"bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Pkw der Klägerin bei dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs des Beklagten zu 2 beschädigt worden. Dieses ist zwar auch ein Kraftfahrzeug mit Arbeitsfunktion, der Unfall steht aber in einem haftungsrechtlich relevanten Zusammenhang mit der Bestimmung des Müllabfuhrfah......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Pkw der Klägerin bei dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs des Beklagten zu 2 beschädigt worden. Dieses ist zwar auch ein Kraftfahrzeug mit Arbeitsfunktion, der Unfall steht aber in einem haftungsrechtlich relevanten Zusammenhang mit der Bestimmung des Müllabfuhrfahrzeugs als eine dem Transport von Müll dienende Maschine. Zur Erfüllung der Transportfunktion sind Mülltonnen zum Müllabfuhrfahrzeug zu bringen, dort zu entleeren und wieder zurückzustellen. Die Gefahr, die in diesem Zusammenhang von einer gerade entleerten Mülltonne auf der Straße für andere Verkehrsteilnehmer ausgeht, ist damit dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs zuzurechnen."
vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2023 - VI ZR 77/23
Haftung nach StVO trotz Privilegierung nach § 839 BGB
"1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 2 als Halter des Müllabfuhrfahrzeugs ein Anspruch aus § 7 StVG zu. Dieser steht selbständig neben einem etwaigen Anspruch gegen den Beklagten zu 2 als öffentlich-rechtliche Körperschaft aus Art. 34 GG, § 839 BGB. Auf eine subsidiäre Haftung gemäß § ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 2 als Halter des Müllabfuhrfahrzeugs ein Anspruch aus § 7 StVG zu. Dieser steht selbständig neben einem etwaigen Anspruch gegen den Beklagten zu 2 als öffentlich-rechtliche Körperschaft aus Art. 34 GG, § 839 BGB. Auf eine subsidiäre Haftung gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich der Beklagte zu 2 im Rahmen seiner Halterhaftung aus § 7 StVG nicht berufen (BGH, Urteile vom 27. Juni 1968 - III ZR 63/65, BGHZ 50, 271, 273 f., juris Rn. 8, 10; vom 27. Januar 1977 - III ZR 173/74, BGHZ 68, 217, 221, juris Rn. 21, 31 (Rn. 31 in BGHZ nicht abgedruckt); vom 13. Dezember 1990 - III ZR 14/90, BGHZ 113, 164, 165, juris Rn. 5)."
vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2023 - VI ZR 77/23
Haftungsteilung bei Kollision zwischen vorbeifahrendem PKW und die Straße betretenden Müllmann
"Im Rahmen der gemäss § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung der Mitverursachungs- und Verschuldensbeiträge hielt das Gericht eine jeweils gleich hohe Haftung der Parteien für angemessen. Auf Seiten der Beklagten war zu berücksichtigen, dass den Zeugen U. ein erhebliches, der Beklagten zuzurechnen......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Im Rahmen der gemäss § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung der Mitverursachungs- und Verschuldensbeiträge hielt das Gericht eine jeweils gleich hohe Haftung der Parteien für angemessen. Auf Seiten der Beklagten war zu berücksichtigen, dass den Zeugen U. ein erhebliches, der Beklagten zuzurechnendes Verschulden trifft, weil er, ohne auf den Verkehr zu achten, versuchte, die Strasse zu überqueren. Auf der Seite des Klägers ist neben der Betriebsgefahr des Pkw in Ansatz zu bringen, dass er schuldhaft gegen §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 StVO verstieß, indem er die gebotene Schrittgeschwindigkeit erheblich überschritten und dadurch eine für ihn erkennbare Gefährdungslage herbeigeführt hat. Er musste damit rechnen, dass U. aus den oben ausgeführten Gründen nicht ausreichend auf den nachfolgenden Verkehr achtete."
