"Die Beklagte hat im Unfallbereich, der unstreitig als Baustellenausfahrt diente, zwar das nach der Anordnung S. 5 o. Punkt 2 vorgeschriebene Verkehrszeichen 209 ("Rechts"), sowie das alternativ zulässige/gebotene Zeichen 205 ("Vorfahrt gewähren") angebracht. Beide Zeichen waren aber an der falschen Stelle positioniert.
aa) Nach den Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA 95; abrufbar z.B. unter http://www.stvzo.de/seminare/rsa/RSA_Inhalt.htm) gilt nach Teil A Nr. 2.2 Abs. 1 "Standort von Schildern": "Alle Verkehrsschilder sind grundsätzlich am rechten Fahrbahnrand aufzustellen." Gleiches schreibt VwV-StVO Zu den §§ 39 bis 43 unter III. 9 vor: "Verkehrszeichen sind gut sichtbar in etwa rechtem Winkel zur Fahrbahn rechts daneben anzubringen, ...". Die Geltung der RSA für die Verkehrssicherung ist in der Anordnung ausdrücklich vorgeschrieben (aaO S. 4 Abs. 2).
Die am selben Pfosten montierten Zeichen 209 ("Rechts") und 205 ("Vorfahrt gewähren") beziehen sich bzw. sollten sich auf den ausfahrenden Baustellenverkehr beziehen. Diesem sollte zum Einfahren auf die Fahrbahn der Autobahn signalisiert werden, dass nach zu gewährendem Vorrang des Autobahnverkehrs nur nach rechts in den Fahrstreifen der Autobahn eingefahren werden darf. Aus der maßgeblichen Sicht des Baustellenverkehrs wären diese beiden Verkehrszeichen deshalb am rechten Fahrbahnrand aufzustellen gewesen. Aus Sicht des ausfahrenden (Baustellen) Verkehrs hätten diese beiden Schilder damit also am rechten Rand der Öffnung in der Betonleitplanke aufgestellt werden müssen – und nicht wie geschehen am linken Rand der Aussparung.
Gemessen am Vorstehenden sind die nach Anordnung S. 5 o. Punkt 1 für Baustelleneinfahrten vorgeschriebenen Zeichen 250 "Verbot für Fahrzeuge aller Art" mit Zusatzzeichen VzKat 2018-30 "Baustellenfahrzeuge frei" als an den auf der Autobahn fahrenden Verkehr gerichtet korrekt aufgestellt, nämlich aus dessen Sicht am rechten Fahrbahnrand. Diese beiden Schilder waren jedoch durch die falsch aufgestellten Zeichen 209/205 ("Rechts" und "Vorfahrt gewähren") derart verdeckt, dass sie keine wirksame Gefahraufforderung an vorbeifahrenden Verkehr mehr bewirken konnten (dazu sogleich).
Anhaltspunkte dafür, dass die Autobahndirektion an der ganz konkreten Bau-/Unfallstelle ausdrücklich eine abweichende – nämlich die tatsächlich ausgeführte - Beschilderung vorgegeben hätte, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Die von der Beklagten vorgelegten Beschilderungspläne zeigen die konkrete Baustellenausfahrt nicht (vgl. auch Angabe des Sachverständigen B, Protokoll v. 02.03.2017 S. 4 o.; Gerichtsakte S. 141). Den Parteien war mit Verfügung vom 14.12.2016 (Gerichtsakte S. 121) unter Fristsetzung aufgegeben worden, die vollständige Anordnung vorzulegen. Im Gegenteil zeigen gerade auch die tatsächlich vorliegenden Beschilderungspläne vergleichbarer Baustellenausfahrten (Anhang zu Anlage B 1), dass die "Stop-Schilder", die sich ja an den ausfahrenden Baustellenverkehr richten, rechts der "Baustellenstraße" anzubringen sind, also letztlich neben der Autobahn. Dass dies nicht möglich gewesen sein sollte, wie die Beklagte behauptet, ist schlicht nicht nachvollziehbar - so ist etwa auf dem Dashcam-Video bei 00:13:26 ein Zeichen 205 ("Vorfahrt gewähren") korrekt am äußersten rechten Fahrbahnrand aufgestellt. Das beklagtenseits hierzu angebotene Sachverständigengutachten ist schon kein geeignetes Beweismittel, da es für diese Erkenntnis keiner besonderen Sachkunde bedarf. Die Kammer kann verstehen, dass eine Beschilderung – wie vorgeschrieben – rechts der "Baustellenstraße" ggf. mit mehr Aufwand für die Beklagte verbunden gewesen wäre, da sich die Gegebenheiten im unmittelbaren Baustellenbereich durchaus häufig geändert haben dürften. Dass dies aber keine Rechtfertigung vom Abweichen der ausdrücklichen Vorgabe der Anordnung und damit der RSV und StVO-VV ist, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Zudem hätte die Beklagte, wenn durch ihre Mitarbeiter bei Durchführung der Anordnung Mängel erkannt worden wären, bei der Autobahndirektion auf Abhilfe hinzuwirken gehabt (BGH, Urteil vom 25.04.1989 – VI ZR 146/88, VersR 1989, 730).
