15m vor Abbiegen kann rechtzeitiges Blinkersetzen darstellen
"Die entsprechende Einmündung befindet sich ausweislich des in der mündlichen Senatsverhandlung herangezogenen Kartenausdrucks mindestens 15 m vor der Fahrspur des H-Rings, in die der Beklagte zu 1 abbiegen wollte, und damit in einer ausreichenden Entfernung, um von einem rechtzeitigen Setzen des Fahrtr......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die entsprechende Einmündung befindet sich ausweislich des in der mündlichen Senatsverhandlung herangezogenen Kartenausdrucks mindestens 15 m vor der Fahrspur des H-Rings, in die der Beklagte zu 1 abbiegen wollte, und damit in einer ausreichenden Entfernung, um von einem rechtzeitigen Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers auszugehen. "
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 27.11.2020 - 7 U 24/19
60% Haftung des Abbiegenden gegenüber Überholer
"Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger zumindest gegen die ihn treffende doppelte Rückschaupflicht verstoßen hat. Zwar hat der Kläger im Rahmen der informatorischen Befragung angegeben, er habe eine doppelte Rückschau durchgeführt, er hab......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger zumindest gegen die ihn treffende doppelte Rückschaupflicht verstoßen hat. Zwar hat der Kläger im Rahmen der informatorischen Befragung angegeben, er habe eine doppelte Rückschau durchgeführt, er habe in alle Richtungen gesehen, bevor er das Abbiegemanöver eingeleitet habe. Aus dem eingeholten Sachverständigengutachten des dem Gericht aus einer Vielzahl vergleichbarer Rechtsstreitigkeiten als ausgesprochen kompetent bekannten Sachverständigen Dipl.-Ing."....."vom 20. Juni 2016 ergibt sich jedoch, dass das Motorrad für den Kläger in jedem Fall auf der linken Fahrspur fahrend erkennbar gewesen ist. Der Sachverständige führt aus, dass der Beklagte nach seinen eigenen Angaben ca. 75 - 100 m vor Erreichen des Kollisionspunktes den Spurwechsel nach links durchgeführt haben wolle. In einem solchen Fall wäre das Motorrad auf der linken Fahrspur längere Zeit als überholendes Fahrzeug erkennbar gewesen. Berücksichtige man den spätesten Spurwechsel mit einem Einfahren in die linke Fahrspur ca. 35 m vor Erreichen des Kollisionspunktes, so wäre das Motorrad beim Beginn des Abbiegevorganges für den Kläger erkennbar gewesen. Durch Verbleiben in der rechten Fahrspur und Abbremsens wäre der Unfall - so der Sachverständige - deshalb für den Kläger vermeidbar gewesen. Der Sachverständige hat im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens in der öffentlichen Sitzung vom 23. November 2016 ausgeführt, dass die Endlage des Motorrades bzw. des Beklagten zu 1), wie dokumentiert, nur erreicht werden könne, wenn es zu einem schrägen Aufprall auf den Heckträger gekommen sei. Zu einem schrägen Aufprall könne es aber nur dann kommen, wenn sich das Motorrad irgendwann auf der linken Fahrspur befunden habe.
Aber auch der Beklagte zu 1) hat sich nicht wie der vom Bundesgerichtshof stets geforderte sogenannte "Idealfahrer" verhalten. Denn aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger mit seinem "....." auf der Landstraße bis auf eine Geschwindigkeit von ca. 20 - 25 km/h abgebremst, sich auf der rechten Fahrspur zumindest am linken Rand eingeordnet und den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hat. Die Zeugin".....", an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln die Kammer keinerlei Anlass hat, hat bei ihrer Vernehmung angegeben, dass sie den Kläger habe ankommen sehen und dass der Blinker am "....." eingeschaltet gewesen sei sowie, dass sich der Kläger auf seiner Fahrspur links eingeordnet habe. Die genaue Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeuges vermochte die Zeugin zwar nicht anzugeben, sie hat allerdings einen Rückschluss aus ihrer eigenen Fahrweise angegeben und meinte, sollte der Kläger "offensiver" fahren, so habe die Geschwindigkeit vielleicht 30 km/h betragen. Aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten folgt, dass der klägerische "....." mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von 10 bis 15 km/h gefahren ist. Gleichgültig, ob der Kläger nun mit 15 - 20 km/h oder aber mit 30 km/h gefahren ist, unter Berücksichtigung der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sowie dem Umstand, dass das Fahrzeug links geblinkt hat und sich auch zur Mitte hin eingeordnet hatte, lag für den Beklagten zu 1) in jedem Fall eine unklare Verkehrssituation vor, so dass er nicht ohne weiteres mit seinem Motorrad zum Überholen ansetzen durfte, sondern vielmehr eine Zeit hinter dem "....." herfahren müssen, um zu eruieren, welche Absichten der Kläger hegt.
Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führt zu dem Ergebnis, dass vorliegend eine Haftungsverteilung von 40 : 60 zu Lasten der Beklagten vorzunehmen ist."
vgl. LG Kassel, Urteil vom 23.11.2016 - 6 O 253/15
Abbiegevorgang muss jederzeit abgebrochen werden können
"Vor diesem Hintergrund hat der Zeuge die mehraktige Pflicht, den Abbiegevorgang "tastend" - mit jederzeitiger Fähigkeit und Bereitschaft, den Vorgang abzubrechen - und mit Beobachtung des rückwärtigen Verkehrs, sobald dies wegen der Schrägstellung des Treckers möglich war, durchzuführen, verletzt........" [vollständiges Zitat anzeigen]
"Vor diesem Hintergrund hat der Zeuge die mehraktige Pflicht, den Abbiegevorgang "tastend" - mit jederzeitiger Fähigkeit und Bereitschaft, den Vorgang abzubrechen - und mit Beobachtung des rückwärtigen Verkehrs, sobald dies wegen der Schrägstellung des Treckers möglich war, durchzuführen, verletzt."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 02.07.2024 - 7 U 74/23
Abwägung: Alleinhaftung des Linkabbiegers gegenüber Fahrzeug mit Sonderrechten
"4. Die Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG führt zur Alleinhaftung der Beklagten. Auf Seiten der Erstbeklagten wirkt sich der doppelte Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO und § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO aus. Auf Seiten des Klägers kann lediglich die durch das innerörtliche Überholmanöver erh......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"4. Die Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG führt zur Alleinhaftung der Beklagten. Auf Seiten der Erstbeklagten wirkt sich der doppelte Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO und § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO aus. Auf Seiten des Klägers kann lediglich die durch das innerörtliche Überholmanöver erhöhte Betriebsgefahr Berücksichtigung finden. Diese tritt allerdings gegenüber dem Verschulden der Erstbeklagten zurück. Denn das Verschulden eines Linksabbiegers wiegt gegenüber einem Fahrzeug, das in zulässiger Weise Sonderrechte nach § 35 Abs. 5 a StVO in Anspruch nimmt, so schwer, dass eine Mithaftung grundsätzlich nur in Betracht kommt, wenn den Sonderrechtsfahrer ein mitwirkendes Verschulden trifft (vgl. KG, NZV 2008, 147)."
vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 01.07.2011 - 13 S 61/11
Alleinhaftung bei Nichthaltung der eigenen Fahrspur
"(cc) Nach allem ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger zu 1) im Zuge des Abbiegevorgangs einen (teilweisen) Fahrspurwechsel durch Überfahren der Trennlinie vorgenommen hat und es hierdurch zum Unfall gekommen ist. Damit hat der Kläger gegen § 7 Abs. 5 StVO verstoßen. Dass er einen Abbiege......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"(cc) Nach allem ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger zu 1) im Zuge des Abbiegevorgangs einen (teilweisen) Fahrspurwechsel durch Überfahren der Trennlinie vorgenommen hat und es hierdurch zum Unfall gekommen ist. Damit hat der Kläger gegen § 7 Abs. 5 StVO verstoßen. Dass er einen Abbiegevorang beabsichtigt und angekündigt hätte, hat er bereits nicht vorgetragen, sondern bestritten, einen Wechsel überhaupt vorgenommen zu haben. Ohnehin konnte ein Wechsel der Fahrspur zum fraglichen Zeitpunkt nicht ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vonstattengehen, wie es § 7 Abs. 5 StVO allerdings voraussetzt, weil sich der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug praktisch neben dem klägerischen Fahrzeug befand und insofern kein Einscheren an der fraglichen Stelle möglich war."
vgl. LG Aachen, Urteil vom 06.07.2023 - 12 O 398/22
Alleinhaftung des spurwechselnden LKW beim Abbiegen gegenüber einem PKW mit einfacher Betriebsgefahr
"3. In rechtlicher Hinsicht liegt damit auf Seiten der Beklagten ein Verstoß ihres Fahrers gegen die Sorgfaltsanforderungen beim Spurwechsel nach § 7 Abs. 5 StVO vor. Demnach darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Für ein Versch......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"3. In rechtlicher Hinsicht liegt damit auf Seiten der Beklagten ein Verstoß ihres Fahrers gegen die Sorgfaltsanforderungen beim Spurwechsel nach § 7 Abs. 5 StVO vor. Demnach darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Für ein Verschulden des Beklagten-Fahrers spricht insoweit bereits der Beweis des ersten Anscheins (st. Rspr. z.B. OLG München Endurteil v. 23.3.2022 – 10 U 7411/21 e, BeckRS 2022, 6219; OLG Köln, 22.04.2015 – 11 U 154/14, juris; KG NZV 2011, 185; OLG Sachsen-Anhalt NZV 2008, 618; OLG Bremen VersR 1997, 253; KG NZV 2004, 28). Tatsächlich ist aber aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere des schlüssigen „Anerkenntnisses“ des Beklagten-Fahrers davon auszugehen, dass ein schuldhafter Verstoß ohnehin positiv bewiesen ist.
Hinzu tritt, dass der Beklagten-Lkw, der ausweislich der Erhebungen des Sachverständigen ein Leergewicht von ca. 8,6 t hat (Sachverständigengutachten S. 14), den linken Fahrstreifen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 3 S. 1 StVO befahren hat.
Dem Kläger wiederum kann ein unfallursächlicher Sorgfaltsverstoß nicht vorgeworfen werden. Insbesondere steht nicht fest, dass er sich mit seinem Fahrzeug neben den Beklagten-Lkw „setzte“, als dessen Ansetzen zum Spurwechsel bereits erkennbar war. Dass im Hinblick auf die vom Sachverständigen festgestellten geringfügige Geschwindigkeitsdifferenz – auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers hierzu – das Klägerfahrzeug rechts schneller als der Beklagten-Lkw fuhr, begründet keinen Sorgfaltsverstoß. Nach § 7 Abs. 3 S. 2 StVO durfte der Kläger im Bereich der Unfallstelle, wo mehrere markierte Fahrstreifen für eine Richtung vorhanden sind, rechts schneller fahren als links.