vgl. LG Münster, Urteil vom 26.04.2002 - 16 O 83/02
Müllfahrzeug - beschränkte Privilegierung
"Wie vom Berufungsgericht zutreffend gesehen, befreit die beschränkte Privilegierung von Fahrzeugen der Müllabfuhr durch die Einräumung von Sonderrechten in § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO nicht von der Einhaltung der übrigen Vorschriften der StVO (OLG Karlsruhe, r+s 2018, 671 Rn. 16; Rogler in Freymann/Well......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Wie vom Berufungsgericht zutreffend gesehen, befreit die beschränkte Privilegierung von Fahrzeugen der Müllabfuhr durch die Einräumung von Sonderrechten in § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO nicht von der Einhaltung der übrigen Vorschriften der StVO (OLG Karlsruhe, r+s 2018, 671 Rn. 16; Rogler in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 35 StVO, Stand 24.10.2023, Rn. 124)."
vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2023 - VI ZR 77/23
Müllfahrzeug - erhöhte Betriebsgefahr
"aa) Rechtlich nicht zu beanstanden sind allerdings die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht das unfallursächliche und schuldhafte Verhalten des Beklagten zu 1 in die Abwägung eingestellt hat. Da das Entleeren und Zurückbringen des Müllcontainers zum Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs gehört (s........" [vollständiges Zitat anzeigen]
"aa) Rechtlich nicht zu beanstanden sind allerdings die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht das unfallursächliche und schuldhafte Verhalten des Beklagten zu 1 in die Abwägung eingestellt hat. Da das Entleeren und Zurückbringen des Müllcontainers zum Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs gehört (s. oben a), begründet ein unfallursächlicher Verstoß des Beklagten zu 1 gegen die StVO bei dieser Tätigkeit eine Erhöhung der Betriebsgefahr, die im Rahmen der Abwägung gemäß § 17 Abs. 2 StVG zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigen ist.
(.....)
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht eine Erhöhung der Betriebsgefahr schließlich mit der Größe des Müllabfuhrfahrzeugs und der dadurch bedingten Sichtbeschränkung begründet, die sich auf den Unfall ausgewirkt hat."
vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2023 - VI ZR 77/23
Müllwagen - Betriebsgefahr beim Be- und Entladen
"bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Pkw der Klägerin bei dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs des Beklagten zu 2 beschädigt worden. Dieses ist zwar auch ein Kraftfahrzeug mit Arbeitsfunktion, der Unfall steht aber in einem haftungsrechtlich relevanten Zusammenhang mit der Bestimmung des Müllabfuhrfah......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Pkw der Klägerin bei dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs des Beklagten zu 2 beschädigt worden. Dieses ist zwar auch ein Kraftfahrzeug mit Arbeitsfunktion, der Unfall steht aber in einem haftungsrechtlich relevanten Zusammenhang mit der Bestimmung des Müllabfuhrfahrzeugs als eine dem Transport von Müll dienende Maschine. Zur Erfüllung der Transportfunktion sind Mülltonnen zum Müllabfuhrfahrzeug zu bringen, dort zu entleeren und wieder zurückzustellen. Die Gefahr, die in diesem Zusammenhang von einer gerade entleerten Mülltonne auf der Straße für andere Verkehrsteilnehmer ausgeht, ist damit dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs zuzurechnen."
vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2023 - VI ZR 77/23
Müllwagen - Passieren mit 2 m Abstand oder in Schrittgeschwindigkeit
"Das Gericht schließt sich der Ansicht an, dass ein Kraftfahrer, der ein Müllfahrzeug passieren will, entweder einen Mindestabstand von 2m oder Schrittgeschwindigkeit einzuhalten hat (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1988, 866, 867; OLG Hamm, VRS 35, 58, 60; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. A:, § 35 StVO, Rd......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Das Gericht schließt sich der Ansicht an, dass ein Kraftfahrer, der ein Müllfahrzeug passieren will, entweder einen Mindestabstand von 2m oder Schrittgeschwindigkeit einzuhalten hat (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1988, 866, 867; OLG Hamm, VRS 35, 58, 60; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. A:, § 35 StVO, Rdn. 13). Mit dem OLG Hamm ist das Gericht der Ansicht, dass in Anlehnung an die vom BGH (vgl. NJW 1968, 1532) für an Haltestellen stehende Busse aufgestellten Regeln dem Kraftfahrer auch beim Passieren von Müllfahrzeugen eine solche vorsichtige Fahrweise abzuverlangen ist (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1988, 866, 867). Entscheidend ist dabei, dass der Kraftfahrer damit rechnen muss, dass die Müllwerker - verkehrswidrig - den Verkehrsraum seitlich des Müllwagens betreten, um sich erst von dort den Überblick über den Verkehrsraum zu verschaffen. Ein solches Fehlverhalten wird begünstigt durch das Bedürfnis nach kurzen Wegen und schneller Arbeitsweise (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Vor allem stumpft der tägliche Umgang mit den Gefahren des Strassenverkehrs ab, haben die Müllwerker ihr Augenmerk auf ihre Arbeitsverrichtungen zu lenken und müssen ein bestimmtes Arbeitspensum verrichten, das auch zu Eile führt, welches die Verkehrsgefahren verkennen oder übersehen lässt (vgl. OLG Hamm, VRS 35, 58, 60). Aufgrund dieser Umstände ist es geboten, die Rechtsprechung für an Haltestellen stehende Busse auch hinsichtlich stehender Müllfahrzeuge und von hinten herannahender Fahrzeuge anzuwenden."
vgl. LG Münster, Urteil vom 26.04.2002 - 16 O 83/02
Sonderrechte - Privilegierungsumfang
"Wie vom Berufungsgericht zutreffend gesehen, befreit die beschränkte Privilegierung von Fahrzeugen der Müllabfuhr durch die Einräumung von Sonderrechten in § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO nicht von der Einhaltung der übrigen Vorschriften der StVO (OLG Karlsruhe, r+s 2018, 671 Rn. 16; Rogler in Freymann/Well......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Wie vom Berufungsgericht zutreffend gesehen, befreit die beschränkte Privilegierung von Fahrzeugen der Müllabfuhr durch die Einräumung von Sonderrechten in § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO nicht von der Einhaltung der übrigen Vorschriften der StVO (OLG Karlsruhe, r+s 2018, 671 Rn. 16; Rogler in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 35 StVO, Stand 24.10.2023, Rn. 124)."
vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2023 - VI ZR 77/23
Vorbeifahren an einem Müllfahrzeug
"(1) Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend gesehen hat, ist von Verkehrsteilnehmern, die an im Einsatz befindlichen Müllabfuhrfahrzeugen vorbeifahren, gemäß § 1 StVO besondere Vorsicht und Rücksichtnahme zu fordern, um Müllwerker nicht zu gefährden.
(.....)
(2) Das Hauptaugenm......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"(1) Wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend gesehen hat, ist von Verkehrsteilnehmern, die an im Einsatz befindlichen Müllabfuhrfahrzeugen vorbeifahren, gemäß § 1 StVO besondere Vorsicht und Rücksichtnahme zu fordern, um Müllwerker nicht zu gefährden.
(.....)
