"Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger zumindest gegen die ihn treffende doppelte Rückschaupflicht verstoßen hat. Zwar hat der Kläger im Rahmen der informatorischen Befragung angegeben, er habe eine doppelte Rückschau durchgeführt, er hab......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger zumindest gegen die ihn treffende doppelte Rückschaupflicht verstoßen hat. Zwar hat der Kläger im Rahmen der informatorischen Befragung angegeben, er habe eine doppelte Rückschau durchgeführt, er habe in alle Richtungen gesehen, bevor er das Abbiegemanöver eingeleitet habe. Aus dem eingeholten Sachverständigengutachten des dem Gericht aus einer Vielzahl vergleichbarer Rechtsstreitigkeiten als ausgesprochen kompetent bekannten Sachverständigen Dipl.-Ing."....."vom 20. Juni 2016 ergibt sich jedoch, dass das Motorrad für den Kläger in jedem Fall auf der linken Fahrspur fahrend erkennbar gewesen ist. Der Sachverständige führt aus, dass der Beklagte nach seinen eigenen Angaben ca. 75 - 100 m vor Erreichen des Kollisionspunktes den Spurwechsel nach links durchgeführt haben wolle. In einem solchen Fall wäre das Motorrad auf der linken Fahrspur längere Zeit als überholendes Fahrzeug erkennbar gewesen. Berücksichtige man den spätesten Spurwechsel mit einem Einfahren in die linke Fahrspur ca. 35 m vor Erreichen des Kollisionspunktes, so wäre das Motorrad beim Beginn des Abbiegevorganges für den Kläger erkennbar gewesen. Durch Verbleiben in der rechten Fahrspur und Abbremsens wäre der Unfall - so der Sachverständige - deshalb für den Kläger vermeidbar gewesen. Der Sachverständige hat im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens in der öffentlichen Sitzung vom 23. November 2016 ausgeführt, dass die Endlage des Motorrades bzw. des Beklagten zu 1), wie dokumentiert, nur erreicht werden könne, wenn es zu einem schrägen Aufprall auf den Heckträger gekommen sei. Zu einem schrägen Aufprall könne es aber nur dann kommen, wenn sich das Motorrad irgendwann auf der linken Fahrspur befunden habe.
Aber auch der Beklagte zu 1) hat sich nicht wie der vom Bundesgerichtshof stets geforderte sogenannte "Idealfahrer" verhalten. Denn aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger mit seinem "....." auf der Landstraße bis auf eine Geschwindigkeit von ca. 20 - 25 km/h abgebremst, sich auf der rechten Fahrspur zumindest am linken Rand eingeordnet und den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hat. Die Zeugin".....", an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln die Kammer keinerlei Anlass hat, hat bei ihrer Vernehmung angegeben, dass sie den Kläger habe ankommen sehen und dass der Blinker am "....." eingeschaltet gewesen sei sowie, dass sich der Kläger auf seiner Fahrspur links eingeordnet habe. Die genaue Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeuges vermochte die Zeugin zwar nicht anzugeben, sie hat allerdings einen Rückschluss aus ihrer eigenen Fahrweise angegeben und meinte, sollte der Kläger "offensiver" fahren, so habe die Geschwindigkeit vielleicht 30 km/h betragen. Aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten folgt, dass der klägerische "....." mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von 10 bis 15 km/h gefahren ist. Gleichgültig, ob der Kläger nun mit 15 - 20 km/h oder aber mit 30 km/h gefahren ist, unter Berücksichtigung der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sowie dem Umstand, dass das Fahrzeug links geblinkt hat und sich auch zur Mitte hin eingeordnet hatte, lag für den Beklagten zu 1) in jedem Fall eine unklare Verkehrssituation vor, so dass er nicht ohne weiteres mit seinem Motorrad zum Überholen ansetzen durfte, sondern vielmehr eine Zeit hinter dem "....." herfahren müssen, um zu eruieren, welche Absichten der Kläger hegt.
Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führt zu dem Ergebnis, dass vorliegend eine Haftungsverteilung von 40 : 60 zu Lasten der Beklagten vorzunehmen ist."
vgl. LG Kassel, Urteil vom 23.11.2016 - 6 O 253/15
Abstandsgebot beim Überholen ist drittschützend
"Zwar muss nach § 5 Abs. 4 S. 2 StVO beim Überholen stets ein ausreichender Seitenabstand zu den anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden.
Diese Vorschrift schützt auch sowohl den Verkehr auf der Spur des Überholenden als auch den Gegenverkehr. Ein zu geringer Abstand muss sich aber a......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Zwar muss nach § 5 Abs. 4 S. 2 StVO beim Überholen stets ein ausreichender Seitenabstand zu den anderen Verkehrsteilnehmern eingehalten werden.
Diese Vorschrift schützt auch sowohl den Verkehr auf der Spur des Überholenden als auch den Gegenverkehr. Ein zu geringer Abstand muss sich aber auch Einfluss auf den Unfall gehabt haben (OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 30.09.2015 - 12 U 58/15)."
vgl. LG Münster, Urteil vom 11.07.2024 - 8 O 7/22
Abwägung: Abstandsverstoß gegen Überholverstoß
"Neben der Betriebsgefahr der Fahrzeuge ist der zu geringe Abstand (Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 1 StVG) gegen die Verstöße gegen die Überholverbote (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 StVO und § 5 Abs. 2 S. 1 StVO) abzuwägen. Dabei ist anerkannt, dass der Überholende anteilig für den Unfall mithaftet, wenn der Ü......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Neben der Betriebsgefahr der Fahrzeuge ist der zu geringe Abstand (Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 1 StVG) gegen die Verstöße gegen die Überholverbote (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 StVO und § 5 Abs. 2 S. 1 StVO) abzuwägen. Dabei ist anerkannt, dass der Überholende anteilig für den Unfall mithaftet, wenn der Überholender den Fahrer eines entgegenkommenden Kfz zu abruptem Bremsen veranlasst und infolgedessen ein anderes Fahrzeug auffährt (Greger in: Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 6. Auflage 2021, § 25 Mitverantwortung des Geschädigten, Rn. 25_195).
