Bösgläubigkeit i.S.d. § 851 BGB liegt vor, wenn Versicherer nicht klar nach der Eigentumsstellung fragte
"In diesem Kontext kann die Erklärung des Anspruchstellers, es handele sich um "sein Fahrzeug" - wie sie sich sinngemäß auch im hiesigen anwaltlichen Anspruchsschreiben vom 12.05.-2021 (Anlage K1) findet - keinesfalls mit einer verbindlichen Erklärung zum Eigentum am Fahrzeug gleichgesetzt werden. Ein......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"In diesem Kontext kann die Erklärung des Anspruchstellers, es handele sich um "sein Fahrzeug" - wie sie sich sinngemäß auch im hiesigen anwaltlichen Anspruchsschreiben vom 12.05.-2021 (Anlage K1) findet - keinesfalls mit einer verbindlichen Erklärung zum Eigentum am Fahrzeug gleichgesetzt werden. Eine solche oder vergleichbare Formulierung lässt entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht (dazu sogleich nachfolgend) nach dem "üblichen Sprachgebrauch" gerade nicht mit der erforderlichen Verlässlichkeit auf eine Eigentümerstellung schließen. So würden wohl die wenigsten Fahrzeughalter auf die Frage wo sie "ihr Fahrzeug" geparkt haben antworten, dass es ja gar nicht "ihr Fahrzeug" sei, sondern das einer Leasinggesellschaft oder Bank. Die Erfahrung zeigt zudem, dass selbst Anwälte im Rechtsstreit immer wieder trotz Verwendung entsprechender Formulierungen auf Nachfrage erklären (müssen), dass das Fahrzeug tatsächlich nicht im Eigentum der Klagepartei steht, sondern geleast oder finanziert ist. Entsprechend obliegt es einem Haftpflichtversicherer durch eine präzise Frage nach den Eigentumsverhältnissen Klarheit zu schaffen, idealerweise ergänzt durch die konkrete Frage, ob das Fahrzeug geleast oder darlehensfinanziert ist.
d) Gemessen am Vorstehenden ist im Streitfall von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Beklagten vom (vorrangigen) Eigentum der Klägerin auszugehen.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann allerdings aus dem Umstand, dass die Firma R GmbH im Zeitpunkt der Regulierung noch nicht existent war, sich sondern tatsächlich noch in Gründung befand, nicht auf eine grob fahrlässige Unkenntnis geschlossen werden. Zum einen ist eine Vor GmbH "in Gründung" zum Auftreten und Handeln im Rechts- und Geschäftsverkehr im weiten Umfang berechtigt und dabei - abgesehen von der Rechtsfähigkeit im engeren Sinne - einer juristischen Person bereits weitgehend angenähert (BGH, Urt. v. 29.10.1992 - I ZR 264/90, BGHZ 120, 103); zum anderen würde das durch die Klägerin stillschweigend postulierte Erfordernis, vor jeder Regulierung einen Handelsregisterauszug einzuholen, die Anforderungen und auch Erwartungen an eine zügige Schadensregulierung klar überspannen. Eine entsprechende Obliegenheit des Haftpflichtversicherers vor der Schadensregulierung ist nicht sachgerecht. Gleiches gilt für die fehlende Angabe eines Vertretungsberechtigten der GmbH (in Gründung).
Grob fahrlässig hat die Beklagte im Zuge der Regulierung aber deswegen gehandelt, weil sie überhaupt nicht nachgefragt hat, in wessen Eigentum das Fahrzeug stand und ihr gegenüber auch sonst keine hinreichend klaren Erklärungen zu den Eigentumsverhältnissen im vorstehend dargelegten Sinne vorlagen.
Die entsprechende Aufklärungsmöglichkeit stand ihr nach § 119 Abs. 3 VVG zu Gebote, der zur Beantwortung und gegebenenfalls Belegvorlage für sämtliche sachdienlichen Aspekte des Schadensfalls anhält (z.B. Beckmann in: Bruck/Möller, VVG, § 119 Rn. 28). Dass hierzu die für den bereits den Grund des Anspruchs maßgebliche Frage nach der Anspruchsberechtigung in Gestalt des Eigentums und gegebenenfalls die Vorlage von Belegen zu dessen Nachweis gehört, bedarf keiner Vertiefung.
