Fahrzeugbetrieb liegt auch vor, wenn andere Verkehrsteilnehmer durch Fahrverhalten beeinflusst werden
"Das Haftungsmerkmal "bei Betrieb" ist nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen (Urteil vom 08.12.2015, VI ZR 139/15 - juris Rn. 11). Es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat, und das Schadensgeschehen ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Das Haftungsmerkmal "bei Betrieb" ist nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen (Urteil vom 08.12.2015, VI ZR 139/15 - juris Rn. 11). Es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat, und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist (BGH, Urteil vom 08.12.2015, a.a.O.; OLG Hamm, Urteil vom 21.05.2019, 9 U 56/18 - juris; Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand: 25.03.2020, § 7 StVG Rn. 25). Der erforderliche Ursachenzusammenhang mit dem Betrieb setzt nicht unbedingt eine Fahrzeugberührung voraus. Allerdings muss das Kraftfahrzeug über seine bloße Anwesenheit hinaus durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen haben; eine mittelbare Verursachung des Unfalls ist ausreichend (BGH, Urteil vom 22.11.2016, VI ZR 533/15, NJW 2017, 1173; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 7 StVG Rn. 10).
Der Beklagte zu 1 hat sein Fahrzeug im fließenden Verkehr zwecks Abbiegens abgebremst und dadurch eine kritische Verkehrslage für den nachfolgenden Verkehr geschaffen, der auf das Bremsen seinerseits reagieren musste (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22.11.2016, a.a.O. Rn. 17). Das Fahrverhalten des Beklagten zu 1 hat sich damit auf die Fahrweise der nachfolgenden Fahrzeuge ausgewirkt, sodass nach der vom BGH vorgenommenen weiten Auslegung das Merkmal "bei Betrieb" des Beklagtenfahrzeugs auch hinsichtlich des Klägerfahrzeugs erfüllt ist."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 27.11.2020 - 7 U 24/19
Haftungsabwägung (schlafender Fußgänger auf Straße gegenüber Verstoß gegen Sichtfahrgebot): 50:50
"Die gebotene Abwägung der beiderseitigen unfallursächlichen Verursachungsbeiträge führt zu einer je hälftigen Verantwortung beider Unfallbeteiligten. Insoweit hat der Senat berücksichtigt, dass der Geschädigte zwar die erste Ursache für das Unfallgeschehen gesetzt und damit maßgeblich zum Unfall......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die gebotene Abwägung der beiderseitigen unfallursächlichen Verursachungsbeiträge führt zu einer je hälftigen Verantwortung beider Unfallbeteiligten. Insoweit hat der Senat berücksichtigt, dass der Geschädigte zwar die erste Ursache für das Unfallgeschehen gesetzt und damit maßgeblich zum Unfall beigetragen hat, dem Beklagten zu 1), der nach seinen eigenen Angaben vor der Kollision "gar nichts auf der Fahrbahn" gesehen hat, jedoch ebenfalls ein nicht unerheblicher Verkehrsverstoß zur Last fällt. Die von ihm gesetzte Unfallursache weicht von der durch den Versicherungsnehmer der Klägerin gesetzten Erstursache in ihrer Ausprägung weder nach oben noch nach unten ab. Beide Unfallbeteiligten hatten es in der Hand, durch verkehrsrichtiges Verhalten den Unfall unschwer zu vermeiden. Beide haben durch ihr verkehrswidriges Verhalten gleichermaßen zum Unfallgeschehen beigetragen."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 03.03.2023 - 7 U 100/22
Haftungsabwägung bei Unfall zwischen Kfz und Fußgänger
"Da der Kläger bei dem Betrieb des vom Beklagten zu 1 geführten und bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges verletzt wurde, haben die Beklagten zwar auch ohne den Beweis eines Verschuldens des Beklagten zu 1 grundsätzlich aufgrund der Betriebsgefahr des Fahrzeuges für den unfall......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Da der Kläger bei dem Betrieb des vom Beklagten zu 1 geführten und bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges verletzt wurde, haben die Beklagten zwar auch ohne den Beweis eines Verschuldens des Beklagten zu 1 grundsätzlich aufgrund der Betriebsgefahr des Fahrzeuges für den unfallbedingten materiellen und immateriellen Schaden gemäß § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1, § 11 StVG, § 115 Abs. 1 VVG einzustehen, weil sie den Beweis der Verursachung durch höhere Gewalt gemäß § 7 Abs. 2 StVG nicht führen können. Da der Kläger weder Halter noch Führer eines beteiligten Fahrzeuges war, kommt eine Anspruchskürzung nach den §§ 17, 18 StVG nicht in Betracht. Die Beklagte zu 2 und der Beklagte zu 1 (letzterer vorbehaltlich einer Entlastung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG; Feststellungen zur Haltereigenschaft des Beklagten zu 1 haben die Instanzgerichte nicht getroffen) haften dem Kläger grundsätzlich als Gesamtschuldner in vollem Umfang. Die Haftung kann jedoch im Rahmen der - im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbaren (vgl. dazu etwa Senatsurteil vom 13. Dezember 2016 - VI ZR 32/16, VersR 2017, 374 Rn. 8 mwN) - Abwägung nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB entfallen, wenn die im Vordergrund stehende Schadensursache ein grob verkehrswidriges Verhalten des Geschädigten darstellt (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 24. September 2013 - VI ZR 255/12, VersR 2014, 80 Rn. 7; vom 13. Februar 1990 - VI ZR 128/89, VersR 1990, 535, 536, juris Rn. 20; vom 18. März 1969 - VI ZR 242/67, VersR 1969, 571, 572, juris Rn. 16; vom 12. Oktober 1965 - VI ZR 81/64, VersR 1966, 39; vom 21. Dezember 1955 - VI ZR 63/55, VersR 1956, 238 f.). Für diese Abwägung ist von Bedeutung, ob den Beklagten zu 1 ein Schuldvorwurf hinsichtlich der Verursachung des Unfalls trifft."