte sich dadurch ledig......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die im Video eingeblendete Geschwindigkeit stimmt mit der real gefahrenen überein. Der Sachverständige legt aber im Weiteren plausibel dar, dass die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um lediglich 10 km/h sich nicht unfallursächlich ausgewirkt hat. Demnach hätte sich dadurch lediglich eine um 0,13 Sekunden verlängerte Erkennbarkeit der Zeichen 250/2018-30 ("Verbot für Fahrzeuge aller Art" und "Baustellenfahrzeuge frei") ergeben. Zwar wäre bei rechtzeitiger Erkennbarkeit dieser Zeichen (endgültig) klar geworden, dass die Einfahrt in die Baustellenausfahrt nicht zugelassen/vorgesehen sein sollte, also die unmittelbar zuvor (verdeckend) angebrachten Zeichen 209/205 ("Rechts" und "Vorfahrt gewähren") irreführend waren. Angesichts des geringen Abstands zwischen den beiden Zeichenpaaren/Pfosten, wirkt sich die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um nur 10 km/h aber praktisch nicht aus. Auch eine Erkennbarkeit von 1,13 Sekunden hätte ein Reflektieren der irreführenden Zeichen 209/205 ("Rechts" und "Vorfahrt gewähren") nicht rechtzeitig möglich gemacht. Anderes ist jedenfalls nicht zur Überzeugung der Kammer bewiesen."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 08.06.2017 - 2 S 5570/15
Schneiden der Kurve verstößt gegen § 2 Abs. 2 StVO
"Zudem liegt ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO vor, da die Beklagte zu 1) die Kurve „geschnitten“ hat. Dies hat der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt (Bl. 17 d.GA und Bl. 219 d.A.) Auch dies begünstigte den Unfall. Insgesamt war die Fahrweise der Beklagten zu 1) die......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Zudem liegt ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO vor, da die Beklagte zu 1) die Kurve „geschnitten“ hat. Dies hat der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt (Bl. 17 d.GA und Bl. 219 d.A.) Auch dies begünstigte den Unfall. Insgesamt war die Fahrweise der Beklagten zu 1) die Hauptursache für die Kollision der beiden Fahrzeuge."
vgl. LG Kassel, Urteil vom 08.03.2013 - 5 O 118/12
Spurwechsel nur unter Beachtung de Sicherheitsabstands statthaft
"Daraus, dass der Beklagte Ziff. 1 weiter vorträgt, er sei schneller gefahren als der Kläger (S. 3 der Berufungsbegründung), ist abzuleiten, dass die Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagten Ziff. 1 etwa 30 bis 40 km/h betragen haben muss. Nach der Grundregel halber Tachowert als einzuhaltender Mindesta......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Daraus, dass der Beklagte Ziff. 1 weiter vorträgt, er sei schneller gefahren als der Kläger (S. 3 der Berufungsbegründung), ist abzuleiten, dass die Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagten Ziff. 1 etwa 30 bis 40 km/h betragen haben muss. Nach der Grundregel halber Tachowert als einzuhaltender Mindestabstand (BGH NJW 1968, 450; Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 2 StVO Rn. 6) hätte daher eine Lücke von ca. 30 m vorhanden sein müssen, um einen ausreichenden Sicherheitsabstand nach vorn und nach hinten einhalten zu können."
vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 07.04.2010 - 3 U 216/09
typische alkoholbedingte Fahrfehler: Abkommen von Straße, verspätete Reaktion
"Als typische alkoholbedingte Fahrfehler sind etwa das Abkommen von der Straße ohne ersichtlichen Grund bei einfacher Verkehrssituation (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 8. Januar 2020 - 11 U 197/18, juris; OLG Hamm, Urteil vom 30. Januar 1981 - 20 U 229/80, VersR 1981, 924), aber auch das......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Als typische alkoholbedingte Fahrfehler sind etwa das Abkommen von der Straße ohne ersichtlichen Grund bei einfacher Verkehrssituation (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 8. Januar 2020 - 11 U 197/18, juris; OLG Hamm, Urteil vom 30. Januar 1981 - 20 U 229/80, VersR 1981, 924), aber auch das deutlich verspätete Erkennen von Hindernissen oder Gefahrenmomenten und die damit verbundene verzögerte oder überzogene Reaktion des alkoholisierten Fahrers gewertet worden (vgl. die Nachweise bei Klimke in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, AKB 2015 A.2.9 Rdn. 52)."
