60% Eigenverschulden bei Überfahren einer Fahrbahnbegrenzung im (verkehrssicherungswidrig beschildertem) Baustellenbereich
"Die Klägerin muss sich jedoch nach § 254 Abs. 1 BGB die durch ein Mitverschulden ihrer Fahrerin erhöhte Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs entgegenhalten lassen (vgl. Staudinger/Schiemann, (2017) BGB § 254 Rn. 112, 116). Diese führt zu einer Mithaftung der Klägerin von 60%.
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1. Die Fahre......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Klägerin muss sich jedoch nach § 254 Abs. 1 BGB die durch ein Mitverschulden ihrer Fahrerin erhöhte Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs entgegenhalten lassen (vgl. Staudinger/Schiemann, (2017) BGB § 254 Rn. 112, 116). Diese führt zu einer Mithaftung der Klägerin von 60%.
1. Die Fahrerin des Klägerfahrzeugs hat infolge Unachtsamkeit die als StVO-Zeichen 295 angebrachte Fahrbahnbegrenzung überfahren.
Aus dem vorgelegten Foto K 11 ist zu ersehen, dass - wie von der Anordnung S. 4 u. gefordert – die Baustellenausfahrt mit einer 30 cm breiten Randmarkierung vom öffentlichen Verkehr abgegrenzt war. Damit durfte diese Markierung als Fahrbahnbegrenzung i.S.d. StVO-Zeichens 295 von der Fahrerin des Klägerfahrzeugs – wie aber unstreitig geschehen - nicht überfahren werden. Die gelbe Randmarkierung war bei gehöriger Sorgfalt ohne Weiteres zu erkennen; dies lässt sich bereits den verwertbaren Fotos (s.o.) entnehmen. Dass die Fahrerin des Klägerfahrzeugs durch das vor ihr fahrende und ebenfalls die Randmarkierung überfahrende Fahrzeug "mitgezogen" wurde, kann die Unaufmerksamkeit nicht entschuldigen. Jeder Fahrzeugführer ist für die Einhaltung der Verkehrsregelung selbst verantwortlich."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 08.06.2017 - 2 S 5570/15
Abzug Neu für Alt (hier ja): Befestigungsmast eines Verkehrszeichens
"Der Sachverständige P. hat in seinem Gutachten dargelegt, dass es sich bei dem beschädigten Wegweiser um ein vertikales Verkehrszeichen in Form eines Tabellenwegweisers in kompakter Bauform gemäß Z 434-50 StVO, einen Stahlmast mit Fußplatte und vier Befestigungsschrauben samt Betonfundament handelt........" [vollständiges Zitat anzeigen]
"Der Sachverständige P. hat in seinem Gutachten dargelegt, dass es sich bei dem beschädigten Wegweiser um ein vertikales Verkehrszeichen in Form eines Tabellenwegweisers in kompakter Bauform gemäß Z 434-50 StVO, einen Stahlmast mit Fußplatte und vier Befestigungsschrauben samt Betonfundament handelt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, die technisch nachvollziehbar und belastbar waren und die sich das Gericht insoweit vollständig zu eigen macht, unterliegt auch ein Wegweisungssystem, wie im vorliegenden Fall, mit seinen Komponenten einem Alterungsprozess.
(...)
Für den Befestigungsmast kommt er zu dem Schluss, dass insoweit von einer durchschnittlichen Lebensdauer von 40 Jahren auszugehen sei."
vgl. AG Rheinbach, Urteil vom 13.04.2016 - 26 C 24/15
Abzug Neu für Alt (hier ja): Betonfundament des Mastes eines Verkehrszeichens (70 Jahre Lebenserwartung)
"Der Sachverständige P. hat in seinem Gutachten dargelegt, dass es sich bei dem beschädigten Wegweiser um ein vertikales Verkehrszeichen in Form eines Tabellenwegweisers in kompakter Bauform gemäß Z 434-50 StVO, einen Stahlmast mit Fußplatte und vier Befestigungsschrauben samt Betonfundament handelt........" [vollständiges Zitat anzeigen]
"Der Sachverständige P. hat in seinem Gutachten dargelegt, dass es sich bei dem beschädigten Wegweiser um ein vertikales Verkehrszeichen in Form eines Tabellenwegweisers in kompakter Bauform gemäß Z 434-50 StVO, einen Stahlmast mit Fußplatte und vier Befestigungsschrauben samt Betonfundament handelt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, die technisch nachvollziehbar und belastbar waren und die sich das Gericht insoweit vollständig zu eigen macht, unterliegt auch ein Wegweisungssystem, wie im vorliegenden Fall, mit seinen Komponenten einem Alterungsprozess.