Die Kammer hält hier die Verursachungsbeiträge für gleich groß. Sowohl das Fehlverhalten des Zeugen Z. als auch das Fehlverhalten des Zeugen V. haben gleichwertig zum Unfallgeschehen beigetragen. Das Verhalten des Zeugen Z. hat den Ausgangspunkt gesetzt. Ohne das Verhalten des Zeugen V. wäre es aber gleichwohl nicht zu einem Schaden gekommen. Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass ein Verursachungsbeitrag den anderen überwiegt."
vgl. LG Münster, Urteil vom 11.07.2024 - 8 O 7/22
Abwägung: Alleinhaftung des Linkabbiegers gegenüber Fahrzeug mit Sonderrechten
"4. Die Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG führt zur Alleinhaftung der Beklagten. Auf Seiten der Erstbeklagten wirkt sich der doppelte Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO und § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO aus. Auf Seiten des Klägers kann lediglich die durch das innerörtliche Überholmanöver erh......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"4. Die Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG führt zur Alleinhaftung der Beklagten. Auf Seiten der Erstbeklagten wirkt sich der doppelte Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO und § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO aus. Auf Seiten des Klägers kann lediglich die durch das innerörtliche Überholmanöver erhöhte Betriebsgefahr Berücksichtigung finden. Diese tritt allerdings gegenüber dem Verschulden der Erstbeklagten zurück. Denn das Verschulden eines Linksabbiegers wiegt gegenüber einem Fahrzeug, das in zulässiger Weise Sonderrechte nach § 35 Abs. 5 a StVO in Anspruch nimmt, so schwer, dass eine Mithaftung grundsätzlich nur in Betracht kommt, wenn den Sonderrechtsfahrer ein mitwirkendes Verschulden trifft (vgl. KG, NZV 2008, 147)."
vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 01.07.2011 - 13 S 61/11
Alleinhaftung des verkehrswidrigen Linksabbiegers ggü. überholendem Motorrad
"Auf Seiten des Klägers ist hingegen lediglich die einfache Betriebsgefahr in Ansatz zu bringen. Der Senat verneint eine Mithaftung des Klägers zu 25 %, da diesem - wie ausgeführt - ein Verschulden nicht nachgewiesen werden kann und die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden nach gefestigter R......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Auf Seiten des Klägers ist hingegen lediglich die einfache Betriebsgefahr in Ansatz zu bringen. Der Senat verneint eine Mithaftung des Klägers zu 25 %, da diesem - wie ausgeführt - ein Verschulden nicht nachgewiesen werden kann und die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden nach gefestigter Rechtsprechung des Senats regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurücktritt (Senat Hinweisbeschl. v. 21.12.2021 - 7 U 41/21, BeckRS 2021, 54315 Rn. 14; Senat Urt. v. 3.12.2021 - I-7 U 33/20, NJW-RR 2022, 676 Rn. 18; ebenso: OLG Saarbrücken Beschl. v. 12.3.2015 - 4 U 187/13, BeckRS 2015, 8438 Rn. 43; OLG Jena Urt. v. 28.10.2016 - 7 U 152/16, NJW-RR 2017, 605 Rn. 17)."
"Hinzukommt, dass in der Regel die Betriebsgefahr desjenigen, der - wie hier die Beklagte zu 1) - unter Außerachtlassung der Sorgfalt des § 9 Abs. 5 StVO in ein Grundstück abbiegen will, in der Regel doppelt so hoch zu bewerten ist wie die Betriebsgefahr desjenigen, der den Abbieger in unzulässiger We......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Hinzukommt, dass in der Regel die Betriebsgefahr desjenigen, der - wie hier die Beklagte zu 1) - unter Außerachtlassung der Sorgfalt des § 9 Abs. 5 StVO in ein Grundstück abbiegen will, in der Regel doppelt so hoch zu bewerten ist wie die Betriebsgefahr desjenigen, der den Abbieger in unzulässiger Weise überholt (Senat, Urteil vom 06.05.2014, I-1 U 32/13, juris, Rn. 10)."
vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.09.2019 - 1 U 82/18
Allgemeine Anforderungen an das Überholen
"Der § 5 Abs. 2 S. 1 StVO verlangt, dass nur überholt, wenn während des gesamten Vorgangs eine Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist.
Ein Fahrer, der überholen will, muss die gesamte zur Überholung benötigte Strecke überblicken und Gefahren oder Behinderungen ausschließen kö......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Der § 5 Abs. 2 S. 1 StVO verlangt, dass nur überholt, wenn während des gesamten Vorgangs eine Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist.
