"Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger zumindest gegen die ihn treffende doppelte Rückschaupflicht verstoßen hat. Zwar hat der Kläger im Rahmen der informatorischen Befragung angegeben, er habe eine doppelte Rückschau durchgeführt, er hab......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger zumindest gegen die ihn treffende doppelte Rückschaupflicht verstoßen hat. Zwar hat der Kläger im Rahmen der informatorischen Befragung angegeben, er habe eine doppelte Rückschau durchgeführt, er habe in alle Richtungen gesehen, bevor er das Abbiegemanöver eingeleitet habe. Aus dem eingeholten Sachverständigengutachten des dem Gericht aus einer Vielzahl vergleichbarer Rechtsstreitigkeiten als ausgesprochen kompetent bekannten Sachverständigen Dipl.-Ing."....."vom 20. Juni 2016 ergibt sich jedoch, dass das Motorrad für den Kläger in jedem Fall auf der linken Fahrspur fahrend erkennbar gewesen ist. Der Sachverständige führt aus, dass der Beklagte nach seinen eigenen Angaben ca. 75 - 100 m vor Erreichen des Kollisionspunktes den Spurwechsel nach links durchgeführt haben wolle. In einem solchen Fall wäre das Motorrad auf der linken Fahrspur längere Zeit als überholendes Fahrzeug erkennbar gewesen. Berücksichtige man den spätesten Spurwechsel mit einem Einfahren in die linke Fahrspur ca. 35 m vor Erreichen des Kollisionspunktes, so wäre das Motorrad beim Beginn des Abbiegevorganges für den Kläger erkennbar gewesen. Durch Verbleiben in der rechten Fahrspur und Abbremsens wäre der Unfall - so der Sachverständige - deshalb für den Kläger vermeidbar gewesen. Der Sachverständige hat im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens in der öffentlichen Sitzung vom 23. November 2016 ausgeführt, dass die Endlage des Motorrades bzw. des Beklagten zu 1), wie dokumentiert, nur erreicht werden könne, wenn es zu einem schrägen Aufprall auf den Heckträger gekommen sei. Zu einem schrägen Aufprall könne es aber nur dann kommen, wenn sich das Motorrad irgendwann auf der linken Fahrspur befunden habe.
Aber auch der Beklagte zu 1) hat sich nicht wie der vom Bundesgerichtshof stets geforderte sogenannte "Idealfahrer" verhalten. Denn aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger mit seinem "....." auf der Landstraße bis auf eine Geschwindigkeit von ca. 20 - 25 km/h abgebremst, sich auf der rechten Fahrspur zumindest am linken Rand eingeordnet und den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hat. Die Zeugin".....", an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln die Kammer keinerlei Anlass hat, hat bei ihrer Vernehmung angegeben, dass sie den Kläger habe ankommen sehen und dass der Blinker am "....." eingeschaltet gewesen sei sowie, dass sich der Kläger auf seiner Fahrspur links eingeordnet habe. Die genaue Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeuges vermochte die Zeugin zwar nicht anzugeben, sie hat allerdings einen Rückschluss aus ihrer eigenen Fahrweise angegeben und meinte, sollte der Kläger "offensiver" fahren, so habe die Geschwindigkeit vielleicht 30 km/h betragen. Aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten folgt, dass der klägerische "....." mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von 10 bis 15 km/h gefahren ist. Gleichgültig, ob der Kläger nun mit 15 - 20 km/h oder aber mit 30 km/h gefahren ist, unter Berücksichtigung der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sowie dem Umstand, dass das Fahrzeug links geblinkt hat und sich auch zur Mitte hin eingeordnet hatte, lag für den Beklagten zu 1) in jedem Fall eine unklare Verkehrssituation vor, so dass er nicht ohne weiteres mit seinem Motorrad zum Überholen ansetzen durfte, sondern vielmehr eine Zeit hinter dem "....." herfahren müssen, um zu eruieren, welche Absichten der Kläger hegt.
Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führt zu dem Ergebnis, dass vorliegend eine Haftungsverteilung von 40 : 60 zu Lasten der Beklagten vorzunehmen ist."
vgl. LG Kassel, Urteil vom 23.11.2016 - 6 O 253/15
Abwägung: Alleinhaftung des Linkabbiegers gegenüber Fahrzeug mit Sonderrechten
"4. Die Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG führt zur Alleinhaftung der Beklagten. Auf Seiten der Erstbeklagten wirkt sich der doppelte Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO und § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO aus. Auf Seiten des Klägers kann lediglich die durch das innerörtliche Überholmanöver erh......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"4. Die Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG führt zur Alleinhaftung der Beklagten. Auf Seiten der Erstbeklagten wirkt sich der doppelte Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO und § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO aus. Auf Seiten des Klägers kann lediglich die durch das innerörtliche Überholmanöver erhöhte Betriebsgefahr Berücksichtigung finden. Diese tritt allerdings gegenüber dem Verschulden der Erstbeklagten zurück. Denn das Verschulden eines Linksabbiegers wiegt gegenüber einem Fahrzeug, das in zulässiger Weise Sonderrechte nach § 35 Abs. 5 a StVO in Anspruch nimmt, so schwer, dass eine Mithaftung grundsätzlich nur in Betracht kommt, wenn den Sonderrechtsfahrer ein mitwirkendes Verschulden trifft (vgl. KG, NZV 2008, 147)."
vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 01.07.2011 - 13 S 61/11
Alleinhaftung des spurwechselnden LKW beim Abbiegen gegenüber einem PKW mit einfacher Betriebsgefahr
"3. In rechtlicher Hinsicht liegt damit auf Seiten der Beklagten ein Verstoß ihres Fahrers gegen die Sorgfaltsanforderungen beim Spurwechsel nach § 7 Abs. 5 StVO vor. Demnach darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Für ein Versch......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"3. In rechtlicher Hinsicht liegt damit auf Seiten der Beklagten ein Verstoß ihres Fahrers gegen die Sorgfaltsanforderungen beim Spurwechsel nach § 7 Abs. 5 StVO vor. Demnach darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Für ein Verschulden des Beklagten-Fahrers spricht insoweit bereits der Beweis des ersten Anscheins (st. Rspr. z.B. OLG München Endurteil v. 23.3.2022 – 10 U 7411/21 e, BeckRS 2022, 6219; OLG Köln, 22.04.2015 – 11 U 154/14, juris; KG NZV 2011, 185; OLG Sachsen-Anhalt NZV 2008, 618; OLG Bremen VersR 1997, 253; KG NZV 2004, 28). Tatsächlich ist aber aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere des schlüssigen „Anerkenntnisses“ des Beklagten-Fahrers davon auszugehen, dass ein schuldhafter Verstoß ohnehin positiv bewiesen ist.
Hinzu tritt, dass der Beklagten-Lkw, der ausweislich der Erhebungen des Sachverständigen ein Leergewicht von ca. 8,6 t hat (Sachverständigengutachten S. 14), den linken Fahrstreifen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 3 S. 1 StVO befahren hat.
Dem Kläger wiederum kann ein unfallursächlicher Sorgfaltsverstoß nicht vorgeworfen werden. Insbesondere steht nicht fest, dass er sich mit seinem Fahrzeug neben den Beklagten-Lkw „setzte“, als dessen Ansetzen zum Spurwechsel bereits erkennbar war. Dass im Hinblick auf die vom Sachverständigen festgestellten geringfügige Geschwindigkeitsdifferenz – auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers hierzu – das Klägerfahrzeug rechts schneller als der Beklagten-Lkw fuhr, begründet keinen Sorgfaltsverstoß. Nach § 7 Abs. 3 S. 2 StVO durfte der Kläger im Bereich der Unfallstelle, wo mehrere markierte Fahrstreifen für eine Richtung vorhanden sind, rechts schneller fahren als links.
Auch wenn letztlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Kollision für den Kläger nachweislich unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG war (schließlich hatte der Kläger nach eigenen Angaben mindestens bereits zwei vergleichbare Unfälle an dieser Stelle gehabt, sodass er sich möglicherweise noch vorausschauender hätte verhalten können), ist im Zuge der Abwägung von einer 100-prozentigen Haftung der Beklagten auszugehen. Dem klaren Verstoß des Beklagten-Fahrers beim Spurwechsel (§ 7 Abs. 5 StVO) steht die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Kläger-Fahrzeugs gegenüber. Dies führt nach einheitlicher und ständiger Rechtsprechung zu einer vollen und alleinigen Haftung des Spurwechslers (z.B. OLG München Endurteil v. 23.3.2022 – 10 U 7411/21, BeckRS 2022, 6219; OLG Saarbrücken 1.8.2019 – 4 U 18/19; OLG Hamm 27.10.2014 – 9 U 60/14; OLG München 13.7.2018 – 10 U 1856/17).