(...)
Bezüglich des Betonfundaments kommt der Sachverständige zu einer mittleren Lebenserwartung von 70 Jahren."
vgl. AG Rheinbach, Urteil vom 13.04.2016 - 26 C 24/15
Abzug Neu für Alt (ja): Verkehrsschilder sind nämlich gemäß § 45 Abs. 5 StVO zu warten
"Soweit der Kläger noch ausgeführt hat, dass ein Abzug neufüralt vorliegend nicht vorzunehmen sei, weil kein Gebrauchtmarkt für Verkehrsschilder existiere, so ist dies vor dem Hintergrund der oben stehenden Ausführungen nicht relevant. Entscheidend ist vorliegend nicht ob ein Gebrauchtmarkt existiert......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Soweit der Kläger noch ausgeführt hat, dass ein Abzug neufüralt vorliegend nicht vorzunehmen sei, weil kein Gebrauchtmarkt für Verkehrsschilder existiere, so ist dies vor dem Hintergrund der oben stehenden Ausführungen nicht relevant. Entscheidend ist vorliegend nicht ob ein Gebrauchtmarkt existiert, sondern ob es auf Seiten des Klägers zu einer messbaren Vermögensmehrung gekommen ist, was vorliegend der Fall ist.
Soweit der Kläger noch ausgeführt hat, dass ein regelmäßiger Austausch nicht vorgenommen werde und nicht vorgenommen müsse, so kann dem nicht gefolgt werden, da sich insoweit aus § 45 Abs. 5 StVO ergibt, das zur Beschaffung, Anbringung, Unterhaltung und Entfernung der Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen und zu deren Betrieb einschließlich ihrer Beleuchtung der Baulastträger verpflichtet ist, sonst der Eigentümer der Straße. Allein hieraus ergibt sich, dass eine Unterhaltung und Überwachung von Verkehrszeichen stattzufinden hat. Der Begriff "Unterhaltung" umfasst dabei nach Ansicht des Gerichts auch einen gegebenenfalls notwendigen Austausch. Nur weil ein solcher tatsächlich nicht erfolgt, obgleich er aufgrund des konkreten Zustands zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Schildes notwendig wäre, kann dies nicht dazu führen, dass der Kläger im Ergebnis besser gestellt ist, als wenn er dieser Verpflichtung regelmäßig nachkommen würde."
vgl. AG Rheinbach, Urteil vom 13.04.2016 - 26 C 24/15
Abzug Neu für Alt (ja): Verkehrszeichen selbst (insb. Schilderfolie)
"Der Sachverständige P. hat in seinem Gutachten dargelegt, dass es sich bei dem beschädigten Wegweiser um ein vertikales Verkehrszeichen in Form eines Tabellenwegweisers in kompakter Bauform gemäß Z 434-50 StVO, einen Stahlmast mit Fußplatte und vier Befestigungsschrauben samt Betonfundament handelt........" [vollständiges Zitat anzeigen]
"Der Sachverständige P. hat in seinem Gutachten dargelegt, dass es sich bei dem beschädigten Wegweiser um ein vertikales Verkehrszeichen in Form eines Tabellenwegweisers in kompakter Bauform gemäß Z 434-50 StVO, einen Stahlmast mit Fußplatte und vier Befestigungsschrauben samt Betonfundament handelt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, die technisch nachvollziehbar und belastbar waren und die sich das Gericht insoweit vollständig zu eigen macht, unterliegt auch ein Wegweisungssystem, wie im vorliegenden Fall, mit seinen Komponenten einem Alterungsprozess.
(...)