Ein Fahrer, der überholen will, muss die gesamte zur Überholung benötigte Strecke überblicken und Gefahren oder Behinderungen ausschließen können. Insbesondere muss der Überholer überblicken können, dass der gesamte Vorgang vom Ausscheren bis zum Wiedereingliedern mit ausreichendem Abstand unter Berücksichtigung etwaigen Gegenverkehrs für einen durchschnittlichen Fahrer ohne jede Wagnis gefahr- und behinderungslos möglich sein wird (OLG Hamm, Urteil vom 13. Dezember 1999 - 13 U 111/99 - Rn. 15, juris). Besteht auch nur der geringste Zweifel an der Gefahrlosigkeit, so ist vom Überholvorgang abzusehen (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 23. Dezember 2003 - 3 U 212/03 - Rn. 32, juris)."
vgl. LG Münster, Urteil vom 11.07.2024 - 8 O 7/22
Am Stau vorbeifahren ist überholen
"Er durfte auch als Motorradfahrer nicht nach dem Überholverbotsschild an dem im Stau stehen Autos vorbeifahren. Hierbei handelte es sich nämlich um - durch das Verkehrszeichen 276 Anl. 2 StVO untersagtes - Überholen. Das Vorbeifahren an einem Fahrzeug, das wegen eines Verkehrsstaus auf der Richtungsfa......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Er durfte auch als Motorradfahrer nicht nach dem Überholverbotsschild an dem im Stau stehen Autos vorbeifahren. Hierbei handelte es sich nämlich um - durch das Verkehrszeichen 276 Anl. 2 StVO untersagtes - Überholen. Das Vorbeifahren an einem Fahrzeug, das wegen eines Verkehrsstaus auf der Richtungsfahrbahn hält, fällt nämlich nicht unter § 6 StVO, sondern ist Überholen im Sinne des § 5 StVO (BVerwG, Urteil vom 18.05.1994 - 11 C 51.92; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 5 StVO, Rn. 16; Jahnke in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl. 2024, § 5 StVO, Rn. 21)."
vgl. LG Münster, Urteil vom 11.07.2024 - 8 O 7/22
Anscheinsbeweis für Überholmänover
"aa) Angesichts des unstreitigen Kollisionsablaufs und des Schadensbildes der beteiligten Fahrzeuge streitet vorliegend ein Anscheinsbeweis für einen Verstoß der Beklagten zu 1) gegen § 5 Abs. 4 S. 2 und S. 6 StVO, also eines Überholens mit zu geringem Seitenabstand und Behinderung des Überholten bei......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"aa) Angesichts des unstreitigen Kollisionsablaufs und des Schadensbildes der beteiligten Fahrzeuge streitet vorliegend ein Anscheinsbeweis für einen Verstoß der Beklagten zu 1) gegen § 5 Abs. 4 S. 2 und S. 6 StVO, also eines Überholens mit zu geringem Seitenabstand und Behinderung des Überholten beim Wiedereinscheren. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass ein Anscheinsbeweis gegen den Überholenden nicht generell anzunehmen ist; ein solcher kommt aber je nach Einzelfall in Betracht (grundlegend BGH NJW 1975, 312; siehe auch Kuhnke NZV 2018, 447, 449 f.). Ein solcher besonderer Einzelfall liegt vorliegend vor.
Denn vorliegend steht fest, dass die Kollision derart erfolgt ist, dass sich der Kläger als Motorradfahrer im städtischen Verkehr rechts vom Pkw der Beklagten befand und es zu einer Berührung zwischen dem hinteren rechten Teil des Pkw und des linken Lenkers des klägerischen Motorrads kam, infolge dessen der Motorradfahrer stürzte. Auch steht fest, dass die örtlichen Begebenheiten der Straße ein "Überholen von rechts" durch Motorräder nicht problemlos zuließen, weil die Straße am rechten Rand von einem Bürgersteig mit erhöhtem Randstein begrenzt war, über den ein Motorrad nicht ohne Weiteres fahren konnte. In einem solchen Fall besteht eine Typizität dahingehend, dass der Pkw ein Überholmanöver vorgenommen hat und dabei entweder zu keiner Zeit ausreichenden Seitenabstand hatte oder spätestens beim Einscheren den Seitenabstand nicht beachtete. Jegliche andere Begründung der Kollision erscheint als derart unwahrscheinlich, dass insoweit eine Erschütterung des Anscheinsbeweises notwendig wäre."
"Eine unklare Verkehrslage (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO) liegt vor, wenn der Überholende nach den gegebenen Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf, wenn also die Verkehrslage unübersichtlich bzw. ihre Entwicklung nach objektiven Umständen nicht zu beurteilen ist (OLG Münche......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Eine unklare Verkehrslage (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO) liegt vor, wenn der Überholende nach den gegebenen Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf, wenn also die Verkehrslage unübersichtlich bzw. ihre Entwicklung nach objektiven Umständen nicht zu beurteilen ist (OLG München, Urteil vom 21. Oktober 2020 - 10 U 893/20). Bei einer Verlangsamung der Geschwindigkeit des Vorausfahrenden kommt es auf die konkrete Verkehrssituation und die Örtlichkeit an. Wenn diese geeignet sind, Zweifel über die beabsichtigte Fahrweise des Vorausfahrenden aufkommen zu lassen, kommt eine unklare Verkehrslage in Betracht. Es kommt hierbei aber auf die objektive Verkehrslage und nicht auf das subjektive Gefühl des Überholwilligen an (OLG München, Urteil vom 21. Oktober 2020 - 10 U 893/20)."
