"(bb) Die Verwertung des Dashcam-Videos war als Beweismittel auch zulässig.
(1) Keine Partei - insbesondere nicht der Kläger - hat der Verwertung der Dashcam-Videos widersprochen.
(2) Es kann auch dahinstehen, ob die streitgegenständliche Videoaufzeichnungen nach den geltenden datenschutzrechtlic......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"(bb) Die Verwertung des Dashcam-Videos war als Beweismittel auch zulässig.
(1) Keine Partei - insbesondere nicht der Kläger - hat der Verwertung der Dashcam-Videos widersprochen.
(2) Es kann auch dahinstehen, ob die streitgegenständliche Videoaufzeichnungen nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen unzulässig sind Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre ihre Verwertung als Beweismittel dennoch zulässig. Das ergibt sich aus einer vorzunehmenden Güterabwägung (ausführlich BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 - VI ZR 233/17 -, BGHZ 218, 348-377, Rn. 39, juris).
(a) Auf der einen Seite stehen das Interesse des (Gegen-)Beweisführers - hier des Beklagten zu 1) - an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche un seines im Grundgesetz verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege und an einer materiell richtigen Entscheidung nach freier Beweiswürdigung. Auf der anderen Seite steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung (BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 - VI ZR 233/17 -, BGHZ 218, 348-377, Rn. 40 m.w.N., juris).
(b) Zwar begründet die Dashcam-Aufnahme, durch die das Fahrzeug des Klägers mit dessen Kraftfahrzeugkennzeichen in und kurz nach der Unfallsituation aufgenommen und diese Sequenz abgespeichert worden ist, einen Eingriff in das Recht des Klägers, der durch die Nutzung als Beweismittel fortgesetzt wird (BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 - VI ZR 233/17 -, BGHZ 218, 348-377, Rn. 41 f., juris).
(c) Der Eingriff ist allerdings nicht rechtswidrig, da die schutzwürdigen Belange des Beklagten zu 1) das Schutzinteresse des Klägers überwiegen. In der Rechtsprechung sind wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts, dessen Reichweite nicht absolut feststeht, Abwägungskriterien u.a. nach Maßgabe einer abgestuften Schutzwürdigkeit bestimmter Sphären, in denen sich die Persönlichkeit verwirklicht, herausgearbeitet worden. Danach genießen besonders hohen Schutz die sogenannten sensitiven Daten, die der Intim- und Geheimsphäre zuzuordnen sind. Geschützt ist aber auch das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten, die lediglich zur Sozial- und Privatsphäre gehören. Allerdings hat der Einzelne keine absolute, uneingeschränkte Herrschaft über "seine" Daten; denn er entfaltet seine Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft. In dieser stellt die Information, auch soweit sie personenbezogen ist, einen Teil der sozialen Realität dar, der nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Vielmehr ist über die Spannungslage zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit der Person zu entscheiden (BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 - VI ZR 233/17 -, BGHZ 218, 348-377, Rn. 44 m.w.N.).
(d) Bei der gebotenen Abwägung ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen ist. Aufgezeichnet wurde ein Unfallgeschehen unter Beteiligung seines Kraftfahrzeugs. Das Geschehen ereignete sich im öffentlichen Straßenraum, in den er sich freiwillig begeben hat. Er hat sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt. Rechnung zu tragen ist zudem der häufigen besonderen Beweisnot, die der Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens geschuldet ist. Wenn überhaupt Zeugen vorhanden sind, ist der Beweiswert ihrer Aussagen angesichts der Flüchtigkeit des Unfallgeschehens und der Gefahr von Rekonstruktions- und Solidarisierungstendenzen regelmäßig gering; unfallanalytische Gutachten setzen verlässliche Anknüpfungstatsachen voraus, an denen es häufig fehlt. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Aufnahmen auch Feststellungen zum Fahrverhalten des Aufzeichnenden erlauben und grundsätzlich auch zu Gunsten des Beweisgegners sprechen und verwertet werden können.
Der mögliche Eingriff in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte anderer Verkehrsteilnehmer, Fußgänger, Radfahrer oder anderer Kraftfahrer bzw. Insassen führt nicht zu einer anderen Gewichtung. Zwar besteht durch permanent und anlasslos aufzeichnende Videokameras in zahlreichen Privatfahrzeugen für das informationelle Selbstbestimmungsrecht der übrigen Verkehrsteilnehmer ein Gefährdungspotential, da durch die bestehenden Möglichkeiten von Gesichtserkennungssoftware, Weiterleitung und Zusammenführung der Daten zahlreicher Aufzeichnungsgeräte nicht auszuschließen ist, dass letztlich Bewegungsprofile individueller Personen erstellt werden könnten. Dem ist jedoch nicht durch Beweisverwertungsverbote im Zivilprozess zu begegnen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Möglichkeit einer Beweisverwertung Anreize für die Nutzung von Dashcams setzen kann, doch ist ihr Gefahrenpotential nicht im Zivilprozess einzugrenzen oder (zusätzlich) zu sanktionieren. Deshalb ist es für die Frage der Verwertbarkeit des Beweismittels nicht von Bedeutung, dass der Teil der Aufzeichnung, der nicht im Prozess vorgelegt worden oder für die Unfallrekonstruktion nicht erheblich ist, möglicherweise zu Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dritter Personen führt.