Der Sachverständige kommt vielmehr zu dem Schluss, dass für das Verkehrszeichen selbst wohl eine, aus gutachterlicher Sicht, durchschnittliche Lebensdauer von ca. 20 Jahren praxisgerecht sei."
vgl. AG Rheinbach, Urteil vom 13.04.2016 - 26 C 24/15
Allgemeine Straßenkontrollen sind keine Baustellenkontrollen
"cc) Die Beklagte kann sich nicht damit entlasten, dass sie die allgemeinen, turnusmäßig durchzuführenden Straßenkontrollen hat durchführen lassen. Diese beziehen sich zum einen lediglich auf den Zustand der Straßen und erstrecken sich nicht auf die Frage, ob beauftragte Firmen ihrer Pflicht zur Abs......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"cc) Die Beklagte kann sich nicht damit entlasten, dass sie die allgemeinen, turnusmäßig durchzuführenden Straßenkontrollen hat durchführen lassen. Diese beziehen sich zum einen lediglich auf den Zustand der Straßen und erstrecken sich nicht auf die Frage, ob beauftragte Firmen ihrer Pflicht zur Absicherung von Baustellen nachgekommen sind. Zum anderen sind diese Kontrollen bereits in zeitlicher Hinsicht nicht auf Baustellen ausgelegt. So ist die letzte turnusgemäße Straßenkontrolle der A-Straße im vorliegenden Fall zeitlich vor dem Straßenaufbruch am 05.10.2020 erfolgt und hat die nächste Kontrolle erst wieder nach dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen stattgefunden."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 06.04.2022 - 11 U 143/21
Anscheinsbeweis zwischen Falschbeschilderung und Unfall
"3. Dass die Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten für den Schaden am Klägerfahrzeug ursächlich geworden ist, folgt bereits aus den Grundsätzen des Anscheinsbeweises.
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In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass bei der Verletzung von Schutzgesetzen sowie von Unfallverhütu......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"3. Dass die Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten für den Schaden am Klägerfahrzeug ursächlich geworden ist, folgt bereits aus den Grundsätzen des Anscheinsbeweises.
In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass bei der Verletzung von Schutzgesetzen sowie von Unfallverhütungsvorschriften ein Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass der Verstoß für den Schadenseintritt ursächlich war, sofern sich gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, der das Schutzgesetz oder die Unfallverhütungsvorschrift entgegen wirken soll. Der Beweis des ersten Anscheins ist auch bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten geboten, die wie Schutzgesetze und Unfallverhütungsvorschriften typischen Gefährdungen entgegenwirken sollen, wenn sich in dem Schadensfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht, der durch die Auferlegung bestimmter Verhaltenspflichten begegnet werden soll (BGH, Urteil vom 09.09.2008 – VI ZR 279/06, r+s 2009, 35 m.w.N.).
Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die korrekte Beschilderung nach RSA 95 sollte "klare Verhältnisse schaffen" und damit den Autobahnverkehr vor Missverständnissen hinsichtlich der Verkehrsführung und einem Schadenseintritt bewahren. Umstände, die die Wirkung des Anscheinsbeweises in Frage stellen könnten, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Eigene Sorgfaltsverstöße der Fahrerin des Klägerfahrzeugs reichen hierfür nicht aus; sie sind lediglich im Rahmen der (Mit-)Verschuldensabwägung relevant."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 08.06.2017 - 2 S 5570/15
Beschilderungen im Baustellenbereich
"Die Beklagte hat im Unfallbereich, der unstreitig als Baustellenausfahrt diente, zwar das nach der Anordnung S. 5 o. Punkt 2 vorgeschriebene Verkehrszeichen 209 ("Rechts"), sowie das alternativ zulässige/gebotene Zeichen 205 ("Vorfahrt gewähren") angebracht. Beide Zeichen waren aber an der falschen Ste......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Beklagte hat im Unfallbereich, der unstreitig als Baustellenausfahrt diente, zwar das nach der Anordnung S. 5 o. Punkt 2 vorgeschriebene Verkehrszeichen 209 ("Rechts"), sowie das alternativ zulässige/gebotene Zeichen 205 ("Vorfahrt gewähren") angebracht. Beide Zeichen waren aber an der falschen Stelle positioniert.