vgl. LG Münster, Urteil vom 01.06.2023 - 8 O 136/22
Der Idealfahrer überholt nicht fehlerhaft bei Dunkelheit und Regen
"Diesen Nachweis haben weder die Klägerin noch die Beklagten geführt. Ein Idealfahrer hätte weder - wie der Zeuge D. - innerorts bei Dunkelheit und regennasser Fahrbahn ohne verkehrsbedingten Anlass überholt, noch - wie der Zeuge K. - beim Überholvorgang das eigene Fahrzeug auf die Spur des überhole......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Diesen Nachweis haben weder die Klägerin noch die Beklagten geführt. Ein Idealfahrer hätte weder - wie der Zeuge D. - innerorts bei Dunkelheit und regennasser Fahrbahn ohne verkehrsbedingten Anlass überholt, noch - wie der Zeuge K. - beim Überholvorgang das eigene Fahrzeug auf die Spur des überholenden Fahrzeugs gelenkt."
vgl. LG Münster, Urteil vom 01.06.2023 - 8 O 136/22
Einbieger muss stets mit (auch regelwidrig) überholenden Verkehrsteilnehmern rechnen
"Die Beklagte Zf. 1 hat schuldhaft gegen § 10 StVO verstoßen, der höchste Sorgfaltspflichten begründet. Sie bog aus einem Parkplatzgrundstück über einen abgesenkten Bordstein nach links in die Straße ein, durch eine Lücke in einer Kolonne hindurch, die ihr die erforderliche Sicht nach links genomm......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Beklagte Zf. 1 hat schuldhaft gegen § 10 StVO verstoßen, der höchste Sorgfaltspflichten begründet. Sie bog aus einem Parkplatzgrundstück über einen abgesenkten Bordstein nach links in die Straße ein, durch eine Lücke in einer Kolonne hindurch, die ihr die erforderliche Sicht nach links genommen hat. Sie hat sich auch nicht etwa einweisen lassen. Zugleich hat sie gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot verstoßen. Wer durch eine Kolonnenlücke einbiegt, muss mit überholendem Verkehr, auch regelwidrig Kolonnen auf der Gegenfahrbahn überholenden Verkehr rechnen (KG Berlin, 12 U 1032/95, Urteil v. 4.3.1996). Korrekt wäre allenfalls ein zentimeterweises Hineintasten gewesen, durch das Kollisionen vermieden werden können (KG Berlin a.a.O.)"
vgl. LG Tübingen, Urteil vom 10.12.2013 - 5 O 80/13
einfache Betriebsgefahr des Überholes tritt zurück ggü. Linksabbieger
"Die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden tritt regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurück (OLG Hamm Urt. v. 03.12.2021 - I-7 U 33/20, juris Rn. 19; v. 08.07.2022 - I-7 U 106/20, juris Rn. 23; Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden tritt regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurück (OLG Hamm Urt. v. 03.12.2021 - I-7 U 33/20, juris Rn. 19; v. 08.07.2022 - I-7 U 106/20, juris Rn. 23; Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, juris Rn. 35). Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, da wegen der höheren Masse und der Gefahren, die aus deren Beschleunigung erwachsen, die Betriebsgefahr eines Traktors mit angehängtem Arbeitsgerät die eines fahrenden PKW übertreffen. Daher ist die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs auf Beklagtenseite aufgrund der Größe und Schwerfälligkeit des Gespanns höher als die eines PKW zu bewerten. Hinzu kommt, dass das Einbiegen auf einen zwischen Feldern gelegenen Weg für den Folgeverkehr generell schwieriger zu erkennen ist (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, juris Rn. 36)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.04.2024 - 7 U 83/22
grundsätzlich haften Auffahrender und Überholer allein
"Ausgehend von der grundsätzlichen Alleinhaftung des Auffahrenden wie des Überholers kommt eine Mithaftung nämlich regelmäßig nur bei vorwerfbarem Fehlverhalten in Betracht (Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 17. Auflage 2022, Rn. 115 und N01, beckonline), welches hier - wie dargestell......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Ausgehend von der grundsätzlichen Alleinhaftung des Auffahrenden wie des Überholers kommt eine Mithaftung nämlich regelmäßig nur bei vorwerfbarem Fehlverhalten in Betracht (Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 17. Auflage 2022, Rn. 115 und N01, beckonline), welches hier - wie dargestellt - auf Seiten des Zeugen R1. nicht vorliegt."
vgl. LG Münster, Urteil vom 11.07.2024 - 8 O 7/22
Haftungsabwägung zwischen Einbieger und Überholer
"Eine Abwägung der beiderseitigen Verschuldensbeiträge und der Betriebsgefahren lässt eine Haftungsverteilung von S zu T zu Lasten der Beklagten als angemessen erscheinen, da der Verstoß gegen § 10 StVO (mit der Pflicht zum Gefährdungsausschluss) den Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot und die B......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Eine Abwägung der beiderseitigen Verschuldensbeiträge und der Betriebsgefahren lässt eine Haftungsverteilung von S zu T zu Lasten der Beklagten als angemessen erscheinen, da der Verstoß gegen § 10 StVO (mit der Pflicht zum Gefährdungsausschluss) den Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot und die Betriebsgefahr deutlich überwiegt (vgl. KG Berlin, 12 U 1032/95, Urteil v. 4.3.1996; OLG Hamm 9 U 191/13 und OLG Hamm, 9 U 12/13, Urteil vom 23.4.2013).