bb) Hinzu kommt, dass die Zeichen 250 "Verbot für Fahrzeuge aller Art" mit Zusatzzeichen VzKat 2018-30 "Baustellenfahrzeuge frei" ebenfalls fehlerhaft positioniert waren.
Nach RSA 95 Teil A Nr. 2.0 Abs. 3 gilt: "Auch in Arbeitsstellen gilt, dass Verkehrszeichen gut sichtbar, ... aufgestellt werden müssen." VwV-StVO Zu den §§ 39 bis 43 unter III. 10 besagt: "Es ist darauf zu achten, dass Verkehrszeichen ... insbesondere auch nicht die Sicht auf andere Verkehrszeichen ... verdecken". Ausweislich der vorliegenden Fotos (Anlage K 1 und K 11) waren die Zeichen 250/2018-30 ("Verbot für Fahrzeuge aller Art" und "Baustellenfahrzeuge frei") an einem weiteren Pfosten in einem Abstand von maximal zwei bis drei Metern hinter den Zeichen 209/205 ("Rechts" und "Vorfahrt gewähren") montiert. Hingegen sind auf dem Video bei 00:13:32 dieselben Zeichen 250/2018-30 ("Verbot für Fahrzeuge aller Art" und "Baustellenfahrzeuge frei") bei einer der streitgegenständlichen Öffnung in der Betonleitplanke ähnlichen Baustellenaus/einfahrt derart aufgestellt, dass sie bereits von weitem erkennbar sind.
Es bedarf an sich keiner sachverständigen Beratung, um festzustellen, dass dieser Abstand im Bereich einer Autobahnbaustelle, in dem unstreitig eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h ausgeschildert war, mit Händen greifbar zu gering bemessen ist: Aus dem Foto K 1 lässt sich – anhand der Länge der Mittelstreifenmarkierungen (6 Meter) bzw. der Lücken dazwischen (12 Meter) - jedenfalls grob abschätzen, dass in einer Entfernung von maximal ca. 40 Metern die Zeichen 250/2018-30 ("Verbot für Fahrzeuge aller Art" und "Baustellenfahrzeuge frei") noch praktisch vollständig von den Zeichen 209/205 ("Rechts" und "Vorfahrt gewähren") verdeckt sind. Erst aus einer Entfernung von maximal ca. 20 Metern ist der Blick auf die "hinteren" Zeichen 250/2018-30 ("Verbot für Fahrzeuge aller Art" und "Baustellenfahrzeuge frei") vollständig freigegeben. Da bei zulässigen 80 km/h ein Fahrzeug ca. 22 Meter pro Sekunde zurücklegt, muss nicht weiter nachgerechnet werden, um festzustellen, dass nach Berücksichtigung einer Reaktionszeit nach "Auftauchen" der vollständigen Beschilderung ein vernünftiges Verarbeiten deren Informationsgehaltes keinesfalls gewährleistet ist. Dies umso mehr, als Warnschilder so aufgestellt werden müssen, dass sie es selbst einem sorgfältigen Kraftfahrer ermöglichen, auch bei schneller Fahrt durch einen beiläufigen Blick die volle Gefahr eindeutig und so rechtzeitig zu erfassen, dass er seine Fahrweise darauf einstellen kann (BGH, Urt. v. 07.01.1960 - III ZR 58/59, VersR 1960, 237, 238).
Lediglich klarstellend kann deshalb auf die Berechnungen des Sachverständigen B hingewiesen werden, die dieser nach Auswertung der Dashcam-Aufnahme vorgenommen hat: Demnach sind die Zeichen 250/2018-30 ("Verbot für Fahrzeuge aller Art" und "Baustellenfahrzeuge frei") bei gefahrenen 80 km/h ca. 1,1 Sekunden vor Erreichen der Schilder vollständig zu erkennen. Dass die Zeichen 250/2018-30 damit eben nicht "gut sichtbar" sind und die Zeichen 209/205 ("Rechts" und "Vorfahrt gewähren") "die Sicht auf andere Verkehrszeichen ... verdecken", bedarf keiner eingehenderen Erörterung." |