vgl. Saarländisches OLG, Urteil vom 12.10.2022 - 5 U 22/22
um sie als Verstoß zu werten, muss eine Geschwindigkeitsüberschreitung feststehen
"Ebenso wenig ist - wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat - zulasten der Beklagten eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit - mangels streckenbezogener Höchstgeschwindigkeiten galt am Unfallort eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c StVO - fes......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Ebenso wenig ist - wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat - zulasten der Beklagten eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit - mangels streckenbezogener Höchstgeschwindigkeiten galt am Unfallort eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c StVO - festzustellen. Der Sachverständige hat lediglich eine Annäherungsgeschwindigkeit des Motorrads zwischen 100 und 120 km/h feststellen können (Gutachten I, S. 15, eGA I-68), so dass eine höhere Geschwindigkeit zu Lasten der Beklagten als 100 km/h nicht bewiesen ist."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 02.07.2024 - 7 U 74/23
Unbrauchbarkeit des Sachverständigengutachtens und deren Folgen
"Der Vertrag zwischen dem Kläger und der Streithelferin ist ein Werkvertrag gem. § 631 Abs. 1 BGB (vgl. Retzlaff in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., Einf v § 631 Rn. 24 m.w.N.). Durch den Vertragsschluss war der Vergütungsanspruch der Streithelferin auch zunächst entstanden. Weist ein Gutachten jedoch so......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Der Vertrag zwischen dem Kläger und der Streithelferin ist ein Werkvertrag gem. § 631 Abs. 1 BGB (vgl. Retzlaff in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., Einf v § 631 Rn. 24 m.w.N.). Durch den Vertragsschluss war der Vergütungsanspruch der Streithelferin auch zunächst entstanden. Weist ein Gutachten jedoch solch gravierende Mängel auf, wie sie einem Sachverständigen bei der Begutachtung von Unfallschäden schlechterdings nicht unterlaufen dürfen und können diese nicht durch eine Nacherfüllung beseitigt werden, liegt eine in Gänze unbrauchbare Leistung vor, welche den Auftraggeber berechtigt, die Leistung insgesamt zu verweigern (vgl. Senatsurteil vom 21.12.2016 - I-11 U 54/15, juris Rn. 6 und 10). In diesem Fall ist dem Geschädigten, jedenfalls wenn er - wie im hier zu entscheidenden Streitfall - die Rechnung noch nicht ausgeglichen hat, ein Schaden nicht entstanden.
Vorliegend weist das Gutachten der Streithelferin solch gravierende Mängel auf, dass es für den Kläger schlechterdings unbrauchbar ist und weswegen er berechtigt ist, die Leistung insgesamt zu verweigern.
Beauftragt ein Geschädigter nach einem Verkehrsunfall ein Schadensgutachten und ist für den Gutachter erkennbar, dass das verunfallte Fahrzeug einen (wirtschaftlichen) Totalschaden erlitten hat, kommt der Restwertermittlung eine besondere Bedeutung zu. So ein Gutachten kann gravierende Mängel aufweisen, die zu einer völligen Unbrauchbarkeit führen, wenn der in dem Gutachten ausgewiesene Restwert fehlerhaft ermittelt worden ist, weil die Ermittlung nicht nach den durch den Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen entspricht. Die fehlerhafte Restwertermittlung verhindert dann eine ordnungsgemäße Schadensabrechnung, weil der vom Wiederbeschaffungswert abzusetzende Restwert nicht zuverlässig zu beurteilen ist. Das muss auch dem das Gutachten erstattenden Sachverständigen klar sein, weil der Geschädigte das Gutachten in aller Regel gerade auch deswegen beauftragt, um auf seiner Basis abrechnen zu können und in einer etwaigen späteren Auseinandersetzung mit dem Schädiger nicht dem Einwand ausgesetzt zu sein, gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen zu haben. Ein Gutachten, das in der Konstellation, in der auf Totalschadenbasis abzurechnen ist, den Restwert nicht anhand der vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze ermittelt, ist jedoch gerade nicht geeignet, diesen Zweck zu erreichen.
