Abwägung: Alleinhaftung des Linkabbiegers gegenüber Fahrzeug mit Sonderrechten
"4. Die Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG führt zur Alleinhaftung der Beklagten. Auf Seiten der Erstbeklagten wirkt sich der doppelte Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO und § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO aus. Auf Seiten des Klägers kann lediglich die durch das innerörtliche Überholmanöver erh......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"4. Die Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG führt zur Alleinhaftung der Beklagten. Auf Seiten der Erstbeklagten wirkt sich der doppelte Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO und § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO aus. Auf Seiten des Klägers kann lediglich die durch das innerörtliche Überholmanöver erhöhte Betriebsgefahr Berücksichtigung finden. Diese tritt allerdings gegenüber dem Verschulden der Erstbeklagten zurück. Denn das Verschulden eines Linksabbiegers wiegt gegenüber einem Fahrzeug, das in zulässiger Weise Sonderrechte nach § 35 Abs. 5 a StVO in Anspruch nimmt, so schwer, dass eine Mithaftung grundsätzlich nur in Betracht kommt, wenn den Sonderrechtsfahrer ein mitwirkendes Verschulden trifft (vgl. KG, NZV 2008, 147)."
vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 01.07.2011 - 13 S 61/11
Alleinhaftung des Rettungswagens, der ohne (bzw. nicht beweisbare) Nutzung von Sonderrechten über rote Ampel fährt
"Gleichwohl erscheint es angesichts der mehrfach zu registrierenden Sorgfaltspflichtverstöße auf Seiten der Beklagten gerechtfertigt, die dem Kläger allein zuzurechnende Betriebsgefahr seines Pkw hinter das insgesamt erhebliche, der Beklagten zur Last fallende Verschulden zurücktreten zu lassen und di......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Gleichwohl erscheint es angesichts der mehrfach zu registrierenden Sorgfaltspflichtverstöße auf Seiten der Beklagten gerechtfertigt, die dem Kläger allein zuzurechnende Betriebsgefahr seines Pkw hinter das insgesamt erhebliche, der Beklagten zur Last fallende Verschulden zurücktreten zu lassen und dieser, auch wegen der geschwindigkeitsbedingt höheren Betriebsgefahr des Rettungswagens, im Rahmen der Gesamtabwägung der wechselseitigen Verantwortungsbeiträge nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 und 2 StVG die alleinige Haftung zuzuweisen. Der Senat befindet sich hierbei in Übereinstimmung mit einem vergleichbaren Urteil des Kammergerichts vom 07. Mai 2007 (VRS 113 Nr. 37). Dort hatte ein Polizeifahrzeug sein Martinshorn nicht rechtzeitig vor der roten Ampelkreuzung zugeschaltet, was ebenfalls zum Zurücktreten der Betriebsgefahr auf Seiten des Unfallgegners führte."
vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 21.07.2011 - 4 U 23/11
Alleinhaftung eines Fahrzeuges, das trotz Martinshorn kein Vorrecht hat
"Bei einer höheren Geschwindigkeit wird jedoch in der Regel die überwiegende Mitverursachung oder Alleinhaftung auf Seiten des Sonderrechtsfahrzeugs angenommen (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 18 m. w. N.). Der Beklagte zu 2 war - wie erwähnt - unbedingt gehalten, nur mit äu......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Bei einer höheren Geschwindigkeit wird jedoch in der Regel die überwiegende Mitverursachung oder Alleinhaftung auf Seiten des Sonderrechtsfahrzeugs angenommen (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 18 m. w. N.). Der Beklagte zu 2 war - wie erwähnt - unbedingt gehalten, nur mit äußerster Vorsicht in den Kreuzungsbereich einzufahren (Schrittgeschwindigkeit), weil in beide Fahrtrichtungen - sowohl des Beklagten zu 2 als auch der Zeugin M. - nicht der jeweils heranfahrende Querverkehr wahrgenommen werden konnte (vgl. die Lichtbilder auf S. 3 des Sachverständigengutachtens W.). Die Zeugin M. konnte damit auch dann, wenn man unterstellt, dass sie das Martinshorn rechtzeitig gehört hat, nicht sehen, dass aus ihrer Richtung von links der Wagen der Unfallforschung herankam und trotz Rotlichts mit nahezu ungebremster Geschwindigkeit in die Kreuzung hineinfuhr. Andererseits hätte der Beklagte zu 2 in jedem Fall bedenken müssen, dass der Verkehr auf der bevorrechtigten G.-W.-Straße bei Grünlicht in die Kreuzung einfährt und deshalb bei Missachtung des Rotlichts eine ganz erhebliche Unfallgefahr bestand.
