Allgemeines zur Abwägung der Verursachungsbeiträge
"ür den Umfang der Haftung dem Grunde nach kommt es gemäß der § 17 Abs. 1 und 2 StVG danach auf eine Abwägung der Verursachungsanteile an. Entscheidend ist insbesondere, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Dabei sind im Rahmen dieser Abwägung nur u......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"ür den Umfang der Haftung dem Grunde nach kommt es gemäß der § 17 Abs. 1 und 2 StVG danach auf eine Abwägung der Verursachungsanteile an. Entscheidend ist insbesondere, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Dabei sind im Rahmen dieser Abwägung nur unstreitige bzw. zugestandene oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deshalb außer Betracht zu bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2006, VI ZR 115/05, juris, Rn. 15; Urteil vom 13.02.1996, VI ZR 126/95, juris, Rn. 11; Urteil vom 10.01.1995, VI ZR 247/94, juris, Rn. 9 ff.; Senat, Urteil vom 23.02.2016, I-1 U 79/15, juris, Rn. 35; Urteil vom 11.10.2011, I-1 U 17/11, juris, Rn. 29; OLG Hamm, Urteil vom 18.11.2003, 27 U 87/03, juris, Rn. 7). Jeder Halter bzw. Schädiger hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er die nach der Abwägung für sich günstigen Rechtsfolgen herleiten will (BGH, Urteil vom 13.02.1996, VI ZR 126/95, juris, Rn. 11; Senat, Urteil vom 23.02.2016, I-1 U 79/15, juris, Rn. 35; Urteil vom 11.10.2011, I-1 U 17/11, juris, Rn. 29; OLG Hamm, Urteil vom 18.11.2003, 27 U 87/03, juris, Rn. 7)."
vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.09.2019 - 1 U 82/18
Haftungsabwägung nur bzgl. unfallkausaler Punkte
"1. Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung r......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"1. Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt hat. Die Abwägung ist aufgrund aller festgestellten, d.h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist hierbei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; ein Faktor bei der Abwägung ist dabei das beiderseitige Verschulden (vgl. Senatsurteile vom 17. Januar 2023 - VI ZR 203/22, NJW 2023, 1361 Rn. 29; vom 8. März 2022 - VI ZR 1308/20, NJW 2022, 1810 Rn. 8 mwN)."
vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2023 - VI ZR 287/22
nur kausale Verstöße sind in die Abwägung einzustellen
"Zutreffend hat das Landgericht einen Verstoß der Beklagten zu 1) gegen die Vorschrift des § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO wegen der Überschreitung der am Unfallort geltenden zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht in die Haftungsabwägung eingestellt, obwohl die Beklagte zu 1) nach dem Ergebnis der......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Zutreffend hat das Landgericht einen Verstoß der Beklagten zu 1) gegen die Vorschrift des § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO wegen der Überschreitung der am Unfallort geltenden zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht in die Haftungsabwägung eingestellt, obwohl die Beklagte zu 1) nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststellbar jedenfalls mit 54 km/h gefahren ist. Denn die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hat sich nicht unfallursächlich ausgewirkt."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 15.01.2019, Az. 7 U 38/18
überhöhte Geschwindigkeit ist unerheblich, wenn nicht unfallkausal
"Zwar ist der Kläger nach eigenen Angaben schneller als die an der Unfallörtlichkeit zugelassenen 50 km/h gefahren. Dieser Geschwindigkeitsverstoß gem. § 3 StVO kann jedoch in die Haftungsabwägung zu Lasten des Klägers nicht eingestellt werden, da er nach dem Sachverständigengutachten in der kritis......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Zwar ist der Kläger nach eigenen Angaben schneller als die an der Unfallörtlichkeit zugelassenen 50 km/h gefahren. Dieser Geschwindigkeitsverstoß gem. § 3 StVO kann jedoch in die Haftungsabwägung zu Lasten des Klägers nicht eingestellt werden, da er nach dem Sachverständigengutachten in der kritischen Situation nicht kausal für den Unfall geworden ist, der konkrete Unfall vielmehr auch bei Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht vermeidbar war."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 04.02.2014 - 9 U 149/13
Vorbeifahren an Bussen: 30 km/h erhöhen die Betriebsgefahr
"Dies war vorliegend der Fall. Bereits aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 StVO folgt, dass an haltenden Linienomnibussen nur vorsichtig vorbeizufahren ist. Dies intendiert die gesetzgeberische Wertung, welche beinhaltet, dass es sich dabei um ein Fahrmanöver handelt, aus welchem eine abstrakt erhöhte Gef......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Dies war vorliegend der Fall. Bereits aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 StVO folgt, dass an haltenden Linienomnibussen nur vorsichtig vorbeizufahren ist. Dies intendiert die gesetzgeberische Wertung, welche beinhaltet, dass es sich dabei um ein Fahrmanöver handelt, aus welchem eine abstrakt erhöhte Gefährlichkeit erwächst. Zu der dem Kraftfahrzeug ohnehin innewohnenden Betriebsgefahr von 20 % (st. Rspr. u.a. des Senats, vgl. etwa Urteil vom 15.05.2018 – 14 U 175/17 – juris, Urteil vom 27.09.2001 – 14 U 296/00 – juris) kommt insoweit ein weiterer gefahrträchtiger Umstand hinzu.