Auch wenn letztlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Kollision für den Kläger nachweislich unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG war (schließlich hatte der Kläger nach eigenen Angaben mindestens bereits zwei vergleichbare Unfälle an dieser Stelle gehabt, sodass er sich möglicherweise noch vorausschauender hätte verhalten können), ist im Zuge der Abwägung von einer 100-prozentigen Haftung der Beklagten auszugehen. Dem klaren Verstoß des Beklagten-Fahrers beim Spurwechsel (§ 7 Abs. 5 StVO) steht die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Kläger-Fahrzeugs gegenüber. Dies führt nach einheitlicher und ständiger Rechtsprechung zu einer vollen und alleinigen Haftung des Spurwechslers (z.B. OLG München Endurteil v. 23.3.2022 – 10 U 7411/21, BeckRS 2022, 6219; OLG Saarbrücken 1.8.2019 – 4 U 18/19; OLG Hamm 27.10.2014 – 9 U 60/14; OLG München 13.7.2018 – 10 U 1856/17).
"
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 15.02.2024 – 2 O 4326/22
Alleinhaftung des verkehrswidrigen Linksabbiegers ggü. überholendem Motorrad
"Auf Seiten des Klägers ist hingegen lediglich die einfache Betriebsgefahr in Ansatz zu bringen. Der Senat verneint eine Mithaftung des Klägers zu 25 %, da diesem - wie ausgeführt - ein Verschulden nicht nachgewiesen werden kann und die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden nach gefestigter R......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Auf Seiten des Klägers ist hingegen lediglich die einfache Betriebsgefahr in Ansatz zu bringen. Der Senat verneint eine Mithaftung des Klägers zu 25 %, da diesem - wie ausgeführt - ein Verschulden nicht nachgewiesen werden kann und die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden nach gefestigter Rechtsprechung des Senats regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurücktritt (Senat Hinweisbeschl. v. 21.12.2021 - 7 U 41/21, BeckRS 2021, 54315 Rn. 14; Senat Urt. v. 3.12.2021 - I-7 U 33/20, NJW-RR 2022, 676 Rn. 18; ebenso: OLG Saarbrücken Beschl. v. 12.3.2015 - 4 U 187/13, BeckRS 2015, 8438 Rn. 43; OLG Jena Urt. v. 28.10.2016 - 7 U 152/16, NJW-RR 2017, 605 Rn. 17)."
"Hinzukommt, dass in der Regel die Betriebsgefahr desjenigen, der - wie hier die Beklagte zu 1) - unter Außerachtlassung der Sorgfalt des § 9 Abs. 5 StVO in ein Grundstück abbiegen will, in der Regel doppelt so hoch zu bewerten ist wie die Betriebsgefahr desjenigen, der den Abbieger in unzulässiger We......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Hinzukommt, dass in der Regel die Betriebsgefahr desjenigen, der - wie hier die Beklagte zu 1) - unter Außerachtlassung der Sorgfalt des § 9 Abs. 5 StVO in ein Grundstück abbiegen will, in der Regel doppelt so hoch zu bewerten ist wie die Betriebsgefahr desjenigen, der den Abbieger in unzulässiger Weise überholt (Senat, Urteil vom 06.05.2014, I-1 U 32/13, juris, Rn. 10)."
vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.09.2019 - 1 U 82/18
Anscheinsbeweis gegen den Einbieger beim Auffahrunfall
"Kommt es - wie vorliegend - in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Ausfahren zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr, so spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Ausfahrenden (OLG Hamm, VersR 1979, 266266; KG, NZV 2006, 369369 ; Burmann in: ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Kommt es - wie vorliegend - in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Ausfahren zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr, so spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Ausfahrenden (OLG Hamm, VersR 1979, 266266; KG, NZV 2006, 369369 ; Burmann in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVR, 22. A. 2012 § 10 StVO Rn. Rz. 8 m.w.N.)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 04.02.2014 - 9 U 149/13
Anscheinsbeweis gegen Linksabbieger
"Soweit sich ein Unfall im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Linksabbiegevorgang ereignet, spricht nach aller Lebenserfahrung vieles dafür (Anscheinsbeweis), dass der Linksabbieger die ihm nach § 9 Abs. 1 StVO obliegenden Sorgfaltsanforderungen, insbesondere die doppelte Rü......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Soweit sich ein Unfall im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Linksabbiegevorgang ereignet, spricht nach aller Lebenserfahrung vieles dafür (Anscheinsbeweis), dass der Linksabbieger die ihm nach § 9 Abs. 1 StVO obliegenden Sorgfaltsanforderungen, insbesondere die doppelte Rückschaupflicht, nicht ausreichend beachtet hat (vgl. Senat Urt. v. 3.12.2021 - 7 U 33/20, NJW-RR 2022, 676 Rn. 10; Senat Hinweisbeschl. v. 4.5.2020 - 7 U 29/19, BeckRS 2020, 39618 Rn. 13; OLG Koblenz Urt. v. 8.6.2020 - 12 U 554/19, BeckRS 2020, 13974 Rn. 3; OLG Jena Urt. v. 28.10.2016 - 7 U 152/16, NJW-RR 2017, 605 Rn. 10)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 08.07.2022 - 7 U 106/20
bevorrechtigter Linksabbieger muss Bogen fahren
"Zwar dient das Rechtsfahrgebot gemäß § 2 Abs. 2 StVO – entsprechend den zutreffenden Ausführungen der Beklagten – nicht dem Schutz des Querverkehrs. Jedoch folgt aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht gemäß § 1 Abs. 2 StVO, dass auch der vorfahrtsberechtigte Linksabbieger einen weiten Linksbogen......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Zwar dient das Rechtsfahrgebot gemäß § 2 Abs. 2 StVO – entsprechend den zutreffenden Ausführungen der Beklagten – nicht dem Schutz des Querverkehrs. Jedoch folgt aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht gemäß § 1 Abs. 2 StVO, dass auch der vorfahrtsberechtigte Linksabbieger einen weiten Linksbogen nehmen und im Rahmen seines Abbiegevorgangs das Rechtsfahrgebot beachten muss."
