Abwägung: Alleinhaftung bei Vorfahrtsverstoß rechts-vor-links ohne Fremdverschulden
"Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der Kläger gegen das Vorfahrtsrecht des Beklagten Ziffer 2 gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO verstoßen hat, wohingegen dem Beklagten Ziffer 2 selbst kein Sorgfaltspflichtverstoß vorzuwerfen ist, er sich mithin im Rahmen des nach der Straßenverkehrsordnung erlaub......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der Kläger gegen das Vorfahrtsrecht des Beklagten Ziffer 2 gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO verstoßen hat, wohingegen dem Beklagten Ziffer 2 selbst kein Sorgfaltspflichtverstoß vorzuwerfen ist, er sich mithin im Rahmen des nach der Straßenverkehrsordnung erlaubten Tuns bewegt hat. Eine grundsätzlich mögliche Mithaftung des Beklagten Ziffer 2 aus einer gegebenenfalls wegen der (erlaubten) Mitbenutzung der linken Fahrbahn sogar erhöhten Betriebsgefahr (OLG Hamm, Urteil vom 16. August 2019 – 7 U 3/19; KG, Beschluss vom 23. Juli 2009 – 12 U 212/08) tritt gegenüber dem groben Verschulden des Klägers und der erhöhten Betriebsgefahr des von ihm in der Schräglage der Kurvenfahrt gesteuerten und in dieser Situation besonders instabilen Motorrads (OLG Stuttgart, Urteil vom 5. Dezember 2018 – 9 U 76/18) bei der nach § 17 Abs. 1 StVG gebotenen Abwägung jedoch gänzlich zurück (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. Februar 2001 – 10 U 119/00; OLG Oldenburg, Urteil vom 28. März 1973 – 2 U 162/72; LG Ellwangen, Urteil vom 18. Dezember 1986 – 3 O 500/86; LG Hamburg, Beschluss vom 22. Februar 2018 – 306 S 10/18 = NZV 2018, 333; zu einer Haftungsverteilung von 25 % zu 75 % zu Lasten des unter eines Vorfahrtsverstoßes nach rechts abbiegenden Fahrzeugführers (hier also des Klägers): OLG Oldenburg, Urteil vom 4. November 1981 – 3 U 72/81 = BeckRS 2009, 17687, wobei sich die Abweichung von der vollen Haftung des Abbiegenden aus dem Umstand ergab, dass der andere Verkehrsteilnehmer keinen Grund für den „Verstoß“ gegen das Rechtsfahrgebot hatte)."
vgl. LG Hechingen, Urteil vom 11.12.2020, Az. 1 O 207/19
Alleinhaftung der echten Nachzüglerin gegenüber Querverkehr nach längerer Grünphase
"cc) Nach alledem ist bei der Haftungsabwägung auf Seiten der Klägerin nur die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges zu berücksichtigen. Dass den Zeugen Y ein Verschulden an dem Unfall trifft, ist - wie ausgeführt - nicht festzustellen. Demgegenüber ist der Beklagten zu 2) vorzuhalten, erheblic......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"cc) Nach alledem ist bei der Haftungsabwägung auf Seiten der Klägerin nur die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges zu berücksichtigen. Dass den Zeugen Y ein Verschulden an dem Unfall trifft, ist - wie ausgeführt - nicht festzustellen. Demgegenüber ist der Beklagten zu 2) vorzuhalten, erheblich gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht aus § 1 Abs. 2 StVO verstoßen zu haben. Wegen ihres langen Aufenthalts im Kreuzungsbereich war die Beklagte zu 2) gehalten, eine Gefährdung des Querverkehrs auszuschließen. Sie durfte nicht (mehr) auf ihren Nachzüglerstatus vertrauen, sondern hatte nunmehr den Vorrang zu gewähren (vgl. auch KG, Beschluss vom 12.05.2011 - 22 U 40/11 -, BeckRS 2011, 25735). Dieses Verschulden der Beklagten zu 2) wiegt so schwer, dass dahinter die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeuges vollständig zurücktritt."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 26.08.2016 - 7 U 22/16
Allgemein: rechts-vor-links gilt prinzipiell nur bei echten Fahrbahnen
"(1) Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO hat an Kreuzungen und Einmündungen die Vorfahrt, wer von rechts kommt. Dabei muss es sich bei den aufeinanderstoßenden Fahrbahnen um Straßen handeln (vgl. Senatsurteil vom 5. Februar 1974 - VI ZR 195/72, NJW 1974, 949, 950, juris Rn. 9). Die gesetzliche Vorfahrtsreg......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"(1) Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO hat an Kreuzungen und Einmündungen die Vorfahrt, wer von rechts kommt. Dabei muss es sich bei den aufeinanderstoßenden Fahrbahnen um Straßen handeln (vgl. Senatsurteil vom 5. Februar 1974 - VI ZR 195/72, NJW 1974, 949, 950, juris Rn. 9). Die gesetzliche Vorfahrtsregelung soll den zügigen Verkehr auf bevorrechtigten Straßen gewährleisten und damit durch klare und sichere Verkehrsregeln auch der Sicherheit des Straßenverkehrs dienen (vgl. Senatsurteile vom 27. Mai 2014 - VI ZR 279/13, VersR 2014, 894 Rn. 11; vom 9. März 1971 - VI ZR 137/69, BGHZ 56, 1, 4, juris Rn. 15)."
vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2022 - VI ZR 344/21
Anforderung an die Verhaltensweise eines echten Nachzüglers
"Wer im Kreuzungsbereich zunächst aufgehalten worden ist und diesen dann als sog. "Nachzügler" gegenüber dem Querverkehr bevorrechtigt räumen darf, kann nicht blindlings darauf vertrauen, dass er vorgelassen wird (vgl. OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 1993, 258). Vielmehr hat er den Kreuzungsbereich ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Wer im Kreuzungsbereich zunächst aufgehalten worden ist und diesen dann als sog. "Nachzügler" gegenüber dem Querverkehr bevorrechtigt räumen darf, kann nicht blindlings darauf vertrauen, dass er vorgelassen wird (vgl. OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 1993, 258). Vielmehr hat er den Kreuzungsbereich vorsichtig, unter sorgfältiger Beachtung des einsetzenden Gegen- oder Querverkehrs mit Vorrang zu verlassen (vgl. BGH, NJW 1977, 1394; OLG Köln, NZV 2012, 276; OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 1993, 258; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 37 StVG Rn. 19). Dabei erhöhen sich die Anforderungen an die Aufmerksamkeit des Kreuzungsräumers mit seiner Verweildauer im Kreuzungsbereich: Je länger er sich nach seiner Einfahrt bei grünem Ampellicht im Kreuzungsbereich aufhält, desto eher muss er mit einem Phasenwechsel und anfahrendem Querverkehr rechnen (vgl. KG Berlin, DAR 2003, 516; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 37 StVG Rn. 19) und berücksichtigen, dass der übrige Verkehr aus seinem Verhalten schließen kann, er werde nicht weiterfahren (vgl. KG Berlin, ZfSch 2009, 77). Er darf dann nicht an- oder weiterfahren, wenn er sich nicht vergewissert hat, dass eine Kollision mit einfahrenden Fahrzeugen ausgeschlossen ist (vgl. BGH, NJW 1971, 1407; KG Berlin, ZfSch 2009, 77; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 37 StVG Rn. 19)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 26.08.2016 - 7 U 22/16
Kreuzung
"Eine Kreuzung ist dabei der Ort, an dem Fahrbahnen verschiedener Straßen, die sich u. U. jenseits fortsetzen, zusammentreffen (vgl. BGH Urt. v. 5.2.1974 - VI ZR 195/72, NJW 1974, 949 = juris Rn. 10). Eine Einmündung ist jedes Zusammentreffen von Straßen mit nur einer Fortsetzung (vgl. BGH Urt. v. 5.2........" [vollständiges Zitat anzeigen]
"Eine Kreuzung ist dabei der Ort, an dem Fahrbahnen verschiedener Straßen, die sich u. U. jenseits fortsetzen, zusammentreffen (vgl. BGH Urt. v. 5.2.1974 - VI ZR 195/72, NJW 1974, 949 = juris Rn. 10). Eine Einmündung ist jedes Zusammentreffen von Straßen mit nur einer Fortsetzung (vgl. BGH Urt. v. 5.2.1974 - VI ZR 195/72, NJW 1974, 949 = juris Rn. 10)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 09.05.2023 - 7 U 17/23
Sicherheitsabstand zu Fahrrädern nach § 5 Abs. 4 StVO nur bei Bewegung
"Gemäß § 5 Abs. 4 StVO beträgt ein ausreichender Seitenabstand zu Radfahrern beim Überholen 1,5 Meter. Dieser Seitenabstand gilt aber nicht an Kreuzungen und Einmündungen, wenn der Radfahrer bereits zum Stillstand gekommen ist.d Einmündungen, wenn der Radfahrer bereits zum Stillstand gekommen ist." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Gemäß § 5 Abs. 4 StVO beträgt ein ausreichender Seitenabstand zu Radfahrern beim Überholen 1,5 Meter. Dieser Seitenabstand gilt aber nicht an Kreuzungen und Einmündungen, wenn der Radfahrer bereits zum Stillstand gekommen ist."