Die Restwertermittlung im Gutachten der Streithelferin vom 30.05.2018 genügte - wie oben bereits dargelegt - bereits deswegen nicht den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, weil sie den regionalen Markt nicht abbildete. Hinzu kommt, dass sie bei einer Angebotspräsentation auf der Plattform "(...)" für die Dauer von nur 7 Stunden und 47 Minuten auch nur vier Kaufangebote für den verunfallten Lkw auswies, ohne eine Erläuterung für den kurzen Präsentationszeitraum oder den Hinweis zu geben, dass der Restwert unter
"Berücksichtigung der örtlichen Marktsituation" ermittelt worden sei. Bei der Gutachtenerstattung sind die Anbieter ersichtlich nicht näher geprüft worden, was bereits insgesamt zu einer unbrauchbaren Restwertermittlung führt. Dass zudem noch technische Daten des verunfallten Fahrzeugs in die Abfrage bei "(...)" unzutreffend aufgenommen wurden, fällt insoweit nicht mehr ins Gewicht, zumal die falschen Daten eher höhere Restwertangebote erwarten ließen.
Bei dem genannten Mangel handelt es sich auch nicht um einen solchen, der durch eine Nachbesserung behoben werden könnte, wenn das beschädigte Fahrzeug - wie hier - bereits verkauft worden ist. Denn der Geschädigte kann das Risiko, dass sich der von ihm realisierte Restwert im späteren Prozess als zu niedrig erweist, nur dadurch vermeiden, dass er vor dem Verkauf sich mit dem Haftpflichtversicherer abstimmt oder aber ein Gutachten mit einer korrekten Wertermittlung einholt (BGH, Urteil vom 12.07.2005 - VI ZR 132/04, juris Rn. 14). Ist das vor dem Verkauf eingeholte Gutachten jedoch nicht dazu geeignet, für den Geschädigten bei der Abrechnung auf Totalschadensbasis eine verlässliche Vertrauensgrundlage zu begründen, so stellt sich dieses für ihn als völlig wertlos dar, selbst wenn der Sachverständige später im Rahmen der Nachbesserung einen zutreffenden Restwert ermitteln sollte. An einer solchen Nachbesserung besteht für den Kläger demnach kein Interesse."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 26.04.2023 - 11 U 66/22
unklare Verkehrslage bei langsamem, blinkenden Fahrzeug
"unter Berücksichtigung der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sowie dem Umstand, dass das Fahrzeug links geblinkt hat und sich auch zur Mitte hin eingeordnet hatte, lag für den Beklagten zu 1) in jedem Fall eine unklare Verkehrssituation vor, so dass er nicht ohne weite......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"unter Berücksichtigung der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sowie dem Umstand, dass das Fahrzeug links geblinkt hat und sich auch zur Mitte hin eingeordnet hatte, lag für den Beklagten zu 1) in jedem Fall eine unklare Verkehrssituation vor, so dass er nicht ohne weiteres mit seinem Motorrad zum Überholen ansetzen durfte, sondern vielmehr eine Zeit hinter dem "....." herfahren müssen, um zu eruieren, welche Absichten der Kläger hegt."
vgl. LG Kassel, Urteil vom 23.11.2016 - 6 O 253/15
Verstoß gegen Sichtfahrgebot, wenn erst durch Unfall aufmerksam!?
"Nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme sowie insbesondere aufgrund der persönlichen Anhörung des Beklagten zu 1), der weder im Zuge des Ermittlungsverfahrens noch in erster Instanz, sondern erstmals vom Senat in zweiter Instanz angehört wurde, steht fest, dass der Bekla......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme sowie insbesondere aufgrund der persönlichen Anhörung des Beklagten zu 1), der weder im Zuge des Ermittlungsverfahrens noch in erster Instanz, sondern erstmals vom Senat in zweiter Instanz angehört wurde, steht fest, dass der Beklagte zu 1) entweder entgegen den Sorgfaltsanforderungen des § 1 Abs. 2 StVO unaufmerksam war oder entgegen den Anforderungen des § 3 Abs. 1 S. 2, 4 StVO nicht auf Sicht gefahren ist, da er nach seinen eigenen Angaben erst durch die Kollision auf ein Hindernis auf seiner Fahrbahn aufmerksam geworden ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 08.12.1987 - VI ZR 82/87 -, NZV 1988, 57, unter 1., beckonline sowie Geigel Haftpflichtprozess/Freymann, 28. Aufl. 2020, Kap. 27 Rn. 99 mwN).
Dieser gegen den Beklagten zu 1) sprechende Anscheinsbeweis ist nicht erschüttert."