cc) Da auf Seiten des Klägers kein Verschuldensbeitrag nachgewiesen ist, bliebe allein die Anrechnung der Betriebsgefahr für den Pkw zu diskutieren. Gegenüber dem leichtfertigen Fahrverhalten des Beklagten zu 2, durch das der Verkehrsunfall allein verschuldet und maßgeblich verursacht wurde, ist die Betriebsgefahr jedoch ohne erhebliches Gewicht und kann deshalb zurücktreten. Somit bleibt es bei der Haftung der Beklagten. Entsprechend ist die Klage und damit auch die Berufung begründet."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 03.08.2011 - 14 U 158/10
Allgemeines: Vertrauen auf Berücksichtigung der Sonderrechte
"bb) Allerdings weist die Berufung zu Recht darauf hin, dass der Fahrer eines Einsatzfahrzeuges mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn nur dann darauf vertrauen darf, dass die anderen Verkehrsteilnehmer der Verpflichtung des § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO nachkommen, sofort freie Bahn zu schaffen, wenn e......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"bb) Allerdings weist die Berufung zu Recht darauf hin, dass der Fahrer eines Einsatzfahrzeuges mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn nur dann darauf vertrauen darf, dass die anderen Verkehrsteilnehmer der Verpflichtung des § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO nachkommen, sofort freie Bahn zu schaffen, wenn er nach den Umständen annehmen darf, dass ihn alle anderen Verkehrsteilnehmer wahrgenommen und sich auf das Einsatzfahrzeug eingestellt haben (vgl. BGHZ 63, 327, 331; KG, VRS 100, 329). Dafür muss er ihnen eine kurz zu bemessende, aber doch hinreichende Zeit einräumen (vgl. KG aaO). Das folgt aus § 35 Abs. 1 StVO, wonach die Sonderrechte nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden dürfen (§ 35 Abs. 8 StVO). Die dem Sonderrechtsfahrer obliegende Sorgfaltspflicht ist danach umso größer, je mehr seine gegen die StVO verstoßende Fahrweise, die zu der zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe nicht außer Verhältnis stehen darf, die Unfallgefahr erhöht (KG, NZV 2008, 147; vgl. auch Hentschel aaO § 35 StVO Rn. 8; Burmann aaO § 35 Rn. 17, jeweils mwN.). Diesem Sorgfaltsmaßstab ist der Zeuge ... als Fahrer des Notarzteinsatzfahrzeuges gerecht geworden. Die Erstbeklagte befand sich unmittelbar vor dem Einsatzfahrzeug und hatte - wie auch die Berufung einräumt - bereits aus einer Entfernung von mehr als 25 m unbeschränkte Sicht auf das sich von hinten nähernde Einsatzfahrzeug. Grundsätzlich darf ein Fahrer eines Einsatzwagens annehmen, dass Fahrzeuge in der Nähe (50 m) Blaulicht und Einsatzhorn wahrnehmen (vgl. KG aaO; OLG Bremen, VersR 1974, 577; Hentschel aaO § 38 Rn. 10). Aufgrund des Abstands zum Einsatzfahrzeug bestand für die Erstbeklagte auch hinreichende Zeit, sich auf das Einsatzfahrzeug einzustellen. Der Zeuge ... durfte nach diesen Umständen annehmen, dass die Erstbeklagte ihn wahrgenommen hatte und er durfte mit freier Bahn rechnen. Dieses Vertrauen war entgegen der Auffassung der Berufung auch nicht dadurch eingeschränkt, dass die Erstbeklagte an der Fahrbahnmittelinie stehen geblieben und nicht rechts herangefahren ist. Das Vertrauen des Fahrers eines Einsatzfahrzeuges, dass die übrigen Verkehrsteilnehmer freie Bahn schaffen, ist nicht erst dann geschützt, wenn die Verkehrsteilnehmer erkennbar dem Gebot des § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO Folge leisten. Es knüpft vielmehr an die berechtigte Erwartung des Fahrers eines Einsatzfahrzeuges an, dass die Verkehrsteilnehmer, die die Signale des Einsatzfahrzeuges wahrgenommen haben und sich auf das Fahrzeug einstellen können, dem Gebot entsprechend handeln werden. Es würde dem Sinn der Regelung des § 35 Abs. 5 a StVO zuwiderlaufen, wenn man die Inanspruchnahme von Sonderrechten davon abhängig machen wollte, dass die übrigen Verkehrsteilnehmer sich entsprechend dem Gebot des § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO verhalten. Der Fahrer eines Einsatzfahrzeuges müsste dann von der Inanspruchnahme der Sonderrechte absehen, wenn gegen das Gebot des § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO verstoßen würde. Damit würde die Möglichkeit, in Notfallsituationen von Sonderrechten Gebrauch zu machen, in unzulässiger Weise eingeschränkt, wenn nicht sogar aufgehoben. Der Gesetzgeber wollte aber gerade durch § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO vermeiden, dass die höchsteilige Fahrt eines Wegerechtsfahrzeugs aufgehalten oder verzögert wird (vgl. BGHZ 63, 327, 332). Der Zeuge ... brauchte deshalb nicht abzuwarten, bis die Erstbeklagte nach rechts fuhr, sondern durfte darauf vertrauen, dass sie an der Fahrbahnmittelinie stehen bleiben und nicht auf die Gegenfahrbahn einfahren würde. Ob etwas anderes gelten kann, wenn der Fahrer des Einsatzfahrzeuges mit einem unmittelbar bevorstehenden Verkehrsverstoß der anderen Verkehrsteilnehmer rechnen muss, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Erstbeklagte hat - wie die Zeugen ... und ... übereinstimmend in ihrer Vernehmung geschildert haben - zum Abbiegen erst angesetzt, als der Einsatzwagen bereits an das Beklagtenfahrzeug herangefahren war, so dass der Zeuge ... auch nicht mehr unfallvermeidend hätte reagieren können."
vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 01.07.2011 - 13 S 61/11
bei Sonderrechten darf man schneller fahren (Anhalteweg innerhalb der Reichweite der Signale!?)
"Auch diese Frage bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung. Denn das Einsatzfahrzeug war auch insoweit nach § 35 Abs. 5 a StVO von dem Gebot, die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts einzuhalten, befreit. Damit ist der Fahrer eines Einsatzfahrzeuges zwar nicht in jedem Fall berechtigt, mit......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Auch diese Frage bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung. Denn das Einsatzfahrzeug war auch insoweit nach § 35 Abs. 5 a StVO von dem Gebot, die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts einzuhalten, befreit. Damit ist der Fahrer eines Einsatzfahrzeuges zwar nicht in jedem Fall berechtigt, mit überhöhter Geschwindigkeit zu fahren. Denn auch insoweit gilt die Einschränkung des § 35 Abs. 8 StVO. Von einem Verstoß gegen diese Sorgfaltspflicht kann unter den hier gegebenen Umständen aber nicht ausgegangen werden. Bei einer - unterstellten - Geschwindigkeit von ca. 70 km/h lag der Anhalteweg des klägerischen Fahrzeugs nicht außerhalb der Reichweite seines Martinshorns (vgl. dazu OLG Bremen aaO)."
vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 01.07.2011 - 13 S 61/11
bei Sonderrechten liegt kein Verstoß gegen Lichtzeichenregel vor
"Die Klägerin räumt ein, dass der Zeuge D trotz Rotlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren ist und damit gegen das Gebot aus § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7 StVO "Halt vor der Kreuzung" verstoßen hat.
