Abwägung: 25% Haftung aus Betriebsgefahr, wenn Kind (10 Jahre, 2 Monate) auf Straße rennt
"aa) Hierzu wäre erforderlich gewesen, dass dem Kläger sein Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO in einer Weise vorzuwerfen ist, dass ihm objektiv und subjektiv ein erhebliches Verschulden zur Last fällt, welches die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges als völlig untergeordnet erscheinen lässt (vgl. hierz......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"aa) Hierzu wäre erforderlich gewesen, dass dem Kläger sein Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO in einer Weise vorzuwerfen ist, dass ihm objektiv und subjektiv ein erhebliches Verschulden zur Last fällt, welches die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges als völlig untergeordnet erscheinen lässt (vgl. hierzu BGH Beschl. v. 30.5.2006 - VI ZR 184/05, juris). Dies wäre etwa bei einem grob verkehrswidrigen Verhalten des Geschädigten anzunehmen (BGH Urt. v. 13.2.1990 - VI ZR 128/89, NJW 1990, 1483 = juris Rn. 20; aktuell dem folgend OLG Celle Urt. v. 11.10.2023 - 14 U 157/22, r+s 2024, 132 = juris Rn. 58 f.). Daran fehlt es, weil der Verkehrsverstoß des Klägers altersspezifisch nicht auch subjektiv als besonders vorwerfbar zu qualifizieren ist.
bb) Der Kläger steht mit zum Unfallzeitpunkt zehn Jahren und zwei Monaten an der unteren Grenze des Übergangs zwischen den gesetzlichen Haftungsprivilegierungen des § 828 Abs. 2 und Abs. 3 BGB bezogen auf das Lebensalter. Grundsätzlich sind, wie der Gesetzgeber mit dieser Wertung zum Ausdruck bringt, Kinder im Straßenverkehr größeren Anforderungen und Gefahren ausgesetzt als Erwachsene, im Gegensatz zu denen sie altersgemäße Defizite mit Blick auf die Integration in den Straßenverkehr und seine Gefahren haben (vgl. BGH Urt. v. 13.2.1990 - VI ZR 128/89, NJW 1990, 1483 = juris Rn. 22; OLG Celle Urt. v. 11.10.2023 - 14 U 157/22, r+s 2024, 132 = juris Rn. 59). Der Kläger befand sich zum Unfallzeitpunkt in dem Alter, in dem Kinder typischerweise trotz der Vermittlung der Grundregeln noch nicht sämtliche Risiken des Straßenverkehrs sicher in ihre Entscheidungen einstellen können (so auch OLG Celle Urt. v. 11.10.2023 - 14 U 157/22, r+s 2024, 132 = juris Rn. 60). So ist es schon altersgemäß und nicht ungewöhnlich, wenn ein gerade 10 Jahre alter Junge unter besonderen Umständen die Befolgung der Grundregel zur sicheren Beobachtung des Fahrzeugverkehrs beim Überqueren einer Straße zu Gunsten der Schlussfolgerung, dass ein Rückstau auf einer Fahrbahn sich nähernden Fahrzeugverkehr auf der anderen Fahrbahn sicher ausschließt, vernachlässigt. Dies gilt insbesondere - wie hier entsprechend den Angaben der Zeugin D (Berichterstattervermerk vom 25.06.2024 Seite 2 Abs. 9, eGA II-166, und Seite 3 Abs. 2, eGA II-167) und der Zeugin G (Berichterstattervermerk vom 25.06.2024 Seite 5 Abs. 2, eGA II-169) - , wenn er ausgelassen und (offensichtlich um die Wette) laufend mit einem Freund unterwegs ist und beide ein gemeinsames Ziel - wie hier wohl den im Bereich auf der gegenüberliegenden Seite der Straße befindlichen Supermarkt - haben. Die Situation vor dem Unfall war somit durch eine kindestypische Eigendynamik gekennzeichnet, die wiederum den Kläger zu einer impulsiven Handlung/Schlussfolgerung verleitet und eine Ablenkung von den Sorgfaltspflichten und der Aufmerksamkeit im Straßenverkehr zur Folge gehabt hat. Hierzu passt, dass nur der Zeuge A (erst) auf das Hupsignal des Zeugen E reagiert und angehalten hat. Gerade in einer solchen Situation realisiert sich gleichzeitig die von Kraftfahrzeugen gegenüber einem Kind als Verkehrsteilnehmer ausgehende Betriebsgefahr in typischer Weise, da regelmäßig - wie hier - technisch keine Möglichkeit besteht, auf derartige Impulshandlungen schadensausschließend zu reagieren."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25.06.2024 - 7 U 142/23
Fußgänger, die rücsichtslos auf Straße treten: 2/3 Eigenverschulden ggü. erhöhter Betriebsgefahr
"Insoweit hat sich der nach den obigen Ausführungen hier festzustellende Verkehrsverstoß des ursprünglichen Beklagten zu 1) - Überschreitung der zulässigen 70 km/h um mindestens 15 km/h oder Aufmerksamkeits-/Reaktionsverschulden - mithin auch ursächlich ausgewirkt. Die danach alternativ anzunehmende......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Insoweit hat sich der nach den obigen Ausführungen hier festzustellende Verkehrsverstoß des ursprünglichen Beklagten zu 1) - Überschreitung der zulässigen 70 km/h um mindestens 15 km/h oder Aufmerksamkeits-/Reaktionsverschulden - mithin auch ursächlich ausgewirkt. Die danach alternativ anzunehmenden, sich ursächlich auswirkenden Verkehrsverstöße des ursprünglichen Beklagten zu 1) sind aus Sicht des Senats schließlich vom Gewicht her als gleichwertig anzusehen.Soweit die Kläger geltend machen, im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung sei betriebsgefahrerhöhend zusätzlich zu berücksichtigen, dass der ursprüngliche Beklagte zu 1) im Hinblick auf § 3 Abs. 1 StVO unter den hier gegebenen Umständen noch langsamer als 70 km/h hätte fahren müssen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn auf Fußgänger, die - wie hier - ohne Beachtung des Fahrverkehrs unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO unvermittelt von der Seite auf die Fahrbahn treten, musste der ursprüngliche Beklagte zu 1) sein Fahrtempo ohne (hier mangels Aufklärbarkeit des konkreten Annäherungsverhaltens der Kläger nicht hinreichend sicher feststellbare) erkennbare besondere Anhaltspunkte nicht einstellen; insoweit ist das Sichtfahrgebot nicht einschlägig (vgl. dazu allgemein nur Hentschel/König, a.a.O., § 3 StVO, Rn. 25 und auch § 25, Rn. 23, 38 Geigel/Freymann, a.a.O., Kap. 27, Rn. 112 und auch 606 f.).cc.Bei der Abwägung der oben festgestellten beiderseitigen Verursachungsbeiträge wiegt der gravierende Verkehrsverstoß der Kläger, ohne den ein Unfall zudem gänzlich vermieden worden wäre, deutlich schwerer als die durch das o.g., sich auf die Schwere der Unfallfolgen ursächlich auswirkende Verschulden des ursprünglichen Beklagten zu 1) erhöhte Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs. Der Senat hält unter Berücksichtigung aller Umstände eine Haftungsquote der Beklagten von 1/3, also eine Mithaftungsquote der Kläger von jeweils 2/3 für angemessen."