Alleinhaftung der echten Nachzüglerin gegenüber Querverkehr nach längerer Grünphase
"cc) Nach alledem ist bei der Haftungsabwägung auf Seiten der Klägerin nur die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges zu berücksichtigen. Dass den Zeugen Y ein Verschulden an dem Unfall trifft, ist - wie ausgeführt - nicht festzustellen. Demgegenüber ist der Beklagten zu 2) vorzuhalten, erheblic......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"cc) Nach alledem ist bei der Haftungsabwägung auf Seiten der Klägerin nur die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges zu berücksichtigen. Dass den Zeugen Y ein Verschulden an dem Unfall trifft, ist - wie ausgeführt - nicht festzustellen. Demgegenüber ist der Beklagten zu 2) vorzuhalten, erheblich gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht aus § 1 Abs. 2 StVO verstoßen zu haben. Wegen ihres langen Aufenthalts im Kreuzungsbereich war die Beklagte zu 2) gehalten, eine Gefährdung des Querverkehrs auszuschließen. Sie durfte nicht (mehr) auf ihren Nachzüglerstatus vertrauen, sondern hatte nunmehr den Vorrang zu gewähren (vgl. auch KG, Beschluss vom 12.05.2011 - 22 U 40/11 -, BeckRS 2011, 25735). Dieses Verschulden der Beklagten zu 2) wiegt so schwer, dass dahinter die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeuges vollständig zurücktritt."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 26.08.2016 - 7 U 22/16
Alleinhaftung eines Fahrzeuges, das trotz Martinshorn kein Vorrecht hat
"Bei einer höheren Geschwindigkeit wird jedoch in der Regel die überwiegende Mitverursachung oder Alleinhaftung auf Seiten des Sonderrechtsfahrzeugs angenommen (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 18 m. w. N.). Der Beklagte zu 2 war - wie erwähnt - unbedingt gehalten, nur mit äu......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Bei einer höheren Geschwindigkeit wird jedoch in der Regel die überwiegende Mitverursachung oder Alleinhaftung auf Seiten des Sonderrechtsfahrzeugs angenommen (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 18 m. w. N.). Der Beklagte zu 2 war - wie erwähnt - unbedingt gehalten, nur mit äußerster Vorsicht in den Kreuzungsbereich einzufahren (Schrittgeschwindigkeit), weil in beide Fahrtrichtungen - sowohl des Beklagten zu 2 als auch der Zeugin M. - nicht der jeweils heranfahrende Querverkehr wahrgenommen werden konnte (vgl. die Lichtbilder auf S. 3 des Sachverständigengutachtens W.). Die Zeugin M. konnte damit auch dann, wenn man unterstellt, dass sie das Martinshorn rechtzeitig gehört hat, nicht sehen, dass aus ihrer Richtung von links der Wagen der Unfallforschung herankam und trotz Rotlichts mit nahezu ungebremster Geschwindigkeit in die Kreuzung hineinfuhr. Andererseits hätte der Beklagte zu 2 in jedem Fall bedenken müssen, dass der Verkehr auf der bevorrechtigten G.-W.-Straße bei Grünlicht in die Kreuzung einfährt und deshalb bei Missachtung des Rotlichts eine ganz erhebliche Unfallgefahr bestand.