Die Beklagte kann sich insoweit schon deshalb nicht darauf berufen, dass ihr eine solche Nachfrage nicht zumutbar gewesen wäre, da sie sich ausweislich der Anlage SK04 im Hinblick auf die sich ihr gegenüber anzeigende Anwaltskanzlei veranlasst und in der Lage sah, eine Vollmacht anzufordern.
Hinzu tritt im Streitfall die Besonderheit, dass im zur Regulierung vorgelegten Schadensgutachten die vermeintlich zum Fahrzeug gehörende Zulassungsbescheinigung Teil I derart abfotografiert war, dass der linke der drei "Faltflügel" so umgefaltet war, dass er buchstäblich "wie abgeschnitten" wirkte. Es war deshalb nicht erkennbar, auf wen das Fahrzeug zugelassen war, wer also (ursprünglich) dessen Halter war bzw. ist (vgl. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 FZV). Zwar ist diese Information für die Frage nach dem Eigentum am Fahrzeug nicht von Bedeutung, doch hätte die ungewöhnliche bzw. unvollständige Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I für die Beklagte jedenfalls Anlass sein müssen, hier nachzuhaken.
In der Gesamtwertung hat die Beklagte im Zuge ihrer Regulierung damit dasjenige unbeachtet gelassen, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urt. v. 23.09.2022 - V ZR 148/21, VersR 2022, 1513). Sie hat das Eigentum der Klägerin grob fahrlässig nicht gekannt."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 05.01.2023 - 2 O 6786/21
Eigentumsvermutung des mittelbaren Besitzers
"Der Kläger hat das Fahrzeug zwar nach eigenem Vortrag zum Unfallzeitpunkt nicht geführt, war also nicht unmittelbarer Besitzer i.S.d. §§ 1006 Abs. 1 S. 1, 854 Abs. 1 BGB. Die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 gilt gem. Abs. 3 aber auch für den mittelbaren Besitzer i.S.d. § 868 BGB. Als B......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Der Kläger hat das Fahrzeug zwar nach eigenem Vortrag zum Unfallzeitpunkt nicht geführt, war also nicht unmittelbarer Besitzer i.S.d. §§ 1006 Abs. 1 S. 1, 854 Abs. 1 BGB. Die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 gilt gem. Abs. 3 aber auch für den mittelbaren Besitzer i.S.d. § 868 BGB. Als Besitzmittlungsverhältnis i.S.d. § 868 BGB hat der Kläger hier einen Leihvertrag mit seinem Bruder, dem Zeugen D, behauptet. Seinen mittelbaren Besitz hat er insoweit ausreichend dargetan. Zunächst hat er die Rechnung über den Erwerb des Fahrzeugs durch seine Einzelfirma "Automobile D" und auch einen Überweisungsausdruck bezüglich des Kaufpreises vom 24.07.2017 in Kopie eingereicht (Bl. 74, 207 f. d.A.). Das Fahrzeug wurde damit in Einklang stehend am 01.08.2017 auf ihn zugelassen (Bl. 75 d.A.). Das eingeholte Privatgutachten der DEKRA vom 22.01.2018 weist den Kläger als Auftraggeber und Anspruchsteller auf. Letzteres sind nach der Rechtsprechung hinreichende Indizien dafür, dass er nicht bloßer Besitzdiener, sondern dauerhaft vor und nach dem Unfall (wieder) im Besitz der Sache war.
Den Besitz vor dem Unfall hatte er nicht an den Zeugen D, der zum Unfallzeitpunkt nach klägerischem Vortrag unmittelbarer Besitzer war, vollständig verloren. Vielmehr hat der Zeuge den klägerischen Vortrag bestätigt, wonach er den Porsche lediglich ausgeliehen hatte.
