Betriebsgefahr eines Traktor-Gespanns höher als eines PKW
"Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, da wegen der höheren Masse und der Gefahren, die aus deren Beschleunigung erwachsen, die Betriebsgefahr eines Traktors mit angehängtem Arbeitsgerät die eines fahrenden PKW übertreffen. Daher ist die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs auf Beklagtenseite au......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, da wegen der höheren Masse und der Gefahren, die aus deren Beschleunigung erwachsen, die Betriebsgefahr eines Traktors mit angehängtem Arbeitsgerät die eines fahrenden PKW übertreffen. Daher ist die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs auf Beklagtenseite aufgrund der Größe und Schwerfälligkeit des Gespanns höher als die eines PKW zu bewerten. "
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.04.2024 - 7 U 83/22
einfache Betriebsgefahr des Überholes tritt zurück ggü. Linksabbieger
"Die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden tritt regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurück (OLG Hamm Urt. v. 03.12.2021 - I-7 U 33/20, juris Rn. 19; v. 08.07.2022 - I-7 U 106/20, juris Rn. 23; Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden tritt regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurück (OLG Hamm Urt. v. 03.12.2021 - I-7 U 33/20, juris Rn. 19; v. 08.07.2022 - I-7 U 106/20, juris Rn. 23; Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, juris Rn. 35). Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, da wegen der höheren Masse und der Gefahren, die aus deren Beschleunigung erwachsen, die Betriebsgefahr eines Traktors mit angehängtem Arbeitsgerät die eines fahrenden PKW übertreffen. Daher ist die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs auf Beklagtenseite aufgrund der Größe und Schwerfälligkeit des Gespanns höher als die eines PKW zu bewerten. Hinzu kommt, dass das Einbiegen auf einen zwischen Feldern gelegenen Weg für den Folgeverkehr generell schwieriger zu erkennen ist (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, juris Rn. 36)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.04.2024 - 7 U 83/22
Haftungsverteilung innerhalb eines Gespanns
"b) Nach § 19 Abs. 4 Satz 2 StVG ist im Verhältnis der Halter des Zugfahrzeugs und des Anhängers zueinander nur der Halter des Zugfahrzeugs verpflichtet. Dies gilt nicht, soweit sich durch den Anhänger eine höhere Gefahr verwirklicht hat als durch das Zugfahrzeug allein; in diesem Fall hängt die Ver......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"b) Nach § 19 Abs. 4 Satz 2 StVG ist im Verhältnis der Halter des Zugfahrzeugs und des Anhängers zueinander nur der Halter des Zugfahrzeugs verpflichtet. Dies gilt nicht, soweit sich durch den Anhänger eine höhere Gefahr verwirklicht hat als durch das Zugfahrzeug allein; in diesem Fall hängt die Verpflichtung zum Ausgleich davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem Zugfahrzeug oder dem Anhänger verursacht worden ist (§ 19 Abs. 4 Satz 3 StVG). Das Ziehen des Anhängers allein verwirklicht im Regelfall keine höhere Gefahr (§ 19 Abs. 4 Satz 4 StVG).
aa) Die Entscheidung über die Haftungsverteilung ist Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (st. Rspr., zuletzt Senat, Urteil vom 22. November 2022 - VI ZR 344/21, NJW 2023, 1123 Rn. 11).
bb) Danach ist die Beurteilung, dass die Klägerin (Haftpflichtversicherer des Zugfahrzeugs) im Verhältnis zur Beklagten (Haftpflichtversicherer des Anhängers) allein verpflichtet ist (§ 19 Abs. 4 Satz 2 StVG), nicht zu beanstanden."