Dieser Umstand war auch erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden, ansonsten hätte er außer Ansatz bleiben müssen (vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 1995 - VI ZR 247/94, VersR 1995, 357 f.; vom 21. November 2006 - VI ZR 115/05, VersR 2007, 263 Rn. 15 m.w.N.; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 45. Aufl. 2019, § 17 StVG Rn. 5 f. m.w.N.), was eine erhöhte Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs in dieser konkreten Unfallsituation rechtfertigt.
Ausgehend von der gesetzgeberischen Wertung einer abstrakten Gefährdungssituation hat sich diese ausgewirkt, indem es zu einer Kollision zwischen dem vorbeifahrenden klägerischen Fahrzeug und dem Linienbus gekommen ist, der in den fließenden Verkehr einfahren wollte. Der Kläger ist insoweit mit den gutachterlich festgestellten 30 km/h zwar noch „vorsichtig“ im Sinne des § 20 Abs. 1 StVO gefahren, so dass ihm kein Verschulden zur Last gelegt werden kann. Er hatte mit dieser Geschwindigkeit aber dennoch die Obergrenze der vom Gesetzgeber geforderten vorsichtigen Fahrweise erreicht, was sich in der konkreten Situation gefahrerhöhend niedergeschlagen hat. Denn er konnte mit der gefahrenen Geschwindigkeit nicht mehr unfallvermeidend reagieren, als der Linienbus zum Einfahren in den fließenden Verkehr angesetzt hat, und ist seitlich in den Linienomnibus hineingefahren."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 10.11.2021 - 14 U 96/21
vorkolliosionäres Fehlerverhalten ist ohne dessen Unfallkausalität irrelevant
"Ein Mitverschulden des klägerischen Fahrers ist darüber hinaus nicht erkennbar. Dabei ist anzumerken, dass dabei nur solche Umstände berücksichtigt werden können, die unstreitig oder bewiesen sind und sich kausal auch im Unfall niedergeschlagen haben. Inwieweit sich ein etwaiges falsches Rechtsüber......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Ein Mitverschulden des klägerischen Fahrers ist darüber hinaus nicht erkennbar. Dabei ist anzumerken, dass dabei nur solche Umstände berücksichtigt werden können, die unstreitig oder bewiesen sind und sich kausal auch im Unfall niedergeschlagen haben. Inwieweit sich ein etwaiges falsches Rechtsüberholen von drei auf der mittleren Fahrspur fahrenden Fahrzeugen durch den klägerischen Fahrer kausal auf den Unfall ausgewirkt haben soll, wird durch die Beklagtenpartei weder dargelegt, noch erschließt sich dies dem Gericht. Soweit ferner durch die Beklagtenpartei vorgetragen wird, dass der klägerische Fahrer vorkollisionär selbst einen Fahrspurwechsel vorgenommen hätte, bleibt sie dabei auch den Nachweis schuldig, dass sich dies kausal auf den Unfall ausgewirkt hätte. Zum einen trägt die Beklagtenseite selbst nicht vor, dass der rückwärtige Raum durch den Beklagten zu 1) zu Beginn des Fahrspurwechsels überhaupt geprüft worden wäre. Darüber hinaus, stellte der Sachverständige fest, dass ein etwaiger Fahrspurwechsel deutlich vor dem Kollisionszeitpunkt bereits abgeschlossen gewesen sein müsste und das fahrende Kläger-Fahrzeug für den Beklagten zu 1) bei einer Rückschau vor Beginn des Fahrspurwechsels erkennbar gewesen wäre."
vgl. LG München I, Endurteil vom 30.09.2021 - 19 O 6974/20