vgl. AG Grevenbroich, Urteil vom 08.01.2015, Az. 16 C 239/12
Blinken kann unklare Verkehrslage bedeuten
"Soweit der Beklagte sich darauf beruft, rechtzeitig den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt zu haben, kann dies zwar eine unsichere Verkehrslage begründen (vgl. nur Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl., StVO § 5 Rn. 82)........" [vollständiges Zitat anzeigen]
"Soweit der Beklagte sich darauf beruft, rechtzeitig den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt zu haben, kann dies zwar eine unsichere Verkehrslage begründen (vgl. nur Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl., StVO § 5 Rn. 82)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.04.2024 - 7 U 83/22
Blinken muss vor Lenken erfolgen
"So hat sie ausgeführt, Lenken und Blinken seien quasi eine Bewegung gewesen bzw. sie habe beim Anfahren den Blinker gesetzt und sei "rübergezogen". Auch bei einer geringen Geschwindigkeit ist ein Blinken unmittelbar vor bzw. im Zusammenhang mit dem Abbiegevorgang nicht rechtzeitig, weil der - gegebenen......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"So hat sie ausgeführt, Lenken und Blinken seien quasi eine Bewegung gewesen bzw. sie habe beim Anfahren den Blinker gesetzt und sei "rübergezogen". Auch bei einer geringen Geschwindigkeit ist ein Blinken unmittelbar vor bzw. im Zusammenhang mit dem Abbiegevorgang nicht rechtzeitig, weil der - gegebenenfalls auch vorschriftswidrige - Überhohlende sich auf das Abbiegen nicht mehr einstellen kann."
vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.09.2019 - 1 U 82/18
das Einbiegen in den fließenden Verkehr
"Bei der Einfahrt vom Parkplatz auf die Straße hatte der Beklagte zu 1) die Gefährdung des Klägers als Teilnehmer des fließenden Verkehrs gem. § 10 StVO auszuschließen, wobei das Ausfahren erst endet, wenn sich der Einbiegende in zügiger Fahrt in den fließenden Verkehr eingeordnet hat (OLG Düssel......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Bei der Einfahrt vom Parkplatz auf die Straße hatte der Beklagte zu 1) die Gefährdung des Klägers als Teilnehmer des fließenden Verkehrs gem. § 10 StVO auszuschließen, wobei das Ausfahren erst endet, wenn sich der Einbiegende in zügiger Fahrt in den fließenden Verkehr eingeordnet hat (OLG Düsseldorf VersR 1981, 754 = VRS 60 [1981] 420 m.w.N.; OLG Köln VRS 109 [2006] 99 = OLGR 2006, 7 = DAR 2006, 27 = VerkMitt 2006, 18 Nr. 19; OLG Celle NZV 2006, 309; KG VRS 112 [2007] 332 [335] = NZV 2007, 359; Burmann: in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVR, 22. A. 2012, § 10 StVO Rn.8)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 04.02.2014 - 9 U 149/13
Definition: Abbiegen
"(2) Der Beklagten ist indes kein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 StVO anzulasten, wonach beim Abbiegen eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs auszuschließen ist. Der Begriff erfasst jede Fahrtrichtungsänderung im Längsverkehr, bei der der Fahrzeugführer seine Fahrbahn nach der Seite verlässt oder au......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"(2) Der Beklagten ist indes kein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 StVO anzulasten, wonach beim Abbiegen eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs auszuschließen ist. Der Begriff erfasst jede Fahrtrichtungsänderung im Längsverkehr, bei der der Fahrzeugführer seine Fahrbahn nach der Seite verlässt oder auf ihr in einem Bogen die Gegenrichtung oder den gegenüberliegenden Straßenrand zu erreichen versucht (Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 9 StVO (Stand: 07.08.2018), Rn. 8). "
vgl. OLG Celle, Urteil vom 10.11.2021 - 14 U 96/21
Einbiegen in Waldweg kann Pflichten nach § 9 Abs. 5 StVO erfordern
"Bei einem Wald- oder Feldweg handelt es sich zwar nicht um ein "Grundstück" im Sinne des § 9 Abs. 5 StVO, es gelten jedoch, abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, ähnlich verschärfte Pflichten. Im Grundsatz gilt, dass, je weniger erkennbar das Abbiegeziel im Fahrverkehr ist, um so s......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Bei einem Wald- oder Feldweg handelt es sich zwar nicht um ein "Grundstück" im Sinne des § 9 Abs. 5 StVO, es gelten jedoch, abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, ähnlich verschärfte Pflichten. Im Grundsatz gilt, dass, je weniger erkennbar das Abbiegeziel im Fahrverkehr ist, um so sorgfältiger der Abbiegende sich verhalten muss (OLG Sachsen-Anhalt Urt. v. 12.12.2008 - 6 U 106/08, juris Rn. 19; OLG Stuttgart Beschl. v. 08.04.2011 - 13 U 2/11, juris Rn. 16; Hentschel/König/Dauer/König, 47. Aufl., StVO § 9 Rn. 45). Das Abbiegeziel - der hinter dem Bach gelegene Feldweg - ist für den allgemeinen Straßenverkehr und insbesondere aus der Perspektive des Geschäftsführers der Klägerin kaum bis gar nicht erkennbar, weswegen der Beklagte zu 1 die aus § 9 Abs. 5 StVO folgende Pflicht, andere nicht zu gefährden, verletzt hat."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.04.2024 - 7 U 83/22
einfache Betriebsgefahr des Überholes tritt zurück ggü. Linksabbieger