"
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 15.02.2024 – 2 O 4326/22
Alleinhaftung des verkehrswidrigen Linksabbiegers ggü. überholendem Motorrad
"Auf Seiten des Klägers ist hingegen lediglich die einfache Betriebsgefahr in Ansatz zu bringen. Der Senat verneint eine Mithaftung des Klägers zu 25 %, da diesem - wie ausgeführt - ein Verschulden nicht nachgewiesen werden kann und die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden nach gefestigter R......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Auf Seiten des Klägers ist hingegen lediglich die einfache Betriebsgefahr in Ansatz zu bringen. Der Senat verneint eine Mithaftung des Klägers zu 25 %, da diesem - wie ausgeführt - ein Verschulden nicht nachgewiesen werden kann und die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden nach gefestigter Rechtsprechung des Senats regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurücktritt (Senat Hinweisbeschl. v. 21.12.2021 - 7 U 41/21, BeckRS 2021, 54315 Rn. 14; Senat Urt. v. 3.12.2021 - I-7 U 33/20, NJW-RR 2022, 676 Rn. 18; ebenso: OLG Saarbrücken Beschl. v. 12.3.2015 - 4 U 187/13, BeckRS 2015, 8438 Rn. 43; OLG Jena Urt. v. 28.10.2016 - 7 U 152/16, NJW-RR 2017, 605 Rn. 17)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 08.07.2022 - 7 U 106/20
einfache Betriebsgefahr des Überholes tritt zurück ggü. Linksabbieger
"Die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden tritt regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurück (OLG Hamm Urt. v. 03.12.2021 - I-7 U 33/20, juris Rn. 19; v. 08.07.2022 - I-7 U 106/20, juris Rn. 23; Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden tritt regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurück (OLG Hamm Urt. v. 03.12.2021 - I-7 U 33/20, juris Rn. 19; v. 08.07.2022 - I-7 U 106/20, juris Rn. 23; Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, juris Rn. 35). Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, da wegen der höheren Masse und der Gefahren, die aus deren Beschleunigung erwachsen, die Betriebsgefahr eines Traktors mit angehängtem Arbeitsgerät die eines fahrenden PKW übertreffen. Daher ist die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs auf Beklagtenseite aufgrund der Größe und Schwerfälligkeit des Gespanns höher als die eines PKW zu bewerten. Hinzu kommt, dass das Einbiegen auf einen zwischen Feldern gelegenen Weg für den Folgeverkehr generell schwieriger zu erkennen ist (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, juris Rn. 36)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.04.2024 - 7 U 83/22
Grundsatz beim Auffahrunfall und Ausnahmen
"Hält das Erstfahrzeug wegen eines einbiegenden Fahrzeugs zu Recht an, so ist in der Regel von der Alleinhaftung des Auffahrenden auszugehen (vgl. BGH, VersR 1957, 65). Ausgehend von der grundsätzlichen Alleinhaftung des Auffahrenden kommt eine Mithaftung des Erstfahrzeugs z.B. in Betracht, wenn sein Fa......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Hält das Erstfahrzeug wegen eines einbiegenden Fahrzeugs zu Recht an, so ist in der Regel von der Alleinhaftung des Auffahrenden auszugehen (vgl. BGH, VersR 1957, 65). Ausgehend von der grundsätzlichen Alleinhaftung des Auffahrenden kommt eine Mithaftung des Erstfahrzeugs z.B. in Betracht, wenn sein Fahrer selbst verspätet abbremst oder nur fehlerhaft von der Verletzung seines Vorfahrtrechts ausgegangen ist (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 17. Auflage, Rn. 116)."