aa) Nach den Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA 95; abrufbar z.B. unter http://www.stvzo.de/seminare/rsa/RSA_Inhalt.htm) gilt nach Teil A Nr. 2.2 Abs. 1 "Standort von Schildern": "Alle Verkehrsschilder sind grundsätzlich am rechten Fahrbahnrand aufzustellen." Gleiches schreibt VwV-StVO Zu den §§ 39 bis 43 unter III. 9 vor: "Verkehrszeichen sind gut sichtbar in etwa rechtem Winkel zur Fahrbahn rechts daneben anzubringen, ...". Die Geltung der RSA für die Verkehrssicherung ist in der Anordnung ausdrücklich vorgeschrieben (aaO S. 4 Abs. 2).
Die am selben Pfosten montierten Zeichen 209 ("Rechts") und 205 ("Vorfahrt gewähren") beziehen sich bzw. sollten sich auf den ausfahrenden Baustellenverkehr beziehen. Diesem sollte zum Einfahren auf die Fahrbahn der Autobahn signalisiert werden, dass nach zu gewährendem Vorrang des Autobahnverkehrs nur nach rechts in den Fahrstreifen der Autobahn eingefahren werden darf. Aus der maßgeblichen Sicht des Baustellenverkehrs wären diese beiden Verkehrszeichen deshalb am rechten Fahrbahnrand aufzustellen gewesen. Aus Sicht des ausfahrenden (Baustellen) Verkehrs hätten diese beiden Schilder damit also am rechten Rand der Öffnung in der Betonleitplanke aufgestellt werden müssen – und nicht wie geschehen am linken Rand der Aussparung.
Gemessen am Vorstehenden sind die nach Anordnung S. 5 o. Punkt 1 für Baustelleneinfahrten vorgeschriebenen Zeichen 250 "Verbot für Fahrzeuge aller Art" mit Zusatzzeichen VzKat 2018-30 "Baustellenfahrzeuge frei" als an den auf der Autobahn fahrenden Verkehr gerichtet korrekt aufgestellt, nämlich aus dessen Sicht am rechten Fahrbahnrand. Diese beiden Schilder waren jedoch durch die falsch aufgestellten Zeichen 209/205 ("Rechts" und "Vorfahrt gewähren") derart verdeckt, dass sie keine wirksame Gefahraufforderung an vorbeifahrenden Verkehr mehr bewirken konnten (dazu sogleich).
Anhaltspunkte dafür, dass die Autobahndirektion an der ganz konkreten Bau-/Unfallstelle ausdrücklich eine abweichende – nämlich die tatsächlich ausgeführte - Beschilderung vorgegeben hätte, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Die von der Beklagten vorgelegten Beschilderungspläne zeigen die konkrete Baustellenausfahrt nicht (vgl. auch Angabe des Sachverständigen B, Protokoll v. 02.03.2017 S. 4 o.; Gerichtsakte S. 141). Den Parteien war mit Verfügung vom 14.12.2016 (Gerichtsakte S. 121) unter Fristsetzung aufgegeben worden, die vollständige Anordnung vorzulegen. Im Gegenteil zeigen gerade auch die tatsächlich vorliegenden Beschilderungspläne vergleichbarer Baustellenausfahrten (Anhang zu Anlage B 1), dass die "Stop-Schilder", die sich ja an den ausfahrenden Baustellenverkehr richten, rechts der "Baustellenstraße" anzubringen sind, also letztlich neben der Autobahn. Dass dies nicht möglich gewesen sein sollte, wie die Beklagte behauptet, ist schlicht nicht nachvollziehbar - so ist etwa auf dem Dashcam-Video bei 00:13:26 ein Zeichen 205 ("Vorfahrt gewähren") korrekt am äußersten rechten Fahrbahnrand aufgestellt. Das beklagtenseits hierzu angebotene Sachverständigengutachten ist schon kein geeignetes Beweismittel, da es für diese Erkenntnis keiner besonderen Sachkunde bedarf. Die Kammer kann verstehen, dass eine Beschilderung – wie vorgeschrieben – rechts der "Baustellenstraße" ggf. mit mehr Aufwand für die Beklagte verbunden gewesen wäre, da sich die Gegebenheiten im unmittelbaren Baustellenbereich durchaus häufig geändert haben dürften. Dass dies aber keine Rechtfertigung vom Abweichen der ausdrücklichen Vorgabe der Anordnung und damit der RSV und StVO-VV ist, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Zudem hätte die Beklagte, wenn durch ihre Mitarbeiter bei Durchführung der Anordnung Mängel erkannt worden wären, bei der Autobahndirektion auf Abhilfe hinzuwirken gehabt (BGH, Urteil vom 25.04.1989 – VI ZR 146/88, VersR 1989, 730).