Auch das Oberlandesgericht Rostock hat, obwohl es den Verstoß gegen § 10 StVO absolut gesetzt und die These aufstellt hat, der die Kolonne regelwidrig überholende müsse nicht mit Querverkehr durch eine Lücke rechnen, ausdrücklich eine Einschränkung für Fälle des verbotenen Linksüberholens einer Kolonne angenommen (OLG Rostock, 5 U 124/09, Urteil vom 19.2.2010). Vorliegend hat die Klägerin ohne Rücksichtnahme regelwidrig die Kolonne überholt. Die Unzulässigkeit des Überholens stehender Kolonnen ergibt sich stets bereits aus dieser Situation heraus, da die Verkehrslage insoweit unklar ist, als überhaupt nicht vorhersehbar oder abschätzbar ist, wann und wo ein Wiedereinscheren in die Kolonne möglich ist. Ein etwaiges Weiterfahren auf der Mittellinie zwischen Gegenverkehr und Kolonne wäre im Übrigen ebenso regelwidrig, da entweder - links von der Linie - der Gegenverkehr gefährdet würde oder - knapp rechts von der Linie - der gebotene Seitenabstand auf der einen Richtungsspur nicht eingehalten werden kann (vgl. auch KG Berlin, 12 U 1032/95, Urteil vom 4.3.1996, das ausdrücklich klarstellt, dass auch Motorradfahrer zum Überholen einen ganzen freien Fahrstreifen benötigen)."
vgl. LG Tübingen, Urteil vom 10.12.2013 - 5 O 80/13
"Hinzukommt, dass in der Regel die Betriebsgefahr desjenigen, der - wie hier die Beklagte zu 1) - unter Außerachtlassung der Sorgfalt des § 9 Abs. 5 StVO in ein Grundstück abbiegen will, in der Regel doppelt so hoch zu bewerten ist wie die Betriebsgefahr desjenigen, der den Abbieger in unzulässiger We......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Hinzukommt, dass in der Regel die Betriebsgefahr desjenigen, der - wie hier die Beklagte zu 1) - unter Außerachtlassung der Sorgfalt des § 9 Abs. 5 StVO in ein Grundstück abbiegen will, in der Regel doppelt so hoch zu bewerten ist wie die Betriebsgefahr desjenigen, der den Abbieger in unzulässiger Weise überholt (Senat, Urteil vom 06.05.2014, I-1 U 32/13, juris, Rn. 10). Zudem hat die Beklagte zu 1) über eine Sperrfläche hinweg abbiegen wollen und musste auch mit Verkehr auf der Sperrfläche rechnen. Denn unstreitig fuhren dort Straßenbahnen; die Sperrfläche war sogar eingerichtet, damit diese störungsfrei fahren konnten. Auf Seiten des Klägers ist allerdings zu berücksichtigen, dass er ebenfalls über die Sperrfläche gefahren ist. Weiter ist er zu schnell gefahren. Entgegen seiner Ansicht handelt es sich auch nicht um eine zu vernachlässigende Geschwindigkeitsüberschreitung. Sie betrug immerhin etwa 15 %, wenn es auch in absoluten Zahlen nur 8 km/h waren, wobei sich bei der Verursachung maßgeblich der erhebliche Geschwindigkeitsüberschuss gegenüber dem stockenden Verkehr ausgewirkt hat.
Insgesamt hält der Senat daher bei der Abwägung im Rahmen des § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG eine Quote von 40 % zu 60 % zu Lasten der Beklagten für angemessen.
"
vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.09.2019 - 1 U 82/18
kein Anscheinsbeweis bei plötzlichem Ausscheren
"Unter Anwendung dieser Grundsätze liegt hier kein typischer Auffahrunfall vor, da als besonderer Umstand das plötzliche Ausscheren des Zeugen K. nach links zu berücksichtigen ist. berücksichtigen ist." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Unter Anwendung dieser Grundsätze liegt hier kein typischer Auffahrunfall vor, da als besonderer Umstand das plötzliche Ausscheren des Zeugen K. nach links zu berücksichtigen ist."
vgl. LG Münster, Urteil vom 01.06.2023 - 8 O 136/22
kein faktisches Überholverbot wg. notwendigen Geschwindigkeitsverstoßes
"Der Umstand, dass der Kläger nur unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überholen konnte, ist im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 und 2 StVO nicht zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen.
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Soweit aus dem Umstand, dass ein Überholvorgang nur unter Ü......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Der Umstand, dass der Kläger nur unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überholen konnte, ist im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 und 2 StVO nicht zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen.
Soweit aus dem Umstand, dass ein Überholvorgang nur unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit möglich ist, auf ein sog. faktisches Überholverbot geschlossen wird (so OLG Schleswig, Urteil vom 29.11.1995 - 9 U 50/95); OLG München NJW 1966, 1270; Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. A. 2012, § 5 Rn. 23) findet eine solche Konzeption nach Ansicht des Senats keine hinreichende Stütze im Gesetz: Insbesondere findet sich eine solche nicht in § 5 StVO. § 5 Abs. 2 StVO normiert lediglich, dass neben dem Ausschluss einer Behinderung des Gegenverkehrs mit wesentlich höherer Geschwindigkeit zu überholen ist. Der Katalog der Überholverbote in § 5 Abs. 3 StVO greift ebenfalls nicht.
