Einbieger muss stets mit (auch regelwidrig) überholenden Verkehrsteilnehmern rechnen
"Die Beklagte Zf. 1 hat schuldhaft gegen § 10 StVO verstoßen, der höchste Sorgfaltspflichten begründet. Sie bog aus einem Parkplatzgrundstück über einen abgesenkten Bordstein nach links in die Straße ein, durch eine Lücke in einer Kolonne hindurch, die ihr die erforderliche Sicht nach links genomm......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Beklagte Zf. 1 hat schuldhaft gegen § 10 StVO verstoßen, der höchste Sorgfaltspflichten begründet. Sie bog aus einem Parkplatzgrundstück über einen abgesenkten Bordstein nach links in die Straße ein, durch eine Lücke in einer Kolonne hindurch, die ihr die erforderliche Sicht nach links genommen hat. Sie hat sich auch nicht etwa einweisen lassen. Zugleich hat sie gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot verstoßen. Wer durch eine Kolonnenlücke einbiegt, muss mit überholendem Verkehr, auch regelwidrig Kolonnen auf der Gegenfahrbahn überholenden Verkehr rechnen (KG Berlin, 12 U 1032/95, Urteil v. 4.3.1996). Korrekt wäre allenfalls ein zentimeterweises Hineintasten gewesen, durch das Kollisionen vermieden werden können (KG Berlin a.a.O.)"
vgl. LG Tübingen, Urteil vom 10.12.2013 - 5 O 80/13
situationsbedingte Betriebsgefahr: Kolonnenfahren
"Besondere Betriebsgefahr ist hierbei die Gesamtheit der Umstände, welche in der konkreten Verkehrssituation zur allgemeinen, die Gefährdungshaftung auslösenden Betriebsgefahr hinzutreten und die Gefahr einer Schadensverursachung erhöhen (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.1995 - VI ZR 247/94, NJW 1995, 1029,......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Besondere Betriebsgefahr ist hierbei die Gesamtheit der Umstände, welche in der konkreten Verkehrssituation zur allgemeinen, die Gefährdungshaftung auslösenden Betriebsgefahr hinzutreten und die Gefahr einer Schadensverursachung erhöhen (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.1995 - VI ZR 247/94, NJW 1995, 1029, beckonline), so dass hierdurch die allgemeine Betriebsgefahr erhöht wird, ohne dass bereits Verschuldensmomente hinzukommen. Die besondere Betriebsgefahr ist stets situationsbezogen (so auch Berz/Burmann StraßenverkehrsR-HdB, 4. A. Allgemeines Rn. 126, beckonline).
Situationsbezogen ergab sich jedenfalls, also ungeachtet eines eigenen Verkehrsverstoßes der Fahrerin, für das klägerische Fahrzeug eine besondere Betriebsgefahr. Bei der von der Gesellschafterin der Klägerin nach ihren Angaben gefahrenen (und unterstellt zulässigen) Geschwindigkeit im Bereich von 40 bis 45 km/h im innerstädtischen Kolonnenverkehr traf sie - auch bei (hier unterstellt) verkehrsangepasstem Verhalten - das in diesem Fall jedenfalls bei der streitgegenständlichen Kollision kausal gewordene Risiko einer Bremswegverkürzung infolge einer Unaufmerksamkeit des plötzlich vollbremsenden und/oder mit dem Vordermann kollidierenden Vorausfahrenden. Dieses dem Kolonnenverkehr immanente Risiko hat jedenfalls - insbesondere wenn der Blick auf den weiteren Verkehrsfluss voraus beeinträchtigt war - die Gefahr einer Schadensverursachung erhöht."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 27.11.2020 - 7 U 24/19
Unfall zwischen PKW und Fußgänger: § 254 BGB möglich
"2. Die Haftung der Beklagten für die unfallbedingten materiellen und immateriellen Schäden aus § 7 Abs. 1 StVG ist eröffnet, weil der Kläger beim Betrieb des von der Beklagten gehaltenen Fahrzeugs schwerst verletzt wurde und die Beklagte den Beweis der Verursachung durch höhere Gewalt gemäß § 7 ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"2. Die Haftung der Beklagten für die unfallbedingten materiellen und immateriellen Schäden aus § 7 Abs. 1 StVG ist eröffnet, weil der Kläger beim Betrieb des von der Beklagten gehaltenen Fahrzeugs schwerst verletzt wurde und die Beklagte den Beweis der Verursachung durch höhere Gewalt gemäß § 7 Abs. 2 StVG nicht führen kann. Da der Kläger weder Halter noch Führer eines beteiligten Fahrzeuges war, kommt eine Anspruchskürzung nach § 17 StVG nicht in Betracht (vgl. nur BGH Urt. v. 4.4.2023 - VI ZR 11/21, r+s 2023, 455 Rn. 9). Der Kläger hat sich allerdings als Fußgänger beim Überqueren der Fahrbahn verkehrswidrig verhalten und dadurch die im Vordergrund stehende Schadensursache gesetzt. Das führt im Rahmen der Abwägung nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB zu einer Reduzierung der grundsätzlich vollen Haftung der Beklagten auf 25%."