bb) Hinzu kommt, dass die Zeichen 250 "Verbot für Fahrzeuge aller Art" mit Zusatzzeichen VzKat 2018-30 "Baustellenfahrzeuge frei" ebenfalls fehlerhaft positioniert waren.
Nach RSA 95 Teil A Nr. 2.0 Abs. 3 gilt: "Auch in Arbeitsstellen gilt, dass Verkehrszeichen gut sichtbar, ... aufgestellt werden müssen." VwV-StVO Zu den §§ 39 bis 43 unter III. 10 besagt: "Es ist darauf zu achten, dass Verkehrszeichen ... insbesondere auch nicht die Sicht auf andere Verkehrszeichen ... verdecken". Ausweislich der vorliegenden Fotos (Anlage K 1 und K 11) waren die Zeichen 250/2018-30 ("Verbot für Fahrzeuge aller Art" und "Baustellenfahrzeuge frei") an einem weiteren Pfosten in einem Abstand von maximal zwei bis drei Metern hinter den Zeichen 209/205 ("Rechts" und "Vorfahrt gewähren") montiert. Hingegen sind auf dem Video bei 00:13:32 dieselben Zeichen 250/2018-30 ("Verbot für Fahrzeuge aller Art" und "Baustellenfahrzeuge frei") bei einer der streitgegenständlichen Öffnung in der Betonleitplanke ähnlichen Baustellenaus/einfahrt derart aufgestellt, dass sie bereits von weitem erkennbar sind.
Es bedarf an sich keiner sachverständigen Beratung, um festzustellen, dass dieser Abstand im Bereich einer Autobahnbaustelle, in dem unstreitig eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h ausgeschildert war, mit Händen greifbar zu gering bemessen ist: Aus dem Foto K 1 lässt sich – anhand der Länge der Mittelstreifenmarkierungen (6 Meter) bzw. der Lücken dazwischen (12 Meter) - jedenfalls grob abschätzen, dass in einer Entfernung von maximal ca. 40 Metern die Zeichen 250/2018-30 ("Verbot für Fahrzeuge aller Art" und "Baustellenfahrzeuge frei") noch praktisch vollständig von den Zeichen 209/205 ("Rechts" und "Vorfahrt gewähren") verdeckt sind. Erst aus einer Entfernung von maximal ca. 20 Metern ist der Blick auf die "hinteren" Zeichen 250/2018-30 ("Verbot für Fahrzeuge aller Art" und "Baustellenfahrzeuge frei") vollständig freigegeben. Da bei zulässigen 80 km/h ein Fahrzeug ca. 22 Meter pro Sekunde zurücklegt, muss nicht weiter nachgerechnet werden, um festzustellen, dass nach Berücksichtigung einer Reaktionszeit nach "Auftauchen" der vollständigen Beschilderung ein vernünftiges Verarbeiten deren Informationsgehaltes keinesfalls gewährleistet ist. Dies umso mehr, als Warnschilder so aufgestellt werden müssen, dass sie es selbst einem sorgfältigen Kraftfahrer ermöglichen, auch bei schneller Fahrt durch einen beiläufigen Blick die volle Gefahr eindeutig und so rechtzeitig zu erfassen, dass er seine Fahrweise darauf einstellen kann (BGH, Urt. v. 07.01.1960 - III ZR 58/59, VersR 1960, 237, 238).