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Ein die Betriebsgefahr des klägerischen Rettungswagens erhöhender Sorgfaltspflichtverstoß lieg......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Klägerin räumt ein, dass der Zeuge D trotz Rotlicht in den Kreuzungsbereich eingefahren ist und damit gegen das Gebot aus § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7 StVO "Halt vor der Kreuzung" verstoßen hat.
Ein die Betriebsgefahr des klägerischen Rettungswagens erhöhender Sorgfaltspflichtverstoß liegt darin indes nur, wenn der Zeuge D nicht von der Beachtung des Vorrechts anderer Verkehrsteilnehmer aufgrund eines ihm nach §§ 35, 38 StVO zustehenden Sonderrechts befreit war."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 04.05.2018 - 7 U 37/17
Beweislast des Einsatzfahrers
"Darlegungs- und beweisbelastet ist derjenige, der sich auf das Vorliegen einer Einsatzfahrt im Sinne des § 35 Abs. 5a StVO beruft (Heß, in: Burmann u.a., Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage, 2018, § 35 Rn 16).
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Die bloße Vorlage des Einsatzprotokolls reicht zur substantiierten Darlegung nich......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Darlegungs- und beweisbelastet ist derjenige, der sich auf das Vorliegen einer Einsatzfahrt im Sinne des § 35 Abs. 5a StVO beruft (Heß, in: Burmann u.a., Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage, 2018, § 35 Rn 16).
Die bloße Vorlage des Einsatzprotokolls reicht zur substantiierten Darlegung nicht aus. Vielmehr sind grundsätzlich konkrete Angaben, auf welcher Fahrt, von welchem Ausgangsort, mit welchem Ziel und mit welcher Aufgabe der Rettungswagen zur Zeit des Unfalles unterwegs gewesen ist, erforderlich. Unter Benennung konkreter Tatsachen ist auszuführen, dass im Sinne des § 35 Abs. 5a StVO Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden (vgl. dazu auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.11.1991, Az.1 U 129/90). Auch der Entscheidung des OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.2.2008, Az. 1 U 114/07, BeckRS 2011, 24812, auf die sich die Klägerin mit der Berufungsbegründung bezieht, ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 04.05.2018 - 7 U 37/17
Beweislast für Bestehen von Sonderrechtslage und Signalen liegt beim Sonderrechtsnutzer
"Denn § 20 Abs. 5 StVO erlaubt es nur unter der Voraussetzung einer rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Anzeige, das ansonsten bestehende Vorrecht anderer Verkehrsteilnehmer im fließenden Verkehr zu „missachten“. Wenn das Vorrecht des Fahrers eines Linienomnibusses aber erst ab der Anzeige gilt, mus......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Denn § 20 Abs. 5 StVO erlaubt es nur unter der Voraussetzung einer rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Anzeige, das ansonsten bestehende Vorrecht anderer Verkehrsteilnehmer im fließenden Verkehr zu „missachten“. Wenn das Vorrecht des Fahrers eines Linienomnibusses aber erst ab der Anzeige gilt, muss er auch beweisen, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Vorrechts, einer Ausnahmeregelung in der Straßenverkehrsordnung, vorgelegen haben.
Eine andere Beweislastverteilung sieht die Straßenverkehrsordnung auch nicht bei anderen Ausnahmeregelungen vor, die ein Vorrecht zu Lasten des eigentlich bevorrechtigten Verkehrs begründen. Auch im Rahmen der Inanspruchnahme des § 38 Abs. 1 StVO trifft den Halter des Einsatzfahrzeuges die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen er die Berechtigung herleitet, das sonst bestehende Vorrecht anderer Verkehrsteilnehmer zu „missachten“ (BGH, Urteil vom 09. Juli 1962 – III ZR 85/61 –, BGHZ 37, 336-341; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. Juli 2011 – 4 U 23/11 –, Rn. 30; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. November 1991 – 1 U 129/90 –, Senat, Urteil vom 29. September 2010 – 14 U 27/10 –, Rn. 15, juris). Gem. § 38 StVO hat der Halter die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass Blaulicht und Horn rechtzeitig eingeschaltet waren und der Sonderrechtsfahrer seine verkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten erfüllt hat (König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 45. Aufl. 2019, § 38 StVO Rn. 9 m.w.N.; KG Berlin, Urteil vom 14. Juli 1997 – 12 U 1541/96 –, juris). Erst dann ist der Fahrer unter Beachtung größtmöglicher Sorgfalt berechtigt, sein Vorrecht wahrzunehmen. Kann er sein Vorrecht nicht beweisen, kann dies zur Alleinhaftung des Rettungswagenhalters führen (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 21. Juli 2011 – 4 U 23/11 –, juris)."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 10.11.2021 - 14 U 96/21
Beweislast für Nutzung der Sonderrechte
"Wegen des Ausnahmecharakters der Regelung des § 38 Abs. 1 ZPO trifft den Halter des Einsatzfahrzeuges die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen er die Berechtigung herleitet, das sonst bestehende Vorrecht anderer Verkehrsteilnehmer zu missachten (BGH, VersR 1962, 834, 836; KG, VRS 113......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Wegen des Ausnahmecharakters der Regelung des § 38 Abs. 1 ZPO trifft den Halter des Einsatzfahrzeuges die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen er die Berechtigung herleitet, das sonst bestehende Vorrecht anderer Verkehrsteilnehmer zu missachten (BGH, VersR 1962, 834, 836; KG, VRS 113, 205, 207; OLG Celle, a.a.O., Rdnr. 15)."
vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 21.07.2011 - 4 U 23/11
Grudsatz: Wegevorrecht bedingungslos einräumen; Ausnahme: offensichticher Missbrauch des Berechtigten
"Es ist den übrigen Verkehrsteilnehmern in der konkreten Verkehrssituation gar nicht möglich, die objektive Berechtigung für die Verwendung von Blaulicht und Einsatzhorn zu beurteilen. Es ist ihnen daher verwehrt, die Rechtmäßigkeit der Verwendung der Einsatzmittel in Zweifel zu ziehen, so dass sie o......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Es ist den übrigen Verkehrsteilnehmern in der konkreten Verkehrssituation gar nicht möglich, die objektive Berechtigung für die Verwendung von Blaulicht und Einsatzhorn zu beurteilen. Es ist ihnen daher verwehrt, die Rechtmäßigkeit der Verwendung der Einsatzmittel in Zweifel zu ziehen, so dass sie ohne Prüfung der Sachlage sofort und unbedingt freie Bahn zu schaffen haben. Ausnahmen können nur in Fällen ganz offensichtlichen Missbrauchs (z.B. Freiwillige Feuerwehr auf Vergnügungsfahrt) angenommen werden (KG Berlin, Urteil vom 14.7.1997, Az. 12 U 1541/96; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.2.2008, Az. 1 U 114/07; KG Berlin, Urteil vom 18.7.2005, Az. 12 U 50/04; KG Berlin, Urteil vom 30.8.2010, Az. 12 U 175/09; OLG Dresden, Urteil vom 20.12.2000, Az. 12 U 2428/00; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.11.1991, Az. 1 U 129/90 -, juris; Wern, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 38 StVO Rn 18)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 04.05.2018 - 7 U 37/17
nach § 35 Abs. 1 StVO befreite Sonderrechtsfahrzeuge
"aa) Gemäß § 35 Abs. 1 StVO sind von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung die Bundeswehr, die Bundespolizei, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Darüber hinaus sind gemäß § 35 Ab......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"aa) Gemäß § 35 Abs. 1 StVO sind von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung die Bundeswehr, die Bundespolizei, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Darüber hinaus sind gemäß § 35 Abs. 5 a StVO Fahrzeuge des Rettungsdienstes von den StVO-Vorschriften befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.
Fahrzeuge der Unfallforschung - wie das der Beklagten - fallen demnach nicht in den in § 35 StVO genannten Kreis der Sonderrechtsfahrzeuge."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 03.08.2011 - 14 U 158/10
Sonderrecht nach § 38 StVO nur mit blauem Blinklicht und Martinshorn
"Allerdings durfte der Rettungswagen nur dann das an sich zum Halten verpflichtende rote Ampellicht (§ 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO) überfahren und nach § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO freie Bahn für sich in Anspruch nehmen, wenn dessen Fahrerin, wie sich aus Satz 1 dieser Vorschrift eindeutig ergibt, sowohl blaues B......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Allerdings durfte der Rettungswagen nur dann das an sich zum Halten verpflichtende rote Ampellicht (§ 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO) überfahren und nach § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO freie Bahn für sich in Anspruch nehmen, wenn dessen Fahrerin, wie sich aus Satz 1 dieser Vorschrift eindeutig ergibt, sowohl blaues Blinklicht als auch Einsatzhorn in Betrieb gesetzt hatte (BGH, VersR 1975, 380; KG, VersR 2007, 413; OLG Celle, Urteil vom 29. September 2010, Az.: 14 U 27/10, zitiert nach juris, Rdnr. 22)."
vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 21.07.2011 - 4 U 23/11
Sonderrechte bei berechtigter Annahme von höchster Gefahr
"Nach § 35 Abs. 5a StVO sind Fahrzeuge des Rettungsdienstes von den Vorschriften der StVO befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.
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Dabei kommt es für die Beurteilung, ob es sich um eine Einsatzfahrt i.S.d. § 35 Abs........" [vollständiges Zitat anzeigen]
"Nach § 35 Abs. 5a StVO sind Fahrzeuge des Rettungsdienstes von den Vorschriften der StVO befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.