(2) Das Hauptaugenmerk der mit dem Holen, Entleeren und Zurückbringen von Müllcontainern befassten Müllwerker ist auf ihre Arbeit gerichtet, die sie überwiegend auf der Straße und effizient, das heißt in möglichst kurzer Zeit und auf möglichst kurzen Wegen, zu erledigen haben. Wer an einem Müllabfuhrfahrzeug vorbeifährt, das erkennbar im Einsatz ist, darf daher nicht uneingeschränkt auf ein verkehrsgerechtes Verhalten der Müllwerker vertrauen. Er muss typischerweise damit rechnen, dass Müllwerker plötzlich vor oder hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortreten und unachtsam einige Schritte weiter in den Verkehrsraum seitlich des Müllabfuhrfahrzeugs tun, bevor sie sich über den Verkehr vergewissern. Auf diese typischerweise mit dem Einsatz von Müllabfuhrfahrzeugen verbundenen Gefahren hat der vorbeifahrende Verkehrsteilnehmer sein Fahrverhalten einzurichten. Lässt sich ein ausreichender Seitenabstand zum Müllabfuhrfahrzeug, durch den die Gefährdung eines plötzlich vor oder hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortretenden Müllwerkers vermieden werden kann, nicht einhalten, so ist die Geschwindigkeit gemäß § 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO so weit zu drosseln, dass der Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen bringen kann (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1988, 866, 867 und OLG Karlsruhe, r+s 2018, 671 Rn. 24 mwN: in der Regel Schrittgeschwindigkeit; ebenso LG Münster, ZfSch 2002, 422, 423, juris Rn. 20; Freymann in Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl., § 35 StVO Rn. 713; für die Vorbeifahrt an einem Linienbus schon vor Schaffung des heutigen § 20 StVO vgl. auch: Senatsurteil vom 21. Februar 1967 - VI ZR 145/65, VersR 1967, 582, juris Rn. 15; BGH, Urteil vom 10. April 1968 - 4 StR 62/68, NJW 1968, 1532 f., juris Rn. 5; Beschluss vom 27. Mai 1959 - 4 StR 49/59, BGHSt 13, 169, 175, juris Rn. 15 f.).
(....)
(3) (...) Der seitliche Abstand zwischen dem Fahrzeug der Klägerin und dem Müllabfuhrfahrzeug betrug allenfalls rund 50 cm. In dieser Situation war die festgestellte Ausgangsgeschwindigkeit von mindestens 13 km/h zu hoch, als dass die Zeugin M. das Fahrzeug notfalls - das heißt insbesondere vor einem plötzlich hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortretenden Müllwerker - sofort zum Stehen hätte bringen können. Daran ändert die Feststellung des Berufungsgerichts nichts, dass der Unfall für die Zeugin bei einer Bremsausgangsgeschwindigkeit von unter 14 km/h räumlich vermeidbar gewesen wäre. (.....) Die Zeugin hatte aber so angepasst zu fahren, dass sie auch bei Erkennen einer Gefahr in weniger als fünf Metern Entfernung das Fahrzeug rechtzeitig hätte zum Stehen bringen können. Abgesehen davon käme ein schuldhafter Verstoß gegen § 1 StVO auch in Betracht, wenn die Zeugin M. bei einer Geschwindigkeit von unter 14 km/h, obwohl ihr das möglich gewesen wäre, nicht rechtzeitig reagiert hätte."
vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2023 - VI ZR 77/23
§ 839 BGB kommt bei Müllwagen in Betracht
"Die Haftung der Beklagten aus § 839 BGB, Art. 34 GG ist begründet, weil der Zeuge U. fahrlässig die ihm gegenüber dem Kläger obliegende Amtspflicht, die ihn als Beamter im haftungsrechtlichen Sinne traf, dadurch verletzt hat, dass er dessen Pkw beschädigt hat, indem er gegen den Pkw gelaufen ist.
......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Haftung der Beklagten aus § 839 BGB, Art. 34 GG ist begründet, weil der Zeuge U. fahrlässig die ihm gegenüber dem Kläger obliegende Amtspflicht, die ihn als Beamter im haftungsrechtlichen Sinne traf, dadurch verletzt hat, dass er dessen Pkw beschädigt hat, indem er gegen den Pkw gelaufen ist.
Unstreitig hat die Beklagte ihre Müllabfuhr nicht in privatrechtlicher Form organisiert, sondern öffentlichrechtlich. Diese ist danach dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen. Die Beklagte ist die Anstellungskörperschaft des Zeugen U., den sie im Rahmen der Müllabfuhr eingesetzt hat. Dieser war danach im haftungsrechtlichen Sinne "Beamter". Ihm oblag im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Müllabfuhr auch die Amtspflicht, Fahrzeuge anderer Verkehrsteilnehmer, wie das des Klägers, nicht zu beschädigen."
vgl. LG Münster, Urteil vom 26.04.2002 - 16 O 83/02