Lediglich klarstellend kann deshalb auf die Berechnungen des Sachverständigen B hingewiesen werden, die dieser nach Auswertung der Dashcam-Aufnahme vorgenommen hat: Demnach sind die Zeichen 250/2018-30 ("Verbot für Fahrzeuge aller Art" und "Baustellenfahrzeuge frei") bei gefahrenen 80 km/h ca. 1,1 Sekunden vor Erreichen der Schilder vollständig zu erkennen. Dass die Zeichen 250/2018-30 damit eben nicht "gut sichtbar" sind und die Zeichen 209/205 ("Rechts" und "Vorfahrt gewähren") "die Sicht auf andere Verkehrszeichen ... verdecken", bedarf keiner eingehenderen Erörterung."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 08.06.2017 - 2 S 5570/15
fehlerhafte Beschilderung ist Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht
"cc) Mit der vorstehend beschriebenen fehlerhaften Beschilderung hat die Beklagte die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt.
Durch die falsche Positionierung der beiden Schilder/Pfosten bestand die konkrete Gefahr, dass links neben bzw. parallel zur "Baustellenstraße" herannahender......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"cc) Mit der vorstehend beschriebenen fehlerhaften Beschilderung hat die Beklagte die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt.
Durch die falsche Positionierung der beiden Schilder/Pfosten bestand die konkrete Gefahr, dass links neben bzw. parallel zur "Baustellenstraße" herannahender Verkehr diese Beschilderung falsch verstehen und in die Baustellenausfahrt einbiegen könnte. Dies lag besonders deshalb nahe, weil ja mit abbiegebereiten Fahrern zu rechnen war, die bereits durch Überkopf-Beschilderung auf das in wenigen hundert Metern Entfernung befindliche Autobahnkreuz Nürnberg-Ost/Abfahrt nach München hingewiesen worden waren (Video-Zeitstempel 00:13:30). Ein frühzeitiger, gleichsam vorgezogener Verschwenk einer Autobahnausfahrt wäre im Bereich einer Autobahnbaustelle keine Besonderheit gewesen. Wären die Zeichen 250/2018-30 ("Verbot für Fahrzeuge aller Art" und "Baustellenfahrzeuge frei") aus Sicht der Fahrerin des Klägerfahrzeugs erst nach (!) dem Ende der Unterbrechung in der Betonleitplanke angeordnet gewesen, wäre die Gefahr einer Verwechslung dahingehend, dass diese beiden Schilder als ein Hinweis für den auf der Autobahn befindlichen Verkehr betreffend die Ausfahrt zwischen die Betonleitplanke gemeint sein könnten, in entscheidendem Maß verringert gewesen.
Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, dass sie mit dem Fehlverhalten der Fahrerin des Klägerfahrzeugs nicht zu rechnen brauchte (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.1982 – III ZR 58/80, VersR 1982, 576). Dies ist bereits angesichts der auf den ersten Blick erkennbaren – milde ausgedrückt - "unglücklichen" Positionierung der beiden Schilder zu bejahen. Folgerichtig hat auch der erstinstanzlich vernommene Zeuge O, bei der Beklagten für die Kontrolle der Beschilderung zuständiger Arbeiter, in bemerkenswerter Offenheit auf Vorhalt des Fotos Anlage K 1 angegeben, dass dort "die zweite Beschilderung eher schlecht zu sehen" sei. Er würde "die Situation der Beschilderung etwas ändern" (Protokoll AG v. 11.06.2015 S. 5 u.; Gerichtsakte S. 44). Mit dieser Erkenntnis des Zeugen O korrespondiert die Aussage des unbeteiligten Zeugen H. Dieser fuhr am Tag nach dem streitgegenständlichen Vorfall versehentlich in dieselbe Baustellenaus-/einfahrt ein und überfuhr dieselbe Fräskante, wie die Fahrerin des Klägerfahrzeugs. Der Zeuge gab an, dass in der Zeit, als er vor Ort stand (ca. 45 Minuten) "vielleicht 20 Fahrzeuge über die Fräskante" fuhren. Es hätten bei seinem Ankommen auch bereits sechs Fahrzeuge Richtung Autobahnausfahrt gewartet (Protokoll aaO S. 3 u.; Gerichtsakte S. 42)."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 08.06.2017 - 2 S 5570/15