"Die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden tritt regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurück (OLG Hamm Urt. v. 03.12.2021 - I-7 U 33/20, juris Rn. 19; v. 08.07.2022 - I-7 U 106/20, juris Rn. 23; Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden tritt regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurück (OLG Hamm Urt. v. 03.12.2021 - I-7 U 33/20, juris Rn. 19; v. 08.07.2022 - I-7 U 106/20, juris Rn. 23; Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, juris Rn. 35). Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, da wegen der höheren Masse und der Gefahren, die aus deren Beschleunigung erwachsen, die Betriebsgefahr eines Traktors mit angehängtem Arbeitsgerät die eines fahrenden PKW übertreffen. Daher ist die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs auf Beklagtenseite aufgrund der Größe und Schwerfälligkeit des Gespanns höher als die eines PKW zu bewerten. Hinzu kommt, dass das Einbiegen auf einen zwischen Feldern gelegenen Weg für den Folgeverkehr generell schwieriger zu erkennen ist (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, juris Rn. 36)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.04.2024 - 7 U 83/22
Einordnen dient auch der Verdeutlichung der eigenen Absicht
"Die Pflicht zur Einordnung dient auch der Verdeutlichung der Abbiegeabsicht (Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 9 StVO, Rn. 28) und hätte im konkreten Fall dem Kläger auch anzeigen können, dass die Beklagte zu 1) beabsichtigte, über die Sperrfläche abzubi......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Pflicht zur Einordnung dient auch der Verdeutlichung der Abbiegeabsicht (Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 9 StVO, Rn. 28) und hätte im konkreten Fall dem Kläger auch anzeigen können, dass die Beklagte zu 1) beabsichtigte, über die Sperrfläche abzubiegen."
vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.09.2019 - 1 U 82/18
Geschwindigkeitsverringerung beim Abbiegen
"Indem der Zeuge A den Abbiegevorgang mit normaler Geschwindigkeit durchgeführt hat, hat er gegen die Gebote der sichtangepassten Geschwindigkeit und der Rücksichtnahme verstoßen (§ 3 Abs. 1 Satz 2, § 1 Abs. 2 StVO). Wegen der nach hinten jedenfalls stark eingeschränkten Sicht bestand die Pflicht de......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Indem der Zeuge A den Abbiegevorgang mit normaler Geschwindigkeit durchgeführt hat, hat er gegen die Gebote der sichtangepassten Geschwindigkeit und der Rücksichtnahme verstoßen (§ 3 Abs. 1 Satz 2, § 1 Abs. 2 StVO). Wegen der nach hinten jedenfalls stark eingeschränkten Sicht bestand die Pflicht des Zeugen, sich in den Abbiegevorgang langsam und mit jederzeitiger Abbruchmöglichkeit hineinzutasten."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 02.07.2024 - 7 U 74/23
Grundsatz beim Auffahrunfall und Ausnahmen
"Hält das Erstfahrzeug wegen eines einbiegenden Fahrzeugs zu Recht an, so ist in der Regel von der Alleinhaftung des Auffahrenden auszugehen (vgl. BGH, VersR 1957, 65). Ausgehend von der grundsätzlichen Alleinhaftung des Auffahrenden kommt eine Mithaftung des Erstfahrzeugs z.B. in Betracht, wenn sein Fa......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Hält das Erstfahrzeug wegen eines einbiegenden Fahrzeugs zu Recht an, so ist in der Regel von der Alleinhaftung des Auffahrenden auszugehen (vgl. BGH, VersR 1957, 65). Ausgehend von der grundsätzlichen Alleinhaftung des Auffahrenden kommt eine Mithaftung des Erstfahrzeugs z.B. in Betracht, wenn sein Fahrer selbst verspätet abbremst oder nur fehlerhaft von der Verletzung seines Vorfahrtrechts ausgegangen ist (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 17. Auflage, Rn. 116)."
vgl. LG Bochum, Urteil vom 07.06.2023 - 4 O 238/22
"Hinzukommt, dass in der Regel die Betriebsgefahr desjenigen, der - wie hier die Beklagte zu 1) - unter Außerachtlassung der Sorgfalt des § 9 Abs. 5 StVO in ein Grundstück abbiegen will, in der Regel doppelt so hoch zu bewerten ist wie die Betriebsgefahr desjenigen, der den Abbieger in unzulässiger We......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Hinzukommt, dass in der Regel die Betriebsgefahr desjenigen, der - wie hier die Beklagte zu 1) - unter Außerachtlassung der Sorgfalt des § 9 Abs. 5 StVO in ein Grundstück abbiegen will, in der Regel doppelt so hoch zu bewerten ist wie die Betriebsgefahr desjenigen, der den Abbieger in unzulässiger Weise überholt (Senat, Urteil vom 06.05.2014, I-1 U 32/13, juris, Rn. 10). Zudem hat die Beklagte zu 1) über eine Sperrfläche hinweg abbiegen wollen und musste auch mit Verkehr auf der Sperrfläche rechnen. Denn unstreitig fuhren dort Straßenbahnen; die Sperrfläche war sogar eingerichtet, damit diese störungsfrei fahren konnten. Auf Seiten des Klägers ist allerdings zu berücksichtigen, dass er ebenfalls über die Sperrfläche gefahren ist. Weiter ist er zu schnell gefahren. Entgegen seiner Ansicht handelt es sich auch nicht um eine zu vernachlässigende Geschwindigkeitsüberschreitung. Sie betrug immerhin etwa 15 %, wenn es auch in absoluten Zahlen nur 8 km/h waren, wobei sich bei der Verursachung maßgeblich der erhebliche Geschwindigkeitsüberschuss gegenüber dem stockenden Verkehr ausgewirkt hat.