vgl. AG Rheine, Urteil vom 19.12.2024, Az. 14 C 136/24, n.v.
unechter Nachzügler muss dem Querverkehr Vorrang einräumen
"Zwar hat derjenige, der bei Grün die Haltelinie und die für ihn maßgebliche Ampel passiert hat, dann aber zum Stehen gekommen ist, bevor er die Fluchtlinien der Gehwegkanten passiert hat, nach Umschalten der Ampel dem einsetzenden Querverkehr als sog. "unechter Nachzügler" den Vorrang einzuräumen (v......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Zwar hat derjenige, der bei Grün die Haltelinie und die für ihn maßgebliche Ampel passiert hat, dann aber zum Stehen gekommen ist, bevor er die Fluchtlinien der Gehwegkanten passiert hat, nach Umschalten der Ampel dem einsetzenden Querverkehr als sog. "unechter Nachzügler" den Vorrang einzuräumen (vgl. OLG Hamm, NZV 2005, 411; OLG Koblenz, NZV 1998, 465; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 37 StVO Rn. 17)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 26.08.2016 - 7 U 22/16
Verstoß gegen § 11 Abs. 1 StVO liegt noch nicht zwingend vor, nur weil man auf Kreuzung halten muss
"Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 StVO ist nur dann zu bejahen, wenn der Kraftfahrer bei Grünlicht in die Kreuzung einfährt, obwohl er erkennt, dass er diese nicht rechtszeitig wieder verlassen kann (vgl. König in Hentschel/König Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 11 StVO 8). Zwar war die Kr......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 StVO ist nur dann zu bejahen, wenn der Kraftfahrer bei Grünlicht in die Kreuzung einfährt, obwohl er erkennt, dass er diese nicht rechtszeitig wieder verlassen kann (vgl. König in Hentschel/König Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage, § 11 StVO 8). Zwar war die Kreuzung bei Einfahrt der Beklagten zu 2) durch die Linksabbieger aus der Gegenrichtung blockiert. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass für die Beklagte zu 2) bereits bei ihrer Einfahrt in die Kreuzung erkennbar war, dass sich dieser Rückstau nicht so rechtzeitig auflösen würde, dass sie die Kreuzung noch während ihrer Grünphase ungehindert würde passieren können."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 26.08.2016 - 7 U 22/16
Vorrecht des anfahrenden Busses setzt vorherige Umschau und Blinkersetzen voraus
"Erst wenn der Fahrer des Linienbusses sichergestellt hat, dass den Anforderungen des § 10 Satz 2 StVO Genüge getan ist, also der Fahrtrichtungsanzeiger rechtzeitig zuvor gesetzt war und nach Rückschau nicht anzunehmen ist, dass andere Verkehrsteilnehmer mehr als nur mittelstark bremsen müssten, entst......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Erst wenn der Fahrer des Linienbusses sichergestellt hat, dass den Anforderungen des § 10 Satz 2 StVO Genüge getan ist, also der Fahrtrichtungsanzeiger rechtzeitig zuvor gesetzt war und nach Rückschau nicht anzunehmen ist, dass andere Verkehrsteilnehmer mehr als nur mittelstark bremsen müssten, entsteht sein Vorrecht gem. § 20 Abs. 5 StVO (vgl. BGH, Beschluss vom 06. Dezember 1978 – 4 StR 130/78 –, BGHSt 28, 218-224, Rn. 10, juris: in der Entscheidung stand allerdings fest, dass der Fahrzeuglenker des Linienomnibusses geblinkt hatte), was in der Folge den Anscheinsbeweis gegen den Einfahrenden entfallen lässt (vgl. Spelz in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 20 StVO (Stand: 27.04.2017), Rn. 39 m.w.N.)."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 10.11.2021 - 14 U 96/21