Haftunverteilung: Verkehrssicherungspflicht in Baustelle (Haftung: 40%) zu Überfahren einer Fahrbahnmarkierung
"Die hier durch die unzureichende Beschilderung der Beklagten geschaffene Verkehrslage war für die Fahrerin des Klägerfahrzeugs unklar, was eine Schadenteilung rechtfertigt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.11.1975 – 10 U 28/75, VersR 1976, 668). Dabei ist zu sehen, dass die fehlerhaft und damit irre......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die hier durch die unzureichende Beschilderung der Beklagten geschaffene Verkehrslage war für die Fahrerin des Klägerfahrzeugs unklar, was eine Schadenteilung rechtfertigt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.11.1975 – 10 U 28/75, VersR 1976, 668). Dabei ist zu sehen, dass die fehlerhaft und damit irreführende Beschilderung durch die Mitarbeiter der Beklagten auf einer Autobahn besonders schwer wiegt: Gerade auf einer Bundesautobahn muss sich ein Autofahrer wegen der dort üblicherweise gefahrenen hohen Geschwindigkeiten auf die Anordnungen der Straßenverkehrs- oder -baubehörde (§ 45 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, 3 StVO) und deren Beschilderung verlassen können (OLG Celle, Urteil vom 21.02.2006 – 14 U 163/05, DAR 2006, 267). Andererseits musste der Fahrerin des Klägerfahrzeugs trotz der geringen zur Verfügung stehenden "Überlegungszeit" zumindest durch die klar erkennbare durchgezogene Fahrbahnbegrenzung klar sein, dass die unzutreffende Beschilderung nicht im von ihr verstandenen Sinne gemeint gewesen sein konnte.
In der Rechtsprechung wird – dem hiesigen Fall durchaus nicht unähnlich - z.B. einem Fahrzeugführer ein überwiegendes Mitverschulden von 2/3 zugerechnet, wenn er mit einer Geschwindigkeit von 90 km/h die im Autobahnbaustellenbereich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h erheblich überschritten hat und mit dem Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit auch gegen das Sichtfahrgebot verstoßen hat und so reflektierende Absperrtafeln, die vor einer Baugrube aufgestellt waren, zu spät wahrgenommen hat, nachdem er veranlasst durch unzureichend aufgestellte Warnbaken in den Baustellenbereich gewechselt war (OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.07.1998 – 15 U 124/97, Schaden-Praxis 1998, 415).
Nachdem es im Streitfall aber an einem unfallkausalen Geschwindigkeitsverstoß fehlt und auch sonst außer dem Überfahren der Fahrbahnmarkierung kein maßgebliches Mitverschulden festgestellt werden kann, hält die Kammer eine leicht überwiegende Eigenhaftung der Klägerin von 60% für angemessen und ausreichend, gleichzeitig aber auch geboten."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 08.06.2017 - 2 S 5570/15
Kenntnis des Alters einer Sache ist für Schadenberechnung notwendig
"Soweit die Beklagte nach Abschluss der Beweiserhebung erstmals Nichtwissen bestritten hat, dass die Aufstellung des streitgegenständlichen Schildes ca. im Jahr 1994 erfolgt sei, so ist der Beklagten insoweit Recht zu geben als aufgrund des Bestreitens nunmehr keine Anknüpfungstatsachen mehr gegeben war......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Soweit die Beklagte nach Abschluss der Beweiserhebung erstmals Nichtwissen bestritten hat, dass die Aufstellung des streitgegenständlichen Schildes ca. im Jahr 1994 erfolgt sei, so ist der Beklagten insoweit Recht zu geben als aufgrund des Bestreitens nunmehr keine Anknüpfungstatsachen mehr gegeben waren, die Schadenshöhe sachgerecht zu berechnen. Wie bereits ausgeführt erfolgte dies allerdings erst nach Abschluss der Beweiserhebung."