Insgesamt hält der Senat daher bei der Abwägung im Rahmen des § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG eine Quote von 40 % zu 60 % zu Lasten der Beklagten für angemessen.
"
vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.09.2019 - 1 U 82/18
keine Vorfahrtsverletzung, wenn nur leichtes Bremsen notwendig
"Da somit eine leichte, wenn auch durchgängige Angleichungsbremsung als Reaktion auf das Einfahren des Beklagten zu 2) auf die Vorfahrtstraße reichte, fällt dem Beklagten zu 2) zwar keine Vorfahrtsverletzung im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 2 StVO zur Last, weil sich die hierfür erforderliche wesentliche......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Da somit eine leichte, wenn auch durchgängige Angleichungsbremsung als Reaktion auf das Einfahren des Beklagten zu 2) auf die Vorfahrtstraße reichte, fällt dem Beklagten zu 2) zwar keine Vorfahrtsverletzung im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 2 StVO zur Last, weil sich die hierfür erforderliche wesentliche Beeinträchtigung der vorfahrtsberechtigen Zeugin nicht feststellen lässt."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 22.08.2023 - 7 U 112/22
Linksabbiegen kann Betriebsgefahr erhöhen
"Erhöht ist die Betriebsgefahr, wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendigerweise mit dem Kfz-Betrieb verbunden sind, durch das Hinzutreten besonderer unfallursächlicher Umstände vergrößert werden. Betriebsgefahrerhöhende Umstände können zu Lasten eines Unfallbeteiligten jedoch nur dann ber......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Erhöht ist die Betriebsgefahr, wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendigerweise mit dem Kfz-Betrieb verbunden sind, durch das Hinzutreten besonderer unfallursächlicher Umstände vergrößert werden. Betriebsgefahrerhöhende Umstände können zu Lasten eines Unfallbeteiligten jedoch nur dann berücksichtigt werden, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben (BGH, Urteil vom 27.06.2000, VI ZR 126/99 - juris; Urteil vom 26.04.2005, VI ZR 228/03, NZV 2005, 407 Rn. 22; König, in: Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 17 StVG Rn. 11).
Ein Linksabbiegemanöver kann zwar grundsätzlich eine Erhöhung der Betriebsgefahr begründen, da durch den Abbiegevorgang - wie zum Merkmal "bei Betrieb" dargetan - eine kritische Verkehrslage geschaffen wird, auf die sich der nachfolgende Verkehr einstellen muss."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 27.11.2020 - 7 U 24/19
Linksabbieger haftet im Regelfall allein
"Letzterer ist an der Kreuzung nach links abgebogen, obwohl ihm erkennbar der von dem Beklagten zu 1 gelenkte Pkw entgegenkam. Damit hat der Kläger, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, gegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift muss, wer links abbiegen will, entgegenko......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Letzterer ist an der Kreuzung nach links abgebogen, obwohl ihm erkennbar der von dem Beklagten zu 1 gelenkte Pkw entgegenkam. Damit hat der Kläger, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, gegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift muss, wer links abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Den Linksabbieger trifft mithin eine Wartepflicht. Deren Nichtbeachtung stellt nach ständiger Rechtsprechung einen besonders schwerwiegenden Verkehrsverstoß dar. Genügt ein Verkehrsteilnehmer dieser Wartepflicht nicht 7 und kommt es deshalb zu einem Unfall, hat er in der Regel, wenn keine Besonderheiten vorliegen, in vollem Umfang oder doch zumindest zum größten Teil für die Unfallfolgen zu haften (vgl. Senatsurteil vom 11. Januar 2005 - VI ZR 352/03, VersR 2005, 702 mwN). Der Linksabbieger muss den Vorrang des Gegenverkehrs grundsätzlich auch dann beachten, wenn dieser bei Gelb oder bei frühem Rot einfährt (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, Stand: 10. Januar 2010, § 14 Rn. 125). Selbst eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung des geradeaus Fahrenden hebt dessen Vorrecht nicht auf (vgl. Senatsurteil vom 14. Februar 1984 - VI ZR 229/82, VersR 1984, 440; OLG Hamm, NZV 2001, 520). In Fallgestaltungen dieser Art wird allerdings je nach Gewichtung der beiderseitigen Verursachungsanteile unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände regelmäßig eine Mithaftung beider Unfallbeteiligter anzunehmen sein. Eine überwiegende Haftung des geradeaus Fahrenden als auch eine Haftungsquote von 50 % ist nur ausnahmsweise in besonders gelagerten Einzelfällen gerechtfertigt (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 12. Aufl. Rn. 222 und Vorbemerkung vor Rn. 221)."
vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2012 - VI ZR 133/11
Linksabbieger im Kreuzungsbereich muss Vorfahrt gewähren
"Letzterer ist an der Kreuzung nach links abgebogen, obwohl ihm erkennbar der von dem Beklagten zu 1 gelenkte Pkw entgegenkam. Damit hat der Kläger, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, gegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift muss, wer links abbiegen will, entgegenko......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Letzterer ist an der Kreuzung nach links abgebogen, obwohl ihm erkennbar der von dem Beklagten zu 1 gelenkte Pkw entgegenkam. Damit hat der Kläger, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, gegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift muss, wer links abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Den Linksabbieger trifft mithin eine Wartepflicht. Deren Nichtbeachtung stellt nach ständiger Rechtsprechung einen besonders schwerwiegenden Verkehrsverstoß dar. Genügt ein Verkehrsteilnehmer dieser Wartepflicht nicht 7 und kommt es deshalb zu einem Unfall, hat er in der Regel, wenn keine Besonderheiten vorliegen, in vollem Umfang oder doch zumindest zum größten Teil für die Unfallfolgen zu haften (vgl. Senatsurteil vom 11. Januar 2005 - VI ZR 352/03, VersR 2005, 702 mwN). Der Linksabbieger muss den Vorrang des Gegenverkehrs grundsätzlich auch dann beachten, wenn dieser bei Gelb oder bei frühem Rot einfährt (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, Stand: 10. Januar 2010, § 14 Rn. 125). Selbst eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung des geradeaus Fahrenden hebt dessen Vorrecht nicht auf (vgl. Senatsurteil vom 14. Februar 1984 - VI ZR 229/82, VersR 1984, 440; OLG Hamm, NZV 2001, 520). In Fallgestaltungen dieser Art wird allerdings je nach Gewichtung der beiderseitigen Verursachungsanteile unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände regelmäßig eine Mithaftung beider Unfallbeteiligter anzunehmen sein. Eine überwiegende Haftung des geradeaus Fahrenden als auch eine Haftungsquote von 50 % ist nur ausnahmsweise in besonders gelagerten Einzelfällen gerechtfertigt (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 12. Aufl. Rn. 222 und Vorbemerkung vor Rn. 221). Eine Haftungsteilung je zur Hälfte ist in der Rechtsprechung teilweise bei einer Kollision zwischen dem wartepflichtigen Linksabbieger und einem entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer auf einer mit einer Lichtzeichenanlage geregelten Kreuzung etwa dann angenommen worden, wenn der entgegenkommende Unfallgegner in später Gelbphase oder beginnender Rotphase an anderen, auf einem parallelen Fahrstreifen bereits haltenden Fahrzeugen vorbei in den Kreuzungsbereich eingefahren ist (vgl. OLG Düsseldorf [Urteil vom 16. Oktober 1975 - 12 U 156/74] r+s 1976, 205; KG, VerkMitt 1984, 36 f.; OLG Hamm, VersR 90, 99). Um eine solche oder eine ähnlich zu bewertende Fallgestaltung handelt es sich vorliegend jedoch nicht."
vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2012 - VI ZR 133/11
Linksabbieger ist grundsätzlich wartepflichtig
"Das Verkehrsunfallgeschehen ist allein schuldhaft durch den Kläger verursacht worden. Der Kläger hat schuldhaft gegen § 9 Abs. 3 StVO verstoßen. Danach muss derjenige, der abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 StVO gilt dies auch gegenüber Fahrzeuge......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Das Verkehrsunfallgeschehen ist allein schuldhaft durch den Kläger verursacht worden. Der Kläger hat schuldhaft gegen § 9 Abs. 3 StVO verstoßen. Danach muss derjenige, der abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 StVO gilt dies auch gegenüber Fahrzeugen, die gekennzeichnete Sonderfahrstreifen benutzen, der hier aber nicht gegeben ist."
vgl. AG Dortmund, Urteil vom 26.02.2019 - 425 C 6946/18
Pflichtenkatalog beim Linksabbiegen
"Das Linksabbiegen in die Grundstückseinfahrt erforderte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 StVO dies rechtzeitig und deutlich per Blinker anzuzeigen, doppelte Rückschau zu halten und zusätzlich gemäß § 9 Abs. 5 StVO die Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs auszuschließen........" [vollständiges Zitat anzeigen]
"Das Linksabbiegen in die Grundstückseinfahrt erforderte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 StVO dies rechtzeitig und deutlich per Blinker anzuzeigen, doppelte Rückschau zu halten und zusätzlich gemäß § 9 Abs. 5 StVO die Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs auszuschließen."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 22.08.2023 - 7 U 112/22
Rechtzeitigkeit des Blinkens
"Zweck des Blinkens ist, dass der nachfolgende Verkehr gewarnt wird, er soll rechtzeitig reagieren können. Danach muss ein rechtzeitiges Blinken so früh erfolgen, dass sich die anderen Verkehrsteilnehmer auf den Abbiegevorgang gefahrlos einstellen können. Maßgeblich ist weniger die Entfernung, als vie......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Zweck des Blinkens ist, dass der nachfolgende Verkehr gewarnt wird, er soll rechtzeitig reagieren können. Danach muss ein rechtzeitiges Blinken so früh erfolgen, dass sich die anderen Verkehrsteilnehmer auf den Abbiegevorgang gefahrlos einstellen können. Maßgeblich ist weniger die Entfernung, als vielmehr die Zeit zwischen Anzeigebeginn und Abbiegen unter Berücksichtigung der Fahrgeschwindigkeit (KG Berlin, Beschluss vom 13.08.2009, 12 U 223/08, juris, Rn. 16; Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 9 StVO, Rn. 13 f.)."
vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.09.2019 - 1 U 82/18
reine Betriebsgefahr des Überholenden tritt hinter den Abbiegenden zurück
"Da die Beklagte lediglich für die reine Betriebsgefahr einzustehen hat, der Zeuge A aber gegen die Pflichten beim Abbiegen, indem er quasi nach hinten "blind" abgebogen ist, schwerwiegend verstoßen hat und sich das Gespann mit dem schwer erkennbaren Fahrtrichtungsanzeiger in einem nicht ordnungsgemäß......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Da die Beklagte lediglich für die reine Betriebsgefahr einzustehen hat, der Zeuge A aber gegen die Pflichten beim Abbiegen, indem er quasi nach hinten "blind" abgebogen ist, schwerwiegend verstoßen hat und sich das Gespann mit dem schwer erkennbaren Fahrtrichtungsanzeiger in einem nicht ordnungsgemäßen Zustand befunden hat, tritt die reine Betriebsgefahr des bei der Beklagten versicherten Motorrads - bei Durchführung der nach § 17 Abs. 2 und 1 StVG gebotenen Abwägung der Verursachungsbeiträge - vollständig zurück.
Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Senats, wonach die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden, wenn also ein Verschulden des Überholenden nicht nachgewiesen werden kann oder ausgeschlossen ist, regelmäßig hinter dem - vorliegend sogar mehrfachen - Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurücktritt (OLG Hamm, Urteil vom 8. Juli 2022 - I-7 U 106/20, NJOZ 2022, 1550 Rn. 23 mit zahlreichen weiteren Nachweisen)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 02.07.2024 - 7 U 74/23
Rückschaupflicht bei Abbiegen in Wirtschaftsweg
"Der Zeuge war indes über § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO hinaus verpflichtet, den rückwärtigen Verkehr auch während des Abbiegevorgangs zu beobachten und jederzeit in der Lage zu sein, den Abbiegevorgang zum Schutz des rückwärtigen Verkehrs abzubrechen.
Diese Pflicht folgt indes nicht schon aus § 9 Abs......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Der Zeuge war indes über § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO hinaus verpflichtet, den rückwärtigen Verkehr auch während des Abbiegevorgangs zu beobachten und jederzeit in der Lage zu sein, den Abbiegevorgang zum Schutz des rückwärtigen Verkehrs abzubrechen.
Diese Pflicht folgt indes nicht schon aus § 9 Abs. 5 StVO (analog), da es sich bei dem Weg, in den der Zeuge A abbiegen wollte, um einen Wirtschaftsweg handelt, auf den § 9 Abs. 5 StVO weder direkt noch analog anwendbar ist. Schon bei einem Wald- oder Feldweg handelt es sich zwar nicht um ein "Grundstück" im Sinne des § 9 Abs. 5 StVO, es gelten hier jedoch, abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, ähnlich verschärfte Pflichten. Im Grundsatz gilt, dass, je weniger erkennbar das Abbiegeziel im Fahrverkehr ist, um so sorgfältiger der Abbiegende sich verhalten muss (OLG Sachsen-Anhalt Urt. v. 12.12.2008 - 6 U 106/08, juris Rn. 19; OLG Stuttgart Beschl. v. 08.04.2011 - 13 U 2/11, juris Rn. 16; Hentschel/König/Dauer/König, 47. Aufl., StVO § 9 Rn. 45). Bei einem - wie hier - deutlich markierten Wirtschaftsweg, der nicht nur ein einzelnes Grundstück anbindet, scheidet eine Analogie jedenfalls mangels Vergleichbarkeit aus.
Im vorliegenden Fall leitet sich eine Pflicht zu einem die Gefährdung anderer ausschließenden Abbiegevorgang, der auch die Rückschau während dessen Durchführung einschließt, daraus ab, dass der Zeuge A seiner Rückschaupflicht vor dem Abbiegevorgang effektiv nicht nachkommen konnte (§ 1 Abs. 2 StVO).
Denn liegen besondere Umstände vor, besteht die Rückschaupflicht auch nach den in § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO genannten Zeitpunkten, also während des Abbiegevorganges. Solche besonderen Umstände, die für eine weitergehende Rückschaupflicht auch während des Abbiegevorgangs sprechen, können etwa sein, dass der Abbiegende mit einem sehr langsamen Fahrzeug auf einer für schnellen Verkehr bis zu 100 km/h ausgelegten Straße unterwegs ist oder dass er in einen völlig untergeordneten, schwer erkennbaren Feldweg abbiegen will. Denn aus den dabei entstehenden hohen Geschwindigkeitsdifferenzen folgen besondere Gefahren, die insbesondere der langsam Fahrende zu bedenken und zu beherrschen hat. Aus der Sicht eines Überholenden ist nämlich bei einem langsam fahrenden Fahrzeug, besonders einem Trecker, auf freier Strecke nicht ohne weiteres aus der geringen Geschwindigkeit auf ein bevorstehendes Abbiegen zu schließen; zudem ist bei Treckern oft wegen der Breite eine Einordnung zur Mitte kaum zu erkennen. Treckerfahrer und anderen langsam Fahrende haben daher jedes nachfolgende Fahrzeug als potentiellen Überholer anzusehen und daher den nachfolgenden Verkehr ständig im Auge zu behalten (vgl. OLG Hamm Urt. v. 9.10.1992 - 9 U 14/92, NZV 1993, 396)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 02.07.2024 - 7 U 74/23
Rückschaupflicht des Abbiegers
"1. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht vom Eingreifen eines Anscheinsbeweises gegen den Linksabbieger ausgegangen. Bei Kollisionen mit dem nachfolgenden Verkehr streitet ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Linksabbiegers (Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"1. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht vom Eingreifen eines Anscheinsbeweises gegen den Linksabbieger ausgegangen. Bei Kollisionen mit dem nachfolgenden Verkehr streitet ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Linksabbiegers (Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 9 StVO, Rn. 44). Dies und auch die nachvollziehbare Würdigung des Landgerichts, dass der Beklagte seine Rückschaupflicht verletzt hat, weil er dem Sachverständigengutachten zufolge bei Beachtung der zweiten Rückschaupflicht unmittelbar vor dem Abbiegen den PKW Q schon auf der Gegenfahrbahn als Überholer habe erkennen und den Abbiegevorgang abbrechen müssen, sind mit der Berufung dementsprechend auch zu Recht nicht angegriffen worden."
vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 04.05.2020 - 7 U 29/19