"Bei einem Verkehrsunfall, bei dem mehrere Verantwortliche durch verschiedene selbstständige Tatbeiträge einen Schaden herbeigeführt haben (Nebentäterschaft) und bei dem mehrere Schädiger gleichzeitig oder - wie hier - nacheinander in Anspruch genommen werden, ist zu unterscheiden, ob die Schädiger ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Bei einem Verkehrsunfall, bei dem mehrere Verantwortliche durch verschiedene selbstständige Tatbeiträge einen Schaden herbeigeführt haben (Nebentäterschaft) und bei dem mehrere Schädiger gleichzeitig oder - wie hier - nacheinander in Anspruch genommen werden, ist zu unterscheiden, ob die Schädiger für den vollen Schaden haften oder ob den Geschädigten eine Mithaftung trifft.
Wenn die mehreren Nebentäter für den vollen Schaden haften, ohne dass den Geschädigten eine Mithaftung trifft, ist auch bei Nebentätern entsprechend § 840 Abs. 1 BGB zu verfahren (BGH, Urteil vom 13.12.2005 - VI ZR 68/04; Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 17 StVG (Stand: 14.04.2023), Rn. 52). Dies bedeutet, dass der Geschädigte jeden einzelnen Gesamtschuldner voll in Anspruch nehmen kann, auch dann, wenn das Gewicht ihrer Verantwortungsbeiträge unterschiedlich ist. Im Außenverhältnis, d.h. gegenüber dem Geschädigten, haften dennoch sämtliche Gesamtschuldner voll; es gilt das Alles-oder-Nichts-Prinzip (Lemcke: Haftung aus Verkehrsunfall mit mehreren Beteiligten; r + s 2009, 45, beckonline). Das unterschiedliche Gewicht ihrer Verantwortungsbeiträge wirkt sich erst im Innenverhältnis der Gesamtschuldner, beim Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 BGB, aus (BGH, Urteil vom 13.12.2005 - VI ZR 68/04).
Ist der Geschädigte dagegen für den Unfall mitverantwortlich, hat im Rahmen einer Gesamtabwägung eine zweistufige Quotierung zu erfolgen (OLG Hamm, Urteil vom 09.07.2019 - 9 U 136/18; BGH, Urteil vom 13.12.2005 - VI ZR 68/04; Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 17 StVG (Stand: 14.04.2023), Rn. 55). Dabei hat zunächst jeweils eine Einzelabwägung stattzufinden, bei der die Haftungsanteile des anderen Mitschädigers außer Betracht bleiben. Sodann ist in einer Gesamtschau zu beurteilen, in welchem Umfang der Geschädigte insgesamt Schadensersatz verlangen kann, in welchem Umfang die Schädiger gesamtschuldnerisch und inwieweit sie allein haften.
Der Kfz-Haftpflichtversicherer haftet aufgrund des gegen ihn bestehenden Direktanspruchs aus § 115 Abs. 1 VVG entsprechend der auf seinen Versicherten entfallenden Haftungsquote gesamtschuldnerisch mit, § 116 Abs. 4 VVG (Lemcke: Haftung aus Verkehrsunfall mit mehreren Beteiligten; r + s 2009, 45, beckonline)."
vgl. LG Münster, Urteil vom 11.07.2024 - 8 O 7/22
Anscheinsbeweis bei Kettenunfall: möglich, aber nicht zwingend
"Bei einem Kettenauffahrunfall kommt ein Anscheinsbeweis im Verhältnis zwischen Auffahrendem und Vorausfahrendem für eine schuldhafte Verursachung des Heckaufpralls durch den letzten in der Kette auffahrenden Verkehrsteilnehmer nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass das ihm vorausfahrende Fahrzeug r......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Bei einem Kettenauffahrunfall kommt ein Anscheinsbeweis im Verhältnis zwischen Auffahrendem und Vorausfahrendem für eine schuldhafte Verursachung des Heckaufpralls durch den letzten in der Kette auffahrenden Verkehrsteilnehmer nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass das ihm vorausfahrende Fahrzeug rechtzeitig hinter seinem Vordermann zum Stehen gekommen ist und nicht durch einen Aufprall auf das vorausfahrende Fahrzeug den Bremsweg des ihm folgenden Fahrzeugs verkürzt hat (OLG Hamm, Urteil vom 06.02.2014, 6 U 101/13 - juris; König, in: König/Hentschel/Dauer, a.a.O., § 4 StVO Rn. 36)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 27.11.2020 - 7 U 24/19
Gesamtschuldnerausgleich setzt voraus, dass regressierender Leistender auch leistungspflichtig wag
"Zutreffend geht das Landgericht im Ausgangspunkt davon aus, dass der Gesamtschuldnerausgleichsanspruch nach §§ 426, 840 Abs. 1 BGB zunächst einen eigenen Anspruch der Geschädigten gegen die Beklagte voraussetzt. Nur wenn ein solcher Anspruch besteht und ein Gesamtschuldverhältnis im Sinne des § 840......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Zutreffend geht das Landgericht im Ausgangspunkt davon aus, dass der Gesamtschuldnerausgleichsanspruch nach §§ 426, 840 Abs. 1 BGB zunächst einen eigenen Anspruch der Geschädigten gegen die Beklagte voraussetzt. Nur wenn ein solcher Anspruch besteht und ein Gesamtschuldverhältnis im Sinne des § 840 Abs. 1 BGB zwischen der Klägerin und der Beklagten anzunehmen ist, kann die Klägerin bei der Beklagten Rückgriff nehmen."