Letztlich kommt es auf die Aussage des Zeugen D insoweit aber auch nicht an. Denn schon ohne dessen Bekundung hat der Kläger - eben weil er vor und nach dem Unfall unmittelbarer Besitzer war - seinen mittelbaren Besitz zum Unfallzeitpunkt schlüssig dargetan, so dass die Vermutung des § 1006 BGB greift.
Diese hat die Beklagte zu 2 nicht durch Beweis des Gegenteils nach § 292 ZPO widerlegt. Sie bestreitet vielmehr die Eigentümerstellung des Klägers ohne jeglichen Tatsachenvortrag. Dies zeigt sich auch darin, dass sie erstinstanzlich pauschal gemutmaßt hat, der Kläger könne zur Finanzierung des Fahrzeugs einen Darlehensvertrag abgeschlossen oder das Fahrzeug geleast haben. Diese Behauptung erfolgt ins Blaue hinein; insbesondere nachdem der Kläger die Zahlung des vollen Kaufpreises durch Vorlage der Überweisung belegt hat, gibt es keine Hinweise auf ein Finanzierungsgeschäft."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 11.06.2021 - 7 U 24/20
Halter ist Besitzer
"Dass die Leasingnehmerin wie von § 851 BGB gefordert im Zeitpunkt des Schadensereignisses möglicherweise allerdings nicht selbst unmittelbare Besitzerin des Fahrzeugs war - dies war der Halter -, sondern lediglich mittelbare Besitzerin, steht der Anwendbarkeit der Norm ebenfalls nicht entgegen. Der dor......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Dass die Leasingnehmerin wie von § 851 BGB gefordert im Zeitpunkt des Schadensereignisses möglicherweise allerdings nicht selbst unmittelbare Besitzerin des Fahrzeugs war - dies war der Halter -, sondern lediglich mittelbare Besitzerin, steht der Anwendbarkeit der Norm ebenfalls nicht entgegen. Der dort genannte Besitz umfasst neben dem unmittelbaren Besitz entsprechend der Wertung des § 1006 Abs. 3 BGB, auch den mittelbaren Besitz nach § 868 BGB (OLG Saarbrücken, Urt. v. 10.05.2011 - 4 U 261/10, juris Rn. 74; Staudinger/Vieweg (2015) BGB § 851 Rn. 6; Berger VersR 2001, 419 unter II.2.c). Hierauf kommt es indes nicht tragend an, da - wie nachfolgend zeigen sein wird - die Beklagte auch nicht gutgläubig geleistet hat."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 05.01.2023 - 2 O 6786/21
§ 1006 Abs. 3 BGB umfasst den mittelbaren und unmittelbaren Besitz
"Dass die Leasingnehmerin wie von § 851 BGB gefordert im Zeitpunkt des Schadensereignisses möglicherweise allerdings nicht selbst unmittelbare Besitzerin des Fahrzeugs war - dies war der Halter -, sondern lediglich mittelbare Besitzerin, steht der Anwendbarkeit der Norm ebenfalls nicht entgegen. Der dor......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Dass die Leasingnehmerin wie von § 851 BGB gefordert im Zeitpunkt des Schadensereignisses möglicherweise allerdings nicht selbst unmittelbare Besitzerin des Fahrzeugs war - dies war der Halter -, sondern lediglich mittelbare Besitzerin, steht der Anwendbarkeit der Norm ebenfalls nicht entgegen. Der dort genannte Besitz umfasst neben dem unmittelbaren Besitz entsprechend der Wertung des § 1006 Abs. 3 BGB, auch den mittelbaren Besitz nach § 868 BGB (OLG Saarbrücken, Urt. v. 10.05.2011 - 4 U 261/10, juris Rn. 74; Staudinger/Vieweg (2015) BGB § 851 Rn. 6; Berger VersR 2001, 419 unter II.2.c). Hierauf kommt es indes nicht tragend an, da - wie nachfolgend zeigen sein wird - die Beklagte auch nicht gutgläubig geleistet hat."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 05.01.2023 - 2 O 6786/21