Dem danach nicht so schwerwiegenden Eingriff in das Recht des Klägers steht nicht nur ein "schlichtes" Beweisinteresse gegenüber. Denn jedes Beweisverwertungsverbot beeinträchtigt nicht nur die im Rahmen der Zivilprozessordnung grundsätzlich eröffnete Möglichkeit der Wahrheitserforschung und damit die Durchsetzung der Gerechtigkeit und die Gewährleistung einer funktionstüchtigen Zivilrechtspflege, sondern auch durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechte der auf Durchsetzung ihres Anspruchs klagenden Parteien. Es besteht auch ein individuelles Interesse der Partei eines Zivilprozesses an der Findung der materiellen Wahrheit bis hin zur Abwehr eines möglichen Prozessbetruges (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 - VI ZR 233/17 -, BGHZ 218, 348-377, Rn. 43 ff. m.w.N., juris).
(e) In der Konsequenz war die Verwertung der Dashcam-Aufzeichnungen hier zulässig. Dabei war im konkreten Einzelfall zusätzlich zu berücksichtigen, dass dem Beklagten zu 1) hier insbesondere auch keine anderen Beweismittel zur Verfügung standen, um den Gegenbeweis zu führen und seine (vollständige oder quotale) Haftung zu widerlegen, wohingegen der Kläger mit dem Zeugen I. über ein Beweismittel verfügte."
vgl. LG Aachen, Urteil vom 06.07.2023 - 12 O 398/22
Dashcamaufnahmen sind - auch bei Datenschutzverstößen - grundsätzlich zulässiges Beweismittel
"bb) Der Eingriff ist jedoch nicht rechtswidrig, da die schutzwürdigen Belange des Klägers das Schutzinteresse der Beklagten überwiegen.
In der Rechtsprechung sind wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts, dessen Reichweite nicht absolut feststeht, Abw......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"bb) Der Eingriff ist jedoch nicht rechtswidrig, da die schutzwürdigen Belange des Klägers das Schutzinteresse der Beklagten überwiegen.
In der Rechtsprechung sind wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts, dessen Reichweite nicht absolut feststeht, Abwägungskriterien u.a. nach Maßgabe einer abgestuften Schutzwürdigkeit bestimmter Sphären, in denen sich die Persönlichkeit verwirklicht, herausgearbeitet worden. Danach genießen besonders hohen Schutz die sogenannten sensitiven Daten, die der Intim- und Geheimsphäre zuzuordnen sind. Geschützt ist aber auch das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten, die lediglich zur Sozial- und Privatsphäre gehören. Allerdings hat der Einzelne keine absolute, uneingeschränkte Herrschaft über "seine" Daten; denn er entfaltet seine Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft. In dieser stellt die Information, auch soweit sie personenbezogen ist, einen Teil der sozialen Realität dar, der nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Vielmehr ist über die Spannungslage zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit der Person zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 2009 - VI ZR 196/08, BGHZ 181, 328 Rn. 31).
(1) Bei der gebotenen Abwägung ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 1 lediglich in seiner Sozialsphäre betroffen ist. Aufgezeichnet wurde ein Unfallgeschehen unter Beteiligung seines Kraftfahrzeugs. Das Geschehen ereignete sich im öffentlichen Straßenraum, in den er sich freiwillig begeben hat. Er hat sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt (vgl. BVerfG, NJW 2011, 2783 Rn. 17; vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1994 - I ZR 326/91, NJW 1994, 2289, 2292 f.). Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind.
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Erstellung von Videoaufnahmen eines Mopedfahrers im Straßenverkehr und ihre Benutzung als Beweismittel vor Gericht nicht als Verletzung von Art. 8 EMRK eingeordnet (EGMR, NJW 2015, 1079).
(2) Rechnung zu tragen ist zudem der häufigen besonderen Beweisnot, die der Schnelligkeit des Verkehrsgeschehens geschuldet ist. Wenn überhaupt Zeugen vorhanden sind, ist der Beweiswert ihrer Aussagen angesichts der Flüchtigkeit des Unfallgeschehens und der Gefahr von Rekonstruktions- und Solidarisierungstendenzen regelmäßig gering; unfallanalytische Gutachten setzen verlässliche Anknüpfungstatsachen voraus, an denen es häufig fehlt (vgl. dazu nur Greger, NZV 2015, 114, 116; Bachmeier, DAR 2014, 15, 17).
Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Aufnahmen auch Feststellungen zum Fahrverhalten des Aufzeichnenden erlauben und grundsätzlich auch zu Gunsten des Beweisgegners sprechen und verwertet werden können (vgl. AG München, NJW-RR 2014, 413 ff.).
(3) Im Vergleich zu den höchstrichterlichen Entscheidungen zu Beweisverwertungsverboten bei heimlichem Belauschen von Gesprächen bestehen maßgebliche Unterschiede im Tatsächlichen. Im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht hat es eine andere grundrechtliche Dimension, in das Recht am gesprochenen Wort durch heimliches Belauschen einzugreifen, als eine Kollision im öffentlichen Straßenverkehr aufzuzeichnen, die eine Identifizierung des Unfallgegners, zumindest des Halters des beteiligten Fahrzeuges, und eine weitgehende Rekonstruktion seines Verhaltens im Verkehr ermöglicht.
(...)"
vgl. BGH, Urteil vom 15.05.2018 - VI ZR 233/17
Nutzung von Dashcamaufnahmen zivilprozessual zulässig
"Lediglich ergänzend sei deshalb angemerkt, dass die Kammer gegen die Verwertung der Dashcam-Aufnahme im Streitfall keinerlei Bedenken hätte. Dabei wäre als maßgebliches Argument zu sehen, dass eine Beeinträchtigung von (Persönlichkeits-)Rechten der Beklagten in keiner Weise erkennbar ist (vgl. LG F......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Lediglich ergänzend sei deshalb angemerkt, dass die Kammer gegen die Verwertung der Dashcam-Aufnahme im Streitfall keinerlei Bedenken hätte. Dabei wäre als maßgebliches Argument zu sehen, dass eine Beeinträchtigung von (Persönlichkeits-)Rechten der Beklagten in keiner Weise erkennbar ist (vgl. LG Frankenthal, Urteil vom 30.12.2015 – 4 O 358/15, BeckRS 2016, 9839). Auf der Videoaufnahme sind lediglich die Hecklichter von nicht zu identifizierenden Fahrzeugen bei Nacht zu erkennen – sowie die Betonleitplanke und die Baustelle und deren Beschilderung. Soweit der Beklagtenvertreter darauf hinweist, dass in diesem Zusammenhang die Betroffenheit in eigenen Rechten keine Rolle spiele, vermag das die Kammer nicht zu überzeugen. Wenn es den Parteien im Zivilprozess z.B. freisteht, unzulässige Beweismittel entgegen dem Willen des unmittelbar von einem Beweisverwertungsverbot "Betroffenen" durch rügeloses Verhandeln verwertbar zu "machen" (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.1984 – III ZR 93/82, NJW 1985, 1158), kann es nicht ohne Bedeutung sein, wenn ein eigenes Recht der Partei durch die Verwertung einer Videoaufnahme in keinster Weise berührt ist. In einem solchen Fall könnte die gebotene Rechtsgüterabwägung (vgl. dazu nur LG München I, Beschluss vom 14.10.2016 – 17 S 6473/16, juris) nur zugunsten des Geschädigten ausfallen.
"
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 08.06.2017 - 2 S 5570/15
Verwertung von Dashcamaufnahmen ist zulässig
"Eine Verwertung dieser Aufzeichnungen wäre indes zulässig gewesen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher sich die Kammer anschließt, stellen Dashcam-Aufzeichnungen zulässige Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess dar, selbst wenn die jeweilige Aufzeichnung nicht den dat......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Eine Verwertung dieser Aufzeichnungen wäre indes zulässig gewesen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, welcher sich die Kammer anschließt, stellen Dashcam-Aufzeichnungen zulässige Beweismittel im Unfallhaftpflichtprozess dar, selbst wenn die jeweilige Aufzeichnung nicht den datenschutzrechtlichen Anforderungen entsprach. Im Rahmen einer Güterabwägung ist dem Interesse des Geschädigten an einer Sachverhaltsaufklärung angesichts ansonsten bestehender Beweislosigkeit der Vorrang gegenüber dem Datenschutzrecht einzuräumen (H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 2. Aufl., § 371 ZPO (Stand: 20.02.2024), Rn. 50; vgl. auch Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 13. Oktober 2022 - 4 U 111/21 -, Rn. 45 f., juris). Das Gericht kann im Rahmen seines Ermessens von Amts wegen die Vorlage der Dashcam-Aufnahme gemäß § 144 ZPO anordnen (H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 2, 2. Aufl., § 371 ZPO (Stand: 20.02.2024), Rn. 50)."
vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 13.06.2024, Az. 13 S 85/23