vgl. OLG Köln, Urteil vom 27.08.2024 - 3 U 81/23
kein Gesamtschuldverhältnis zwischen Kaskoversicherer und Schädiger
"Auf die vom Landgericht herangezogenen Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern (§§ 426 Abs. 1, 426 Abs. 2 iV.m. §§ 823 ff. BGB) kann dagegen vorliegend nicht abgestellt werden. Denn zwischen der Klägerin und dem Beklagten besteht im Verhältnis zur Fahrzeugeigentümerin und Versicherungsnehmerin......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Auf die vom Landgericht herangezogenen Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern (§§ 426 Abs. 1, 426 Abs. 2 iV.m. §§ 823 ff. BGB) kann dagegen vorliegend nicht abgestellt werden. Denn zwischen der Klägerin und dem Beklagten besteht im Verhältnis zur Fahrzeugeigentümerin und Versicherungsnehmerin kein Gesamtschuldverhältnis i.S.d. §§ 421 ff. BGB. Die - hier allein in Rede stehende - vertragliche Leistungspflicht der Klägerin aus dem Kaskoversicherungsvertrag steht nicht gleichstufig neben dem deliktischen Schadensersatzanspruch des Eigentümers gegen den Beklagten als Schädiger einer unerlaubten Handlung: der Beklagte haftet als Schädiger, der Versicherer ist aus dem mit der Eigentümerin geschlossenen Versicherungsvertrag einstandspflichtig (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 2009 - VII ZR 88/08, VersR 2009, 1130; Böttcher in: Erman, BGB 16. Aufl, § 421 Rn. 13). Auch ist die Klägerin ihrer Versicherungsnehmerin nicht neben dem Beklagten gemäß § 115 Abs. 1 VVG als Kraftfahrt-Haftpflichtversicherer zum Schadensersatz verpflichtet. Ein solcher Direktanspruch würde voraussetzen, dass die Versicherungsnehmerin als "Dritter" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen wäre und sich die Schadensersatzleistung darüber hinaus "im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis" bewegte (BGH, Urteil vom 25. Juni 2008 - IV ZR 313/06, VersR 2008, 1202). Auch wenn der Beklagte als Fahrer des Fahrzeugs - ohne Rücksicht auf seine diesbezügliche Berechtigung - zu den in der Kfz-Haftpflichtversicherung mitversicherten Personen zählte (vgl. A.1.2 Abs. 1 Buchstabe c) AKB; dazu Maier, in: Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung 19. Aufl., A1 AKB Rn. 148), wäre die Versicherungsnehmerin als Partei dieses Versicherungsvertrages hinsichtlich der ihr selbst entstandenen Sach- oder Vermögensschäden nicht zugleich "Dritter" im Sinne von § 115 Abs. 1 VVG. Denn nach dem Leistungsausschluss aus A.1.5.6 AKB besteht "kein Versicherungsschutz... für Sach- oder Vermögensschäden, die eine mitversicherte Person dem Versicherungsnehmer, dem Halter oder dem Eigentümer durch den Gebrauch des Fahrzeuges zufügt. Infolgedessen stehen dem Versicherungsnehmer keine Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu, die es erforderten, ihm auch den erweiterten Schutz eines Direktanspruchs zu gewähren. Zugleich verhindert der Leistungsausschluss, dass sich die vom Kläger erhobene Schadensersatzforderung noch im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis hält (BGH, Urteil vom 25. Juni 2008 - IV ZR 313/06, VersR 2008, 1202, zu § 11 Nr. 2 AKB a.F.)."
vgl. Saarländisches OLG, Urteil vom 09.09.2022 - 5 U 2/22