Nach der Konzeption der §§ 5 und 3 StVO trifft vielmehr denjenigen, der nur unter Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit überholt, "lediglich" der Vorwurf, gegen § 3 StVO zu verstoßen. Damit lässt sich die Konzeption eines "faktischen Überholverbots" allein damit begründen, dass der Unfall sich nicht ereignet hätte, wenn der Kläger die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hätte, schlicht weil er dann geschwindigkeitsbedingt nicht hätte überholen können. Eine solche Sichtweise vernachlässigt aber, dass sich die Kollision nach den Feststellungen des Sachverständigen auch bei Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den Kläger ereignet hätte, die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit also gerade nicht kausal geworden ist. Bei einer solchen Konstellation verbietet sich nach Auffassung des Senats jedenfalls die Annahme eines faktischen Überholverbots."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 04.02.2014 - 9 U 149/13
kein zwingender Anscheinsbeweis gegen Überholenden
"Dabei verkennt das Gericht nicht, dass ein Anscheinsbeweis gegen den Überholenden nicht generell anzunehmen ist; ein solcher kommt aber je nach Einzelfall in Betracht (grundlegend BGH NJW 1975, 312; siehe auch Kuhnke NZV 2018, 447, 449 f.). Ein solcher besonderer Einzelfall liegt vorliegend vor........" [vollständiges Zitat anzeigen]
"Dabei verkennt das Gericht nicht, dass ein Anscheinsbeweis gegen den Überholenden nicht generell anzunehmen ist; ein solcher kommt aber je nach Einzelfall in Betracht (grundlegend BGH NJW 1975, 312; siehe auch Kuhnke NZV 2018, 447, 449 f.). Ein solcher besonderer Einzelfall liegt vorliegend vor."
vgl. LG Köln, Urteil vom 19.04.2024 - 14 O 65/21
Rechtsfahrgebot schützt sowohl überholenden Verkehr als auch Gegenverkehr
"Nicht nur nicht nur aus diesem Grund, sondern auch und vor allem deshalb, weil er die Mitte der Straße um 75 cm überfahren hat, hat der Kläger das Rechtsfahrgebot verletzt. Das Berufungsgericht hat das Überfahren der Straßenmitte rechtsfehlerfrei festgestellt. Die hiergegen gerichteten Verfahrensrü......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Nicht nur nicht nur aus diesem Grund, sondern auch und vor allem deshalb, weil er die Mitte der Straße um 75 cm überfahren hat, hat der Kläger das Rechtsfahrgebot verletzt. Das Berufungsgericht hat das Überfahren der Straßenmitte rechtsfehlerfrei festgestellt. Die hiergegen gerichteten Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 565a ZPO abgesehen. Einer der Umstände, die ausnahmsweise die Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn erlauben, lag hier nicht vor. Mit dem Berufungsgericht ist der Senat der Auffassung, daß auch dann, wenn die Straße kein zügiges, aber - wie hier - doch ein langsames und vorsichtiges Passieren zweier Kraftfahrzeuge zuläßt, das Rechtsfahrgebot einem Be fahren der Straßenmitte entgegensteht. Dieses Gebot schützt den überholenden und den Gegenverkehr (vgl. Senatsurteil vom 28. September 1976 - VI ZR 219/74 - VersR 1977, 36, 37)."
vgl. BGH, Urteil vom 09.07.1996, Az. VI ZR 299/95
reine Betriebsgefahr des Überholenden tritt hinter den Abbiegenden zurück
"Da die Beklagte lediglich für die reine Betriebsgefahr einzustehen hat, der Zeuge A aber gegen die Pflichten beim Abbiegen, indem er quasi nach hinten "blind" abgebogen ist, schwerwiegend verstoßen hat und sich das Gespann mit dem schwer erkennbaren Fahrtrichtungsanzeiger in einem nicht ordnungsgemäß......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Da die Beklagte lediglich für die reine Betriebsgefahr einzustehen hat, der Zeuge A aber gegen die Pflichten beim Abbiegen, indem er quasi nach hinten "blind" abgebogen ist, schwerwiegend verstoßen hat und sich das Gespann mit dem schwer erkennbaren Fahrtrichtungsanzeiger in einem nicht ordnungsgemäßen Zustand befunden hat, tritt die reine Betriebsgefahr des bei der Beklagten versicherten Motorrads - bei Durchführung der nach § 17 Abs. 2 und 1 StVG gebotenen Abwägung der Verursachungsbeiträge - vollständig zurück.
Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Senats, wonach die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden, wenn also ein Verschulden des Überholenden nicht nachgewiesen werden kann oder ausgeschlossen ist, regelmäßig hinter dem - vorliegend sogar mehrfachen - Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurücktritt (OLG Hamm, Urteil vom 8. Juli 2022 - I-7 U 106/20, NJOZ 2022, 1550 Rn. 23 mit zahlreichen weiteren Nachweisen)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 02.07.2024 - 7 U 74/23
Rückschaupflicht des Abbiegers
"1. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht vom Eingreifen eines Anscheinsbeweises gegen den Linksabbieger ausgegangen. Bei Kollisionen mit dem nachfolgenden Verkehr streitet ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Linksabbiegers (Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"1. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht vom Eingreifen eines Anscheinsbeweises gegen den Linksabbieger ausgegangen. Bei Kollisionen mit dem nachfolgenden Verkehr streitet ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Linksabbiegers (Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 9 StVO, Rn. 44). Dies und auch die nachvollziehbare Würdigung des Landgerichts, dass der Beklagte seine Rückschaupflicht verletzt hat, weil er dem Sachverständigengutachten zufolge bei Beachtung der zweiten Rückschaupflicht unmittelbar vor dem Abbiegen den PKW Q schon auf der Gegenfahrbahn als Überholer habe erkennen und den Abbiegevorgang abbrechen müssen, sind mit der Berufung dementsprechend auch zu Recht nicht angegriffen worden."
vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 04.05.2020 - 7 U 29/19
Rücksichtnahmegebot erfordert Einhaltung der StVO
"Die Klägerin hat gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot verstoßen. Dieses setzt als Mindestmaß die Beachtung der Verkehrsvorschriften der StVO voraus. Hier hat die Klägerin gegen § 5 StVO verstoßen; sie hat bei unklarer Verkehrslage eine stehende Kolonne überholt, trotz Einmündungen in diesem ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Klägerin hat gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot verstoßen. Dieses setzt als Mindestmaß die Beachtung der Verkehrsvorschriften der StVO voraus. Hier hat die Klägerin gegen § 5 StVO verstoßen; sie hat bei unklarer Verkehrslage eine stehende Kolonne überholt, trotz Einmündungen in diesem Streckenbereich, trotz einer Tankstellenausfahrt auf der Gegenspur, trotz nicht erkennbarer Lücke zum Wiedereinscheren. Ob die Klägerin knapp links oder rechts der Mittellinie oder deutlich links der Mittellinie fuhr, ist danach schon nicht mehr entscheidend. Wer jedoch so regelwidrig an einer Kolonne vorbeifährt, es gelten insoweit für Motorräder dieselben Vorschriften wie für PKW (- eine Ausnahme gibt es nur für Fahrräder unter engen Voraussetzungen -) nimmt nicht Rücksicht, sondern setzt sich um des eigenen schnelleren Vorankommens über Verbote hinweg."
vgl. LG Tübingen, Urteil vom 10.12.2013 - 5 O 80/13
Schutzzweck der Überholverbote
"Letztlich kann dies aber auch dahinstehen, da die gesetzlich normierten Überholverbote nur den nachfolgenden und den Gegenverkehr (vgl. OLG Hamm, vom 23.04.13 - 9 U 12/13; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. A. § 5 StVO Rn. 33, vgl. auch KG NZV 1998, 376 f.) schützen, nicht jedoch den E......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Letztlich kann dies aber auch dahinstehen, da die gesetzlich normierten Überholverbote nur den nachfolgenden und den Gegenverkehr (vgl. OLG Hamm, vom 23.04.13 - 9 U 12/13; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. A. § 5 StVO Rn. 33, vgl. auch KG NZV 1998, 376 f.) schützen, nicht jedoch den Einfahrenden, der vielmehr gem. § 10 StVO gehalten ist, die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und mithin auch der überholenden Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Für ein faktisches Überholverbot kann nichts anderes gelten."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 04.02.2014 - 9 U 149/13
Sicherheitsabstand zu Fahrrädern nach § 5 Abs. 4 StVO nur bei Bewegung
"Gemäß § 5 Abs. 4 StVO beträgt ein ausreichender Seitenabstand zu Radfahrern beim Überholen 1,5 Meter. Dieser Seitenabstand gilt aber nicht an Kreuzungen und Einmündungen, wenn der Radfahrer bereits zum Stillstand gekommen ist.d Einmündungen, wenn der Radfahrer bereits zum Stillstand gekommen ist." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Gemäß § 5 Abs. 4 StVO beträgt ein ausreichender Seitenabstand zu Radfahrern beim Überholen 1,5 Meter. Dieser Seitenabstand gilt aber nicht an Kreuzungen und Einmündungen, wenn der Radfahrer bereits zum Stillstand gekommen ist."
vgl. AG Rheine, Urteil vom 19.12.2024, Az. 14 C 136/24, n.v.
Überholen bei unklarer Verkehrslage
"Die Klägerin hat gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot verstoßen. Dieses setzt als Mindestmaß die Beachtung der Verkehrsvorschriften der StVO voraus. Hier hat die Klägerin gegen § 5 StVO verstoßen; sie hat bei unklarer Verkehrslage eine stehende Kolonne überholt, trotz Einmündungen in diesem ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Klägerin hat gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot verstoßen. Dieses setzt als Mindestmaß die Beachtung der Verkehrsvorschriften der StVO voraus. Hier hat die Klägerin gegen § 5 StVO verstoßen; sie hat bei unklarer Verkehrslage eine stehende Kolonne überholt, trotz Einmündungen in diesem Streckenbereich, trotz einer Tankstellenausfahrt auf der Gegenspur, trotz nicht erkennbarer Lücke zum Wiedereinscheren. Ob die Klägerin knapp links oder rechts der Mittellinie oder deutlich links der Mittellinie fuhr, ist danach schon nicht mehr entscheidend. Wer jedoch so regelwidrig an einer Kolonne vorbeifährt, es gelten insoweit für Motorräder dieselben Vorschriften wie für PKW (- eine Ausnahme gibt es nur für Fahrräder unter engen Voraussetzungen -) nimmt nicht Rücksicht, sondern setzt sich um des eigenen schnelleren Vorankommens über Verbote hinweg."
vgl. LG Tübingen, Urteil vom 10.12.2013 - 5 O 80/13
Überholen muss vor Verbotsschild beendet sein
"Nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 StVO ist es einem Fahrer nicht gestattet zu überholen, wenn dies durch das Verkehrszeichen 276 Anl. 2 StVO untersagt ist.
Überholen darf danach nur, wer es spätestens vor Beginn der Verbotsstrecke mit richtigem Abstand und mit zulässiger Geschwindigkeit abschließen ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 StVO ist es einem Fahrer nicht gestattet zu überholen, wenn dies durch das Verkehrszeichen 276 Anl. 2 StVO untersagt ist.
