kein faktisches Überholverbot wg. notwendigen Geschwindigkeitsverstoßes
"Der Umstand, dass der Kläger nur unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überholen konnte, ist im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 und 2 StVO nicht zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen.
<br>
Soweit aus dem Umstand, dass ein Überholvorgang nur unter Ü......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Der Umstand, dass der Kläger nur unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überholen konnte, ist im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 und 2 StVO nicht zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen.
Soweit aus dem Umstand, dass ein Überholvorgang nur unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit möglich ist, auf ein sog. faktisches Überholverbot geschlossen wird (so OLG Schleswig, Urteil vom 29.11.1995 - 9 U 50/95); OLG München NJW 1966, 1270; Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. A. 2012, § 5 Rn. 23) findet eine solche Konzeption nach Ansicht des Senats keine hinreichende Stütze im Gesetz: Insbesondere findet sich eine solche nicht in § 5 StVO. § 5 Abs. 2 StVO normiert lediglich, dass neben dem Ausschluss einer Behinderung des Gegenverkehrs mit wesentlich höherer Geschwindigkeit zu überholen ist. Der Katalog der Überholverbote in § 5 Abs. 3 StVO greift ebenfalls nicht.
Nach der Konzeption der §§ 5 und 3 StVO trifft vielmehr denjenigen, der nur unter Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit überholt, "lediglich" der Vorwurf, gegen § 3 StVO zu verstoßen. Damit lässt sich die Konzeption eines "faktischen Überholverbots" allein damit begründen, dass der Unfall sich nicht ereignet hätte, wenn der Kläger die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hätte, schlicht weil er dann geschwindigkeitsbedingt nicht hätte überholen können. Eine solche Sichtweise vernachlässigt aber, dass sich die Kollision nach den Feststellungen des Sachverständigen auch bei Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den Kläger ereignet hätte, die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit also gerade nicht kausal geworden ist. Bei einer solchen Konstellation verbietet sich nach Auffassung des Senats jedenfalls die Annahme eines faktischen Überholverbots."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 04.02.2014 - 9 U 149/13
Pflichtenverstoß ist nur bei Unfallrelevanz kausal
"Die im Video eingeblendete Geschwindigkeit stimmt mit der real gefahrenen überein. Der Sachverständige legt aber im Weiteren plausibel dar, dass die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um lediglich 10 km/h sich nicht unfallursächlich ausgewirkt hat. Demnach hätte sich dadurch ledig......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die im Video eingeblendete Geschwindigkeit stimmt mit der real gefahrenen überein. Der Sachverständige legt aber im Weiteren plausibel dar, dass die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um lediglich 10 km/h sich nicht unfallursächlich ausgewirkt hat. Demnach hätte sich dadurch lediglich eine um 0,13 Sekunden verlängerte Erkennbarkeit der Zeichen 250/2018-30 ("Verbot für Fahrzeuge aller Art" und "Baustellenfahrzeuge frei") ergeben. Zwar wäre bei rechtzeitiger Erkennbarkeit dieser Zeichen (endgültig) klar geworden, dass die Einfahrt in die Baustellenausfahrt nicht zugelassen/vorgesehen sein sollte, also die unmittelbar zuvor (verdeckend) angebrachten Zeichen 209/205 ("Rechts" und "Vorfahrt gewähren") irreführend waren. Angesichts des geringen Abstands zwischen den beiden Zeichenpaaren/Pfosten, wirkt sich die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um nur 10 km/h aber praktisch nicht aus. Auch eine Erkennbarkeit von 1,13 Sekunden hätte ein Reflektieren der irreführenden Zeichen 209/205 ("Rechts" und "Vorfahrt gewähren") nicht rechtzeitig möglich gemacht. Anderes ist jedenfalls nicht zur Überzeugung der Kammer bewiesen."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 08.06.2017 - 2 S 5570/15
Spurwechsel nur unter Beachtung de Sicherheitsabstands statthaft
"Daraus, dass der Beklagte Ziff. 1 weiter vorträgt, er sei schneller gefahren als der Kläger (S. 3 der Berufungsbegründung), ist abzuleiten, dass die Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagten Ziff. 1 etwa 30 bis 40 km/h betragen haben muss. Nach der Grundregel halber Tachowert als einzuhaltender Mindesta......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Daraus, dass der Beklagte Ziff. 1 weiter vorträgt, er sei schneller gefahren als der Kläger (S. 3 der Berufungsbegründung), ist abzuleiten, dass die Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagten Ziff. 1 etwa 30 bis 40 km/h betragen haben muss. Nach der Grundregel halber Tachowert als einzuhaltender Mindestabstand (BGH NJW 1968, 450; Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 2 StVO Rn. 6) hätte daher eine Lücke von ca. 30 m vorhanden sein müssen, um einen ausreichenden Sicherheitsabstand nach vorn und nach hinten einhalten zu können."
vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 07.04.2010 - 3 U 216/09
um sie als Verstoß zu werten, muss eine Geschwindigkeitsüberschreitung feststehen
"Ebenso wenig ist - wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat - zulasten der Beklagten eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit - mangels streckenbezogener Höchstgeschwindigkeiten galt am Unfallort eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c StVO - fes......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Ebenso wenig ist - wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat - zulasten der Beklagten eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit - mangels streckenbezogener Höchstgeschwindigkeiten galt am Unfallort eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c StVO - festzustellen. Der Sachverständige hat lediglich eine Annäherungsgeschwindigkeit des Motorrads zwischen 100 und 120 km/h feststellen können (Gutachten I, S. 15, eGA I-68), so dass eine höhere Geschwindigkeit zu Lasten der Beklagten als 100 km/h nicht bewiesen ist."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 02.07.2024 - 7 U 74/23
unklare Verkehrslage bei langsamem, blinkenden Fahrzeug
"unter Berücksichtigung der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sowie dem Umstand, dass das Fahrzeug links geblinkt hat und sich auch zur Mitte hin eingeordnet hatte, lag für den Beklagten zu 1) in jedem Fall eine unklare Verkehrssituation vor, so dass er nicht ohne weite......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"unter Berücksichtigung der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sowie dem Umstand, dass das Fahrzeug links geblinkt hat und sich auch zur Mitte hin eingeordnet hatte, lag für den Beklagten zu 1) in jedem Fall eine unklare Verkehrssituation vor, so dass er nicht ohne weiteres mit seinem Motorrad zum Überholen ansetzen durfte, sondern vielmehr eine Zeit hinter dem "....." herfahren müssen, um zu eruieren, welche Absichten der Kläger hegt."
vgl. LG Kassel, Urteil vom 23.11.2016 - 6 O 253/15