vgl. AG Rheinbach, Urteil vom 13.04.2016 - 26 C 24/15
Verkehrssicherung auf Straßen ist nach § 823 BGB zu bewerten
"Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Straßen ist nach § 823 BGB und nicht nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB zu beurteilen (BGH, Urteil vom 09.11.1967 - III ZR 98/67, NJW 1968, 443). Die Verkehrssicherungspflicht des Bauunternehmers (§ 823 BGB) besteht zudem grundsätzlich neb......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für öffentliche Straßen ist nach § 823 BGB und nicht nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB zu beurteilen (BGH, Urteil vom 09.11.1967 - III ZR 98/67, NJW 1968, 443). Die Verkehrssicherungspflicht des Bauunternehmers (§ 823 BGB) besteht zudem grundsätzlich neben der der Straßenverkehrsbehörde (§ 839 BGB; BGH, Urteil vom 08.02.1977 - VI ZR 217/74, VersR 1977, 543; OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.01.2005 - 7 U 161/03, VersR 2006, 855; OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.07.1998 – 15 U 124/97, Schaden-Praxis 1998, 415).
Die Beklagte kann sich als vorrangig mit der Verkehrssicherung Befasste auch nicht durch den Hinweis darauf entlasten, dass die Autobahndirektion die von ihr veranlassten Maßnahmen für genügend erachtet hätte (BGH, Urteil vom 08.02.1977 – VI ZR 217/74, VersR 1977, 543). Abgesehen davon wären die durch die Autobahndirektion mit der Anordnung veranlassten Maßnahmen – Beschilderung gemäß RSA 95 - ja auch ausreichend gewesen, hätte die Beklagte sich denn – wie nicht - an jene gehalten.
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vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 08.06.2017 - 2 S 5570/15
Vorschriftszeichen 220
"Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstieß die Beklagte zu 1 gegen das durch das Vorschriftszeichen 220 in Verbindung mit § 41 Abs. 1 StVO angeordnete Gebot. Das Vorschriftszeichen 220 gebietet, dass die Einbahnstraße nur in vorgeschriebener Fahrtrichtung befahren werden darf. In der ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstieß die Beklagte zu 1 gegen das durch das Vorschriftszeichen 220 in Verbindung mit § 41 Abs. 1 StVO angeordnete Gebot. Das Vorschriftszeichen 220 gebietet, dass die Einbahnstraße nur in vorgeschriebener Fahrtrichtung befahren werden darf. In der Gegenrichtung steht sie dem Fahrzeugverkehr auf der Fahrbahn grundsätzlich nicht zur Verfügung (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1981 - VI ZR 296/79, NJW 1982, 334, juris Rn. 10). Auf die Stellung des Fahrzeugs im Verhältnis zur vorgeschriebenen Fahrtrichtung kommt es nicht an. Verboten ist auch das Rückwärtsfahren entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2018, 657, 658, juris Rn. 22; OLG Karlsruhe, DAR 1978, 171). Lediglich (unmittelbares) Rückwärtseinparken ("Rangieren") ist - ebenso wie Rückwärtseinfahren aus einem Grundstück auf die Straße - kein unzulässiges Rückwärtsfahren auf Richtungsfahrbahnen gegen die Fahrtrichtung (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2018, 657, 658, juris Rn. 20; VGH Baden-Württemberg, Justiz 2017, 355, juris Rn. 5; Ternig, VD 2018, 208). Demgegenüber ist Rückwärtsfahren auch dann unzulässig, wenn es dazu dient, erst zu einer (freien oder freiwerdenden) Parklücke zu gelangen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2018, 657, 658, juris Rn. 22; OLG Karlsruhe, DAR 1978, 171; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 47. Aufl., § 9 StVO Rn. 51, § 41 StVO Rn. 248b; a.A. Burmann in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht 27. Aufl., § 9 StVO Rn. 67; Freymann in Geigel, Haftpflichtprozess 28. Aufl., Kap. 27 Rn. 306). Entsprechendes gilt, wenn das Rückwärtsfahren dazu dient, einem Fahrzeug die Ausfahrt aus einer Parklücke zu ermöglichen, um anschließend selbst in diese einfahren zu können. Nach den getroffenen Feststellungen fuhr die Beklagte zu 1 einige Meter rückwärts, um einem ausparkenden Fahrzeug Platz zu machen."