cc) Da auf Seiten des Klägers kein Verschuldensbeitrag nachgewiesen ist, bliebe allein die Anrechnung der Betriebsgefahr für den Pkw zu diskutieren. Gegenüber dem leichtfertigen Fahrverhalten des Beklagten zu 2, durch das der Verkehrsunfall allein verschuldet und maßgeblich verursacht wurde, ist die Betriebsgefahr jedoch ohne erhebliches Gewicht und kann deshalb zurücktreten. Somit bleibt es bei der Haftung der Beklagten. Entsprechend ist die Klage und damit auch die Berufung begründet."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 03.08.2011 - 14 U 158/10
Allgemeines zur Abwägung der Verursachungsbeiträge
"ür den Umfang der Haftung dem Grunde nach kommt es gemäß der § 17 Abs. 1 und 2 StVG danach auf eine Abwägung der Verursachungsanteile an. Entscheidend ist insbesondere, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Dabei sind im Rahmen dieser Abwägung nur u......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"ür den Umfang der Haftung dem Grunde nach kommt es gemäß der § 17 Abs. 1 und 2 StVG danach auf eine Abwägung der Verursachungsanteile an. Entscheidend ist insbesondere, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Dabei sind im Rahmen dieser Abwägung nur unstreitige bzw. zugestandene oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deshalb außer Betracht zu bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2006, VI ZR 115/05, juris, Rn. 15; Urteil vom 13.02.1996, VI ZR 126/95, juris, Rn. 11; Urteil vom 10.01.1995, VI ZR 247/94, juris, Rn. 9 ff.; Senat, Urteil vom 23.02.2016, I-1 U 79/15, juris, Rn. 35; Urteil vom 11.10.2011, I-1 U 17/11, juris, Rn. 29; OLG Hamm, Urteil vom 18.11.2003, 27 U 87/03, juris, Rn. 7). Jeder Halter bzw. Schädiger hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er die nach der Abwägung für sich günstigen Rechtsfolgen herleiten will (BGH, Urteil vom 13.02.1996, VI ZR 126/95, juris, Rn. 11; Senat, Urteil vom 23.02.2016, I-1 U 79/15, juris, Rn. 35; Urteil vom 11.10.2011, I-1 U 17/11, juris, Rn. 29; OLG Hamm, Urteil vom 18.11.2003, 27 U 87/03, juris, Rn. 7)."
vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.09.2019 - 1 U 82/18
Anscheinsbeweis bei Kettenunfall: möglich, aber nicht zwingend
"Bei einem Kettenauffahrunfall kommt ein Anscheinsbeweis im Verhältnis zwischen Auffahrendem und Vorausfahrendem für eine schuldhafte Verursachung des Heckaufpralls durch den letzten in der Kette auffahrenden Verkehrsteilnehmer nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass das ihm vorausfahrende Fahrzeug r......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Bei einem Kettenauffahrunfall kommt ein Anscheinsbeweis im Verhältnis zwischen Auffahrendem und Vorausfahrendem für eine schuldhafte Verursachung des Heckaufpralls durch den letzten in der Kette auffahrenden Verkehrsteilnehmer nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass das ihm vorausfahrende Fahrzeug rechtzeitig hinter seinem Vordermann zum Stehen gekommen ist und nicht durch einen Aufprall auf das vorausfahrende Fahrzeug den Bremsweg des ihm folgenden Fahrzeugs verkürzt hat (OLG Hamm, Urteil vom 06.02.2014, 6 U 101/13 - juris; König, in: König/Hentschel/Dauer, a.a.O., § 4 StVO Rn. 36)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 27.11.2020 - 7 U 24/19
Sonderrechtfahrzeuge mit Blaulicht und Martinshorn bei Geschwindigkeit bis 30 km/h nur mit geringer Haftungsuote
"Die Rechtsprechung geht bei einem Wegerechtsfahrzeug, das auf einer ampelgeregelten Kreuzung einen Zusammenstoß verursacht, noch von einer Schadensteilung aus, wenn das Einsatzfahrzeug die Warnsignale eingeschaltet und eine Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h aufgewiesen hat. Bei einer höheren Geschwind......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Rechtsprechung geht bei einem Wegerechtsfahrzeug, das auf einer ampelgeregelten Kreuzung einen Zusammenstoß verursacht, noch von einer Schadensteilung aus, wenn das Einsatzfahrzeug die Warnsignale eingeschaltet und eine Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h aufgewiesen hat. Bei einer höheren Geschwindigkeit wird jedoch in der Regel die überwiegende Mitverursachung oder Alleinhaftung auf Seiten des Sonderrechtsfahrzeugs angenommen (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 18 m. w. N.)."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 03.08.2011 - 14 U 158/10