Dabei kommt es für die Beurteilung, ob es sich um eine Einsatzfahrt i.S.d. § 35 Abs. 5a StVO handelt, nicht auf die spätere objektive Betrachtung nach Beendigung der Einsatzfahrt an, die der Einsatzfahrer nicht anstellen konnte. Vielmehr ist allein entscheidend, ob der Fahrer sich nach der ihm bekannten Lage aufgrund des Inhalts des Einsatzbefehls und der beschriebenen Krankheitssymptome für berechtigt halten durfte, die Sonderrechte aus § 35 Abs. 5a StVO in Anspruch zu nehmen; ggf. muss er Rücksprache bei der Einsatzstelle halten. Diese Voraussetzungen unterliegen gerichtlicher Nachprüfung. Das Bestehen eines Einsatzbefehls ist für die Annahme höchster Eile zur Rettung von Menschenleben keine zwingende Voraussetzung; liegt jedoch ein entsprechender Einsatzbefehl vor, darf der Fahrer eines Rettungsdienstfahrzeuges i.d.R. davon ausgehen, dass Sonderrechte in Anspruch genommen werden dürfen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6.1.2010, Az. IV-3 RBs 95/09; Rogler, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 35 StVO Rn 100; Heß, in: Burmann u.a., Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage 2018, § 35 StVO Rn 9; auch schon OLG Köln, Beschluss vom 4.3.1980, Az. 3 Ss 127/80)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 04.05.2018 - 7 U 37/17
Sonderrechte geben Vorrecht, nicht aber absolute Vorfahrt
"b) Hinzu kommt, dass ein etwaiges Sonderrecht auf Seiten der Beklagten gemäß § 35 Abs. 8 StVO generell nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hätte ausgeübt werden dürfen. Die gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 5 a Begünstigten sind zwar an sich von der Einhal......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"b) Hinzu kommt, dass ein etwaiges Sonderrecht auf Seiten der Beklagten gemäß § 35 Abs. 8 StVO generell nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hätte ausgeübt werden dürfen. Die gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 5 a Begünstigten sind zwar an sich von der Einhaltung jeder Verkehrsvorschrift - also auch der Grundregel des § 1 - freigestellt. Diese Sonderstellung gibt aber keine Vorfahrt gegenüber dem übrigen Verkehr, sondern nur die Berechtigung, die allgemeinen Verkehrsregeln mit größtmöglicher Sorgfalt zu "missachten" (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 2 m. w. N.) und wird gesetzlich begrenzt durch § 35 Abs. 8 StVO. Da jedes Abweichen von den Straßenverkehrsregeln erhöhte Sorgfalt erfordert, wäre der Beklagte zu 2, wenn ihm ein Sonderrecht zur Verfügung gestanden hätte, verpflichtet gewesen, dieses erst in Abweichen von den Verkehrsvorschriften auszuüben, wenn er sicher hätte sein können, dass ihm von den anderen Verkehrsteilnehmern Vorrang eingeräumt wird und diese insbesondere seinen Wagen wahrgenommen haben und auch die Absicht, dass er trotz des Rotlichts in den Kreuzungsbereich einfahren wollte (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O. § 35 StVO Rdnr. 13 und 13 a m. w. N.)."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 03.08.2011 - 14 U 158/10
Sonderrechte nicht allein wegen Ausstattung einschaltbar
"bb) Der Beklagte zu 2 hatte somit, obwohl er unter Einsatz des blauen Blinklichtes und des Einsatzhorns in den Kreuzungsbereich einfuhr, kein Vorfahrtsrecht (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 38 StVO Rdnr. 2; Hentschel/König/Dauer a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 4, § 38 StVO Rdnr. 10, je m. w. N........" [vollständiges Zitat anzeigen]
"bb) Der Beklagte zu 2 hatte somit, obwohl er unter Einsatz des blauen Blinklichtes und des Einsatzhorns in den Kreuzungsbereich einfuhr, kein Vorfahrtsrecht (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 38 StVO Rdnr. 2; Hentschel/König/Dauer a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 4, § 38 StVO Rdnr. 10, je m. w. N.). Dass infolge des Einsatzes von blauem Blinklicht und Martinshorn die anderen Verkehrsteilnehmer nach Wahrnehmung dieser Signale verpflichtet waren, freie Bahn zu schaffen (§ 38 Abs. 1 Satz 2 StVO), entband den Beklagten zu 2 mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 1, Abs. 5 a StVO also nicht von der Beachtung der Verkehrsregeln. Er hätte deshalb bei Einfahren in die nicht von vornherein übersichtliche Kreuzung während der Rotphase allenfalls Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen (vgl. Hentschel/König/Dauer a. a. O., § 38 StVO Rdnr. 10 m. w. N.).
d) Keine Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Frage zu, dass das Fahrzeug der Unfallforschung der MHH tatsächlich mit Blaulicht und Einsatzhorn ausgerüstet war. Die Erteilung der dafür erforderlichen Ausnahmegenehmigung steht der zuständigen Behörde gemäß § 70 StVZO i. V. m. § 52 StVZO nach Ermessensgebrauch zu (dazu näher OVG Nordrhein-Westfalen, NZV 2000, 514). In diesem Rahmen mag aus verwaltungsrechtlicher Sicht Gewicht (gehabt) haben, dass generell nicht auszuschließen ist, dass in Ausnahmefällen auch einmal ein Fahrzeug der Unfallforschung bzw. das in ihm zum Unfallort transportierte (allerdings für derartige Maßnahmen in der Regel kaum fachkundige und angemessen qualifizierte) Personal tätig werden könnte, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Ob die seitens der zuständigen Behörde insoweit für die Fahrzeuge der Unfallforschung der MHH wohl erteilten Ausnahmegenehmigungen gem. § 70 StVZO möglicherweise auf unzureichenden Erwägungen beruhen, weil im Rahmen der Ermessensentscheidung (zu den Abwägungsgesichtspunkten im Einzelnen ebenfalls OVG Nordrhein-Westfalen, NZV 2000, 514, insb. juris-Rdnr. 17 f.) die mit der Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung verbundenen erheblichen Gefahren für den allgemeinen Straßenverkehr besonders zu gewichten sind (wie gerade der vorliegende Fall veranschaulicht), hat der Senat indes nicht zu entscheiden."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 03.08.2011 - 14 U 158/10
Sonderrechte: Befreiung von den Vorschriften der StVO nur bei subjektiver Vorstellung der Berechtigung
"aa) Nach § 35 Abs. 5 a StVO sind Fahrzeuge des Rettungsdienstes - auch Notarzteinsatzfahrzeuge privater Einrichtungen wie hier (vgl. BGHZ 118, 304, 306; Hentschel aaO § 38 StVO Rn. 3; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 35 StVO Rn. 9 mwN.) - von den Vorschriften der StVO be......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"aa) Nach § 35 Abs. 5 a StVO sind Fahrzeuge des Rettungsdienstes - auch Notarzteinsatzfahrzeuge privater Einrichtungen wie hier (vgl. BGHZ 118, 304, 306; Hentschel aaO § 38 StVO Rn. 3; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 35 StVO Rn. 9 mwN.) - von den Vorschriften der StVO befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nachgewiesen (zur Darlegungs- und Beweislast vgl. KG, VRS 100, 329 mwN.). Für die Beurteilung, ob es sich um eine Einsatzfahrt iSd. § 35 Abs. 5 a StVO handelt, kommt es nicht auf die spätere objektive Betrachtung nach Beendigung der Einsatzfahrt, die der Einsatzfahrer nicht anstellen konnte, an. Vielmehr ist allein entscheidend, ob der Fahrer sich nach der ihm bekannten Lage aufgrund des Inhalts des Einsatzbefehls und der beschriebenen Krankheitssymptome für berechtigt halten durfte, die Sonderrechte aus § 35 Abs. 5 a StVO in Anspruch zu nehmen (OLG Düsseldorf, NZV 2010, 267 mwN.; vgl. auch Hentschel aaO § 35 StVO Rn. 5; Burmann aaO § 35 StVO Rn. 9). Das Amtsgericht hat - insoweit unwidersprochen - festgestellt, dass die Rettungsleitstelle Saarland die Einsatzanweisung mit dem Hinweis "medizinischer Notfall" gegeben hatte. Aufgrund dieses Einsatzbefehls war bei einer sachgemäßen Vorwegbeurteilung (Hentschel aaO § 38 StVO Rn. 8) höchste Eile zur Rettung von Menschenleben geboten. Denn weder dem Fahrer des Rettungsdienstfahrzeuges noch dem Rettungsarzt waren weitere Informationen zugänglich, die sie in die Lage versetzt hätten, eine verlässliche Einschätzung im Hinblick auf den Einsatzbefehl und die Notwendigkeit der Inanspruchnahme von Sonderrechten abzugeben. In einer solchen Situation darf ein Fahrer eines Rettungsdienstfahrzeuges aber insbesondere mit Blick auf die möglichen Folgen eines zu späten Eintreffens am Einsatzort davon ausgehen, dass zur Abwendung der Gefahr für Menschenleben Sonderrechte in Anspruch genommen werden dürfen."
vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 01.07.2011 - 13 S 61/11
Sonderrechtfahrzeuge mit Blaulicht und Martinshorn bei Geschwindigkeit bis 30 km/h nur mit geringer Haftungsuote
"Die Rechtsprechung geht bei einem Wegerechtsfahrzeug, das auf einer ampelgeregelten Kreuzung einen Zusammenstoß verursacht, noch von einer Schadensteilung aus, wenn das Einsatzfahrzeug die Warnsignale eingeschaltet und eine Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h aufgewiesen hat. Bei einer höheren Geschwind......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Rechtsprechung geht bei einem Wegerechtsfahrzeug, das auf einer ampelgeregelten Kreuzung einen Zusammenstoß verursacht, noch von einer Schadensteilung aus, wenn das Einsatzfahrzeug die Warnsignale eingeschaltet und eine Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h aufgewiesen hat. Bei einer höheren Geschwindigkeit wird jedoch in der Regel die überwiegende Mitverursachung oder Alleinhaftung auf Seiten des Sonderrechtsfahrzeugs angenommen (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 18 m. w. N.)."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 03.08.2011 - 14 U 158/10
Sonderrechtsfahrzeuge / Wegerechtsfahrzeuge
"aa) Das Sonderrecht des § 35 Abs. 1 StVO und der Anspruch des Wegerechtsfahrzeugs auf freie Bahn decken sich nicht. Ein Wegerecht ist nur dann rechtswirksam in Anspruch genommen, wenn blaues Blinklicht (§ 52 Abs. 3 StVZO) und Tonsignal des Einsatzhorns (§ 55 Abs. 3 StVZO) rechtzeitig zusammen zur Verf......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"aa) Das Sonderrecht des § 35 Abs. 1 StVO und der Anspruch des Wegerechtsfahrzeugs auf freie Bahn decken sich nicht. Ein Wegerecht ist nur dann rechtswirksam in Anspruch genommen, wenn blaues Blinklicht (§ 52 Abs. 3 StVZO) und Tonsignal des Einsatzhorns (§ 55 Abs. 3 StVZO) rechtzeitig zusammen zur Verfolgung der in § 38 Abs. 1 StVO genannten Zwecke gegeben werden, d. h. wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, aber auch, um eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten (vgl. KG, VersR 2007, 413; KG, NZV 2003, 481; OLG Köln, NZV 1996, 237; so auch Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 38 StVO Rdnr. 3 m. w. N.).
Die Befreiung von Verkehrsvorschriften steht den Wegerechtsfahrzeugen beim Einschalten von Blaulicht und Einsatzhorn nur zu, wenn sie einem der in § 35 Abs. 1 aufgeführten Hoheitsträger zugehören (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 38 StVO Rdnr. 2), was hier jedoch für die Beklagten nicht der Fall war.
Die übrigen Wegerechtsfahrzeuge - wie Unfall- und Krankenwagen und unter Umständen auch ein Fahrzeug der Unfallforschung - sind nicht allgemein von der Einhaltung der Verkehrsvorschriften befreit. Für sie gilt stets die Einschränkung des § 35 Abs. 5 a StVO, es muss also höchste Eile geboten sein, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Beide Voraussetzungen sind hier jedoch in keiner Weise dargelegt. Es ist - wie erwähnt - nicht ansatzweise erkennbar, dass der Wagen der Unfallforschung höchste Eile hatte, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 03.08.2011 - 14 U 158/10
unberechtigte Nnutzung der Sonderrecchte begründet Mithaftug
"Dies bezieht sich aber nur darauf, ob der Unfallgegner das Vorrecht einräumen muss und seinerseits gegen § 38 StVO verstößt, wenn er solches unterlässt.
Davon unabhängig ist die Frage zu beurteilen, ob der Fahrer des Sonderfahrzeugs bei einer missbräuchlichen Verwendung des Sondersignal......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Dies bezieht sich aber nur darauf, ob der Unfallgegner das Vorrecht einräumen muss und seinerseits gegen § 38 StVO verstößt, wenn er solches unterlässt.