Überholen darf danach nur, wer es spätestens vor Beginn der Verbotsstrecke mit richtigem Abstand und mit zulässiger Geschwindigkeit abschließen kann, andernfalls ist das Überholen soweit gefahrlos möglich sofort abzubrechen (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 5 StVO, Rn. 38)."
vgl. LG Münster, Urteil vom 11.07.2024 - 8 O 7/22
Überholverbot bei unklarer Verkehrslage schützt nicht den Gegenverkehr
"Das Überholverbot bei unklarer Verkehrslage schützt nämlich nicht den Gegenverkehr (Helle in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 5 StVO (Stand: 09.06.2023), Rn. 44). In Bezug auf den Gegenverkehr ist § 5 Abs. 2 S. 1 StVO lex specialis zu § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO (KG Berlin, B......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Das Überholverbot bei unklarer Verkehrslage schützt nämlich nicht den Gegenverkehr (Helle in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 5 StVO (Stand: 09.06.2023), Rn. 44). In Bezug auf den Gegenverkehr ist § 5 Abs. 2 S. 1 StVO lex specialis zu § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO (KG Berlin, Beschluss vom 25. April 2001 - (3) 1 Ss 321/00 (28/01)."
vgl. LG Münster, Urteil vom 11.07.2024 - 8 O 7/22
unklare Verkehrslage bei langsamem, blinkenden Fahrzeug
"unter Berücksichtigung der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sowie dem Umstand, dass das Fahrzeug links geblinkt hat und sich auch zur Mitte hin eingeordnet hatte, lag für den Beklagten zu 1) in jedem Fall eine unklare Verkehrssituation vor, so dass er nicht ohne weite......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"unter Berücksichtigung der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sowie dem Umstand, dass das Fahrzeug links geblinkt hat und sich auch zur Mitte hin eingeordnet hatte, lag für den Beklagten zu 1) in jedem Fall eine unklare Verkehrssituation vor, so dass er nicht ohne weiteres mit seinem Motorrad zum Überholen ansetzen durfte, sondern vielmehr eine Zeit hinter dem "....." herfahren müssen, um zu eruieren, welche Absichten der Kläger hegt."
vgl. LG Kassel, Urteil vom 23.11.2016 - 6 O 253/15
unklare Verkehrslage bestimmt sich objektiv
"Eine solche ist gegeben, wenn der Überholende nach den gegebenen Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf. Das ist der Fall, wenn die Verkehrslage unübersichtlich bzw. ihre Entwicklung nach objektiven Umständen nicht zu beurteilen ist. Hierbei kommt es nicht auf das GefÃ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Eine solche ist gegeben, wenn der Überholende nach den gegebenen Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf. Das ist der Fall, wenn die Verkehrslage unübersichtlich bzw. ihre Entwicklung nach objektiven Umständen nicht zu beurteilen ist. Hierbei kommt es nicht auf das Gefühl des Überholwilligen an (vgl. Senat Urt. v. 3.12.2021 - 7 U 33/20, BeckRS 2021, 44473 Rn. 14; OLG München Urt. v. 21.10.2020 - 10 U 893/20, NJOZ 2021, 684 Rn. 12).
Allein der Umstand, dass das vorausfahrende Fahrzeug seine Geschwindigkeit verringert und sich etwas zur Fahrbahnmitte einordnet, begründet noch keine unklare Verkehrslage, bei der ein Überholen nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO unzulässig ist. Bei einer solchen Sachlage kommt es auf die konkrete Verkehrssituation und die Örtlichkeit an. Wenn diese geeignet sind, Zweifel über die beabsichtigte Fahrweise des Vorausfahrenden aufkommen zu lassen, kommt eine unklare Verkehrslage in Betracht (Senat Urt. v. 3.12.2021 - 7 U 33/20, NJW-RR 2022, 676 Rn. 15; OLG München Urt. v. 21.10.2020 - 10 U 893/20, BeckRS 2020, 28371 Rn. 12)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 08.07.2022 - 7 U 106/20
Voraussetzungen des Überholverbots bei unklarer Verkehrslage
"a) Ein Verstoß gegen ein Überholverbot nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO liegt nicht vor. Diese Vorschrift bestimmt ein Überholverbot bei unklarer Verkehrslage. Unklar ist die Verkehrslage, wenn nach allen objektiven Umständen - nicht nach dem Gefühl des Überholwilligen - mit einem gefahrlosen Überholen......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"a) Ein Verstoß gegen ein Überholverbot nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO liegt nicht vor. Diese Vorschrift bestimmt ein Überholverbot bei unklarer Verkehrslage. Unklar ist die Verkehrslage, wenn nach allen objektiven Umständen - nicht nach dem Gefühl des Überholwilligen - mit einem gefahrlosen Überholen nicht gerechnet werden darf, etwa weil sich nicht verlässlich beurteilen lässt, was der Vorausfahrende sogleich tun wird (vgl. Hentschel aaO § 5 StVO Rn. 34 mwN.). Das ist nicht schon dann der Fall, wenn der Vorausfahrende - auch bei einer sich nähernden Einmündung von links - seine Geschwindigkeit stark herabsetzt (vgl. nur Kammer, Urteil vom 14.05.2010 - 13 S 11/10; Hinweisbeschluss vom 22.07.2010 - 13 S 70/10, jeweils mwN.). Unklar wird die Verkehrslage erst, sobald weitere besondere Umstände hinzutreten, wenn etwa der Vorausfahrende neben dem Einordnen zur Fahrbahnmitte auch den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt (vgl. Kammer, Urteil vom 14.05.2010 aaO; Hentschel aaO Rn. 35, jeweils mwN.)."
vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 01.07.2011 - 13 S 61/11