vgl. LG Bochum, Urteil vom 07.06.2023 - 4 O 238/22
"Hinzukommt, dass in der Regel die Betriebsgefahr desjenigen, der - wie hier die Beklagte zu 1) - unter Außerachtlassung der Sorgfalt des § 9 Abs. 5 StVO in ein Grundstück abbiegen will, in der Regel doppelt so hoch zu bewerten ist wie die Betriebsgefahr desjenigen, der den Abbieger in unzulässiger We......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Hinzukommt, dass in der Regel die Betriebsgefahr desjenigen, der - wie hier die Beklagte zu 1) - unter Außerachtlassung der Sorgfalt des § 9 Abs. 5 StVO in ein Grundstück abbiegen will, in der Regel doppelt so hoch zu bewerten ist wie die Betriebsgefahr desjenigen, der den Abbieger in unzulässiger Weise überholt (Senat, Urteil vom 06.05.2014, I-1 U 32/13, juris, Rn. 10). Zudem hat die Beklagte zu 1) über eine Sperrfläche hinweg abbiegen wollen und musste auch mit Verkehr auf der Sperrfläche rechnen. Denn unstreitig fuhren dort Straßenbahnen; die Sperrfläche war sogar eingerichtet, damit diese störungsfrei fahren konnten. Auf Seiten des Klägers ist allerdings zu berücksichtigen, dass er ebenfalls über die Sperrfläche gefahren ist. Weiter ist er zu schnell gefahren. Entgegen seiner Ansicht handelt es sich auch nicht um eine zu vernachlässigende Geschwindigkeitsüberschreitung. Sie betrug immerhin etwa 15 %, wenn es auch in absoluten Zahlen nur 8 km/h waren, wobei sich bei der Verursachung maßgeblich der erhebliche Geschwindigkeitsüberschuss gegenüber dem stockenden Verkehr ausgewirkt hat.
Insgesamt hält der Senat daher bei der Abwägung im Rahmen des § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG eine Quote von 40 % zu 60 % zu Lasten der Beklagten für angemessen.
"
vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.09.2019 - 1 U 82/18
Linksabbieger haftet im Regelfall allein
"Letzterer ist an der Kreuzung nach links abgebogen, obwohl ihm erkennbar der von dem Beklagten zu 1 gelenkte Pkw entgegenkam. Damit hat der Kläger, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, gegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift muss, wer links abbiegen will, entgegenko......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Letzterer ist an der Kreuzung nach links abgebogen, obwohl ihm erkennbar der von dem Beklagten zu 1 gelenkte Pkw entgegenkam. Damit hat der Kläger, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, gegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift muss, wer links abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Den Linksabbieger trifft mithin eine Wartepflicht. Deren Nichtbeachtung stellt nach ständiger Rechtsprechung einen besonders schwerwiegenden Verkehrsverstoß dar. Genügt ein Verkehrsteilnehmer dieser Wartepflicht nicht 7 und kommt es deshalb zu einem Unfall, hat er in der Regel, wenn keine Besonderheiten vorliegen, in vollem Umfang oder doch zumindest zum größten Teil für die Unfallfolgen zu haften (vgl. Senatsurteil vom 11. Januar 2005 - VI ZR 352/03, VersR 2005, 702 mwN). Der Linksabbieger muss den Vorrang des Gegenverkehrs grundsätzlich auch dann beachten, wenn dieser bei Gelb oder bei frühem Rot einfährt (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, Stand: 10. Januar 2010, § 14 Rn. 125). Selbst eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung des geradeaus Fahrenden hebt dessen Vorrecht nicht auf (vgl. Senatsurteil vom 14. Februar 1984 - VI ZR 229/82, VersR 1984, 440; OLG Hamm, NZV 2001, 520). In Fallgestaltungen dieser Art wird allerdings je nach Gewichtung der beiderseitigen Verursachungsanteile unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände regelmäßig eine Mithaftung beider Unfallbeteiligter anzunehmen sein. Eine überwiegende Haftung des geradeaus Fahrenden als auch eine Haftungsquote von 50 % ist nur ausnahmsweise in besonders gelagerten Einzelfällen gerechtfertigt (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 12. Aufl. Rn. 222 und Vorbemerkung vor Rn. 221)."
vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2012 - VI ZR 133/11
Linksabbieger im Kreuzungsbereich muss Vorfahrt gewähren
"Letzterer ist an der Kreuzung nach links abgebogen, obwohl ihm erkennbar der von dem Beklagten zu 1 gelenkte Pkw entgegenkam. Damit hat der Kläger, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, gegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift muss, wer links abbiegen will, entgegenko......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Letzterer ist an der Kreuzung nach links abgebogen, obwohl ihm erkennbar der von dem Beklagten zu 1 gelenkte Pkw entgegenkam. Damit hat der Kläger, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, gegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift muss, wer links abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Den Linksabbieger trifft mithin eine Wartepflicht. Deren Nichtbeachtung stellt nach ständiger Rechtsprechung einen besonders schwerwiegenden Verkehrsverstoß dar. Genügt ein Verkehrsteilnehmer dieser Wartepflicht nicht 7 und kommt es deshalb zu einem Unfall, hat er in der Regel, wenn keine Besonderheiten vorliegen, in vollem Umfang oder doch zumindest zum größten Teil für die Unfallfolgen zu haften (vgl. Senatsurteil vom 11. Januar 2005 - VI ZR 352/03, VersR 2005, 702 mwN). Der Linksabbieger muss den Vorrang des Gegenverkehrs grundsätzlich auch dann beachten, wenn dieser bei Gelb oder bei frühem Rot einfährt (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, Stand: 10. Januar 2010, § 14 Rn. 125). Selbst eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung des geradeaus Fahrenden hebt dessen Vorrecht nicht auf (vgl. Senatsurteil vom 14. Februar 1984 - VI ZR 229/82, VersR 1984, 440; OLG Hamm, NZV 2001, 520). In Fallgestaltungen dieser Art wird allerdings je nach Gewichtung der beiderseitigen Verursachungsanteile unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände regelmäßig eine Mithaftung beider Unfallbeteiligter anzunehmen sein. Eine überwiegende Haftung des geradeaus Fahrenden als auch eine Haftungsquote von 50 % ist nur ausnahmsweise in besonders gelagerten Einzelfällen gerechtfertigt (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 12. Aufl. Rn. 222 und Vorbemerkung vor Rn. 221). Eine Haftungsteilung je zur Hälfte ist in der Rechtsprechung teilweise bei einer Kollision zwischen dem wartepflichtigen Linksabbieger und einem entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer auf einer mit einer Lichtzeichenanlage geregelten Kreuzung etwa dann angenommen worden, wenn der entgegenkommende Unfallgegner in später Gelbphase oder beginnender Rotphase an anderen, auf einem parallelen Fahrstreifen bereits haltenden Fahrzeugen vorbei in den Kreuzungsbereich eingefahren ist (vgl. OLG Düsseldorf [Urteil vom 16. Oktober 1975 - 12 U 156/74] r+s 1976, 205; KG, VerkMitt 1984, 36 f.; OLG Hamm, VersR 90, 99). Um eine solche oder eine ähnlich zu bewertende Fallgestaltung handelt es sich vorliegend jedoch nicht."
vgl. BGH, Urteil vom 07.02.2012 - VI ZR 133/11
reine Betriebsgefahr des Überholenden tritt hinter den Abbiegenden zurück
"Da die Beklagte lediglich für die reine Betriebsgefahr einzustehen hat, der Zeuge A aber gegen die Pflichten beim Abbiegen, indem er quasi nach hinten "blind" abgebogen ist, schwerwiegend verstoßen hat und sich das Gespann mit dem schwer erkennbaren Fahrtrichtungsanzeiger in einem nicht ordnungsgemäß......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Da die Beklagte lediglich für die reine Betriebsgefahr einzustehen hat, der Zeuge A aber gegen die Pflichten beim Abbiegen, indem er quasi nach hinten "blind" abgebogen ist, schwerwiegend verstoßen hat und sich das Gespann mit dem schwer erkennbaren Fahrtrichtungsanzeiger in einem nicht ordnungsgemäßen Zustand befunden hat, tritt die reine Betriebsgefahr des bei der Beklagten versicherten Motorrads - bei Durchführung der nach § 17 Abs. 2 und 1 StVG gebotenen Abwägung der Verursachungsbeiträge - vollständig zurück.
Dies entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Senats, wonach die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden, wenn also ein Verschulden des Überholenden nicht nachgewiesen werden kann oder ausgeschlossen ist, regelmäßig hinter dem - vorliegend sogar mehrfachen - Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurücktritt (OLG Hamm, Urteil vom 8. Juli 2022 - I-7 U 106/20, NJOZ 2022, 1550 Rn. 23 mit zahlreichen weiteren Nachweisen)."