Davon unabhängig ist die Frage zu beurteilen, ob der Fahrer des Sonderfahrzeugs bei einer missbräuchlichen Verwendung des Sondersignals (mit)haftet. In diesem Zusammenhang ist es nicht nur zulässig, sondern sogar geboten, bei der Bewertung des Sorgfaltspflichtverstoßes des Fahrers zu berücksichtigen, ob die Voraussetzungen für den Einsatz des Sondersignals vorlagen. Denn für die Frage des unfallursächlichen Mitverschuldens des Wegerechtsfahrers ist maßgeblich, ob dieser den ihm obliegenden Pflichten nachgekommen ist und ob sich ein etwaiger Sorgfaltsverstoß unfallursächlich ausgewirkt hat. Eine rechtswidrige Verwendung des Blaulichts mit Einsatzhorn wirkt sich unfallursächlich aus, wenn sich in dem Unfallgeschehen - wie meist der Fall - die durch die (rechtswidrige) Inanspruchnahme des Wegerechts erhöhte Unfallgefahr verwirklicht hat (vgl. dazu auch OLG Dresden, Urteil vom 20.12.2000, Az. 12 U 2428/00; Wern, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 38 StVO Rn 18, 23; auch Heß, in: Burmann u.a., Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage 2018, § 38 StVO Rn 5)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 04.05.2018 - 7 U 37/17
Verhalten des Idealfahrers bei Sichtbehinderung und Martinshorn
"Ein Idealfahrer anstelle des Zeugen D hätte die Kreuzung erst passiert, wenn er trotz der Sichtbehinderung durch den haltenden Lastwagen hätte ausschließen können, dass sich von rechts jemand nähert. Ein Idealfahrer anstelle des Zeugen E hätte das Martinshorn früher wahrgenommen bzw. aufgrund des ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Ein Idealfahrer anstelle des Zeugen D hätte die Kreuzung erst passiert, wenn er trotz der Sichtbehinderung durch den haltenden Lastwagen hätte ausschließen können, dass sich von rechts jemand nähert. Ein Idealfahrer anstelle des Zeugen E hätte das Martinshorn früher wahrgenommen bzw. aufgrund des wartenden LKW besondere Vorsicht walten lassen und sein Fahrverhalten darauf eingestellt (dazu auch: Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 5.11.2009, Az. 12 U 151/08)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 04.05.2018 - 7 U 37/17
Verhaltensweise beim Einfahren auf eine Ampelkreuzung mit Rotlicht für ein Fahrzeug mit Sonderrechten
"Selbst dann, wenn höchste Eile im Sinne des § 35 Abs. 5 a StVO geboten war und der Rettungswagen Blaulicht und Martinshorn angeschaltet gehabt hätte, durfte dessen Fahrerin nicht gleichsam blindlings oder auf gut Glück in die Kreuzung bei rotem Ampellicht einfahren, sondern hätte sich unter Beachtun......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Selbst dann, wenn höchste Eile im Sinne des § 35 Abs. 5 a StVO geboten war und der Rettungswagen Blaulicht und Martinshorn angeschaltet gehabt hätte, durfte dessen Fahrerin nicht gleichsam blindlings oder auf gut Glück in die Kreuzung bei rotem Ampellicht einfahren, sondern hätte sich unter Beachtung der Vorgaben des § 35 Abs. 8 StVO zuvor davon überzeugen müssen, dass alle anderen Verkehrsteilnehmer den Rettungswagen wahrgenommen und sich auf seine Durchfahrt eingestellt hatten. Nur dann darf nämlich der Fahrer eines Rettungsfahrzeuges darauf vertrauen, dass ihm von den anderen Verkehrsteilnehmern tatsächlich freie Fahrt gewährt wird (KG, VRS 113, 205, 207). Wird dies nicht beachtet, liegt hierin ein gravierender Verkehrsverstoß (OLG Celle, a.a.O., Rdnr. 22; OLG Naumburg, DAR 2009, 464, 465). Danach muss sich der Fahrer eines Rettungsfahrzeuges langsam in die Kreuzung hineintasten. Bei einer unübersichtlichen Kreuzung kann dies sogar die Verpflichtung bedeuten, nur mit Schrittgeschwindigkeit zu fahren und das Fahrzeug fast bis zum Stillstand abzubremsen, um sich auf diese Weise eine hinreichende Übersicht über die Verkehrslage zu ermöglichen (KG, VRS 113, Seite 207)."
vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 21.07.2011 - 4 U 23/11
"Bei Einhaltung der im Straßenverkehr gebotenen Sorgfalt musste die Klägerin die Signale des Einsatzfahrzeuges auch rechtzeitig wahrnehmen. Denn ein am normalen Straßenverkehr teilnehmender Kraftfahrer muss grundsätzlich Vorsorge treffen, dass er die von einem herannahenden Einsatzfahrzeug abgegebenen......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Bei Einhaltung der im Straßenverkehr gebotenen Sorgfalt musste die Klägerin die Signale des Einsatzfahrzeuges auch rechtzeitig wahrnehmen. Denn ein am normalen Straßenverkehr teilnehmender Kraftfahrer muss grundsätzlich Vorsorge treffen, dass er die von einem herannahenden Einsatzfahrzeug abgegebenen besonderen Warnsignale rechtzeitig wahrnehmen kann. Ein derart wahrnehmungsbereiter und aufmerksamer Verkehrsteilnehmer kann insbesondere das eingeschaltete Einsatzhorn mit seinem durchdringenden, besonders auffälligen Ton in der Regel schon von weitem hören (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1992, 1129)."
vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 01.07.2011 - 13 S 61/11
von StVO befreite Einsatzfahrzeuge, rechtliche Überprüfbarkeit
"aa) Gemäß § 35 Abs. 1 StVO sind von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung die Bundeswehr, die Bundespolizei, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Darüber hinaus sind gemäß § 35 Ab......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"aa) Gemäß § 35 Abs. 1 StVO sind von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung die Bundeswehr, die Bundespolizei, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Darüber hinaus sind gemäß § 35 Abs. 5 a StVO Fahrzeuge des Rettungsdienstes von den StVO-Vorschriften befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.