vgl. BGH, Urteil vom 14.11.2023 - VI ZR 98/23
Rückwärtsfahren mit Gespann ist "Ziehen"
"Entgegen der Auffassung der Revision ist auch das Rückwärtsfahren mit einem Anhänger ein "Ziehen" im Sinne von § 19 Abs. 4 Satz 4 StVG. Diese Begriffsverwendung entspricht der Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 StVG ("[...] eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug (Zugfahr......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Entgegen der Auffassung der Revision ist auch das Rückwärtsfahren mit einem Anhänger ein "Ziehen" im Sinne von § 19 Abs. 4 Satz 4 StVG. Diese Begriffsverwendung entspricht der Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 1 StVG ("[...] eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug (Zugfahrzeug) gezogen zu werden [...]"). Die Vorschrift des § 19 Abs. 1 StVG erfasst unabhängig von der Fahrtrichtung jede Bewegung des Anhängers (d.h. auch das Rückwärtsschieben) durch das Zugfahrzeug. Ob der Anhänger beim konkreten Haftpflichtgeschehen gezogen oder geschoben (z.B. während eines Rangiervorganges) wird, ist nicht relevant. Entscheidend ist allein seine abstrakte Bestimmung, prinzipiell an ein Kraftfahrzeug angehängt zu werden (vgl. Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, 27. Aufl., StVG § 19 Rn. 28). Vormals hieß es in § 7 Abs. 1 StVG a.F. bezüglich der Anhängerhaftung auch "oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden". Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 19/17964 S. 9, 13) zur Neuregelung der Anhängerhaftung - nun nicht mehr in § 7 StVG, sondern in § 19 StVG - hatte die Ersetzung der Wörter "mitgeführt zu werden" durch "gezogen zu werden" nur sprachliche Gründe. Eine inhaltliche Änderung sollte damit ausdrücklich nicht verbunden sein (vgl. Bollweg/Wächter, NZV 2020, 545, 549; Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, 27. Aufl., StVG § 19 Rn. 57; zumindest teilweise anders Bauer-Gerland, VersR 2020, 146; siehe weiter § 2 Nr. 2 FZV). Für ein abweichendes Begriffsverständnis des "Ziehen" in § 19 Abs. 4 Satz 4 StVG gibt es keine Anhaltspunkte (vgl. BT-Drucks. 19/17964 S. 16 f.). Vielmehr stellt die Gesetzesbegründung darauf ab, dass der Anhänger dem Zugfahrzeug zu- und untergeordnet ist, am Zugfahrzeug hängt und daher von diesem abhängt (vgl. BT-Drucks. 19/17964 S. 17).
Anders als die Revision meint, steht der Annahme eines Regelfalls nach § 19 Abs. 4 Satz 4 StVG im Streitfall nicht entgegen, dass sich im Rückwärtsrangieren etwa eine höhere Gefahr durch den Anhänger verwirklicht hätte. Zwar trifft es zu, dass das Gespann länger und unübersichtlicher ist als (nur) das Zugfahrzeug. Allerdings soll der in § 19 Abs. 4 Satz 2 StVG bestimmte Regelfall nach der gesetzlichen Regelung nur ausnahmsweise durchbrochen werden. Die Gesetzesbegründung führt als Beispiele an, dass "der Anhänger im Einzelfall aufgrund seiner außergewöhnlichen Beschaffenheit (Überlänge, Überbreite, Schwertransporter etc.) eine besondere Gefahr darstellt" oder der verbundene Anhänger einen technischen Defekt aufweist (vgl. BT-Drucks. 19/17964 S. 17; siehe weiter Bauer-Gerland, VersR 2020, 146, 147; Stadler, r+s 2021, 133, 137). Daher kann auch dahingestellt bleiben, ob - wie die Revision beiläufig ausführt - es sich beim Zugfahrzeug um einen LKW und beim Anhänger um einen Auflieger handelte. Im Übrigen wäre nicht festgestellt, dass sich hier durch den Anhänger eine höhere Gefahr als durch das Zugfahrzeug allein auch tatsächlich verwirklicht hätte (§ 19 Abs. 4 Satz 3 StVG). "
vgl. BGH, Urteil vom 14.11.2023 - VI ZR 98/23
Versicherungen der Gespannteile sind in der Regel Mehrfachversicherung
"Gemäß § 78 Abs. 3 VVG sind in der Haftpflichtversicherung von Gespannen bei einer Mehrfachversicherung die Versicherer im Verhältnis zueinander zu Anteilen entsprechend der Regelung in § 19 Abs. 4 StVG verpflichtet.
a) Das bei der Klägerin haftpflichtversicherte Zugfahrzeug (§ 19 Abs. 1 Satz ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Gemäß § 78 Abs. 3 VVG sind in der Haftpflichtversicherung von Gespannen bei einer Mehrfachversicherung die Versicherer im Verhältnis zueinander zu Anteilen entsprechend der Regelung in § 19 Abs. 4 StVG verpflichtet.
a) Das bei der Klägerin haftpflichtversicherte Zugfahrzeug (§ 19 Abs. 1 Satz 1 StVG) bildete mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Anhänger ein Gespann (§ 19 Abs. 2 Satz 1 StVG). Nach den getroffenen Feststellungen lag eine Mehrfachversicherung (§ 78 Abs. 1 VVG) vor (siehe weiter Senat, Urteil vom 13. März 2018 - VI ZR 151/17, NJW 2018, 2120 Rn. 22; BGH, Urteil vom 27. Oktober 2010 - IV ZR 279/08, BGHZ 187, 211 Rn. 9 ff.)."