Fahrzeuge der Unfallforschung - wie das der Beklagten - fallen demnach nicht in den in § 35 StVO genannten Kreis der Sonderrechtsfahrzeuge.
(1) Diese Frage ist gerichtlich überprüfbar (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 35 StVO Rdnr. 6). Im Hinblick auf die mit der Wahrnehmung von Sonderrechten verbundenen erheblichen Gefährdungen ist der Anwendungsbereich des § 35 StVO - auch weil er eine Ausnahmevorschrift darstellt - eng auszulegen (vgl. Hentschel/König/Dauer a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 3). Entsprechend hat das OLG Stuttgart (NZV 2002, 410, juris-Rdnr. 9) ausgeführt, dass aus dem Standort der Norm des § 35 StVO am Ende des ersten Abschnitts der StVO („allgemeine Verkehrsregeln“) und angesichts dessen, dass diese Sonderregelung von den Vorschriften der StVO vollständig befreit, zu schließen ist, dass es sich um eine eng auszulegende Sondervorschrift handelt.
(2) Die Unfallforschung wird zudem ihrer Bestimmung nach nicht betrieben, um in höchster Eile Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Als Teil der Ingenieurwissenschaften dient sie dem Ziel, Ablauf und Ursachen eines Unfalles im Nachhinein zu rekonstruieren (Unfallanalyse). Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sind darüber hinaus in ihrer Summe Grundlagen für die Erarbeitung von Vorschriften und Ansätzen der Unfallverhütung. In Deutschland wird Unfallforschung im Straßenverkehr neben der Polizei von unterschiedlichen Organisationen betrieben, unter anderem von der Verkehrsunfallforschung an der TU Dresden GmbH, von der (im hiesigen Fall eingesetzten) Unfallforschung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), der Unfallforschung der DEKRA und der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Darüber hinaus betreiben auch verschiedene Fahrzeughersteller eine eigene Unfallforschung. Dabei werden reale (Verkehrs-)Unfälle vor Ort untersucht und statistisch erfasst. Ziel der Unfallforschung ist es, Informationen über Fahrzeugsicherheit, Mängel im Straßenraum, häufige Unfallursachen, Unfallorte oder typische Verletzungen, aber auch Verkehrsverhaltensprobleme zu ermitteln. Das so erlangte Wissen kann herangezogen werden, um Unfälle zu vermeiden oder die Sicherheit bei Unfällen zu verbessern (vgl. einführend http://de.wikipedia.org/wiki/Unfallforschung).
Diese Zielsetzung wird auch von der MHH für ihre eigene Verkehrsunfallforschung angegeben. Das Forschungsprojekt dient danach "der Erfassung von Informationen aus Verkehrsunfällen mit Personenschaden und liefert Grundlagendaten für den Gesetzgeber, die Industrie sowie auch andere Institutionen. Hierzu wird eine Datenbank bereitgehalten, in der bislang etwa 17.000 Unfälle mit 28.000 Fahrzeugen, 23.000 verletzten Personen und 100.000 Einzelverletzungen gespeichert sind" (vgl. http://www.mhh-unfallforschung.de/index.htm / Zielsetzung). Dabei ist der Einsatz bei der Unfallaufnahme - um den es in diesem Fall geht - von vornherein nicht auf die Rettung von Menschenleben oder die Abwehr schwerer gesundheitlicher Schäden gerichtet, wie bereits die Zusammensetzung des Einsatzteams zeigt: "Das zum Unfallort entsandte Forscherteam wird aus studentischen Mitarbeitern der Fachrichtungen Ingenieurswissenschaften und Medizin gebildet" (s. http://www.mhh-unfallforschung.de/index.htm / Zielsetzung / Organisationsform). Insbesondere ein Arzteinsatz zur Rettung von Menschenleben ist damit schon der Zielsetzung und Aufgabenstellung nach nicht vorgesehen. Die Mitarbeiter der Verkehrsunfallforschung der MHH sind in Konsequenz daraus fast ausschließlich Diplomingenieure oder professionelle Datenbankbetreuer; ein Notarzt- oder ein vergleichbares Rettungsteam existiert hier nicht (vgl. http://www.mhh-unfallforschung.de/index.htm / Management / Mitarbeiter).
(3) Es ist schließlich auch in keiner Weise dargetan, dass der Beklagte zu 2 bzw. das Einsatzteam der Unfallforschung in dem hier zu beurteilenden Fall tatsächlich in gebotener höchster Eile unterwegs waren, um zumindest schwere Schäden für die Gesundheit von Unfallbeteiligten abzuwenden."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 03.08.2011 - 14 U 158/10
Wegevorrecht bei Blaulicht und gleichzeitigem Martinshorn
"Nach § 38 Abs. 1 StVO besteht ein Wegevorrecht für Sonderfahrzeuge, wenn sie sich unter Einsatz der Sondersignale blaues Blinklicht und Einsatzhorn nähern. Es ordnet gemäß § 38 Abs. 1 S. 2 StVO an, dass alle übrigen Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen haben. Die gleichzeitige Nutzung ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Nach § 38 Abs. 1 StVO besteht ein Wegevorrecht für Sonderfahrzeuge, wenn sie sich unter Einsatz der Sondersignale blaues Blinklicht und Einsatzhorn nähern. Es ordnet gemäß § 38 Abs. 1 S. 2 StVO an, dass alle übrigen Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen haben. Die gleichzeitige Nutzung von Blaulicht und Einsatzhorn ist Voraussetzung für die Anwendung von § 38 StVO. Das Sonderrecht nach § 35 Abs. 5a StVO muss hingegen nicht durch diese Sondersignale angezeigt werden (Heß, in: Burmann u.a., Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage 2018, § 35 StVO Rn 9)."