Alleinhaftung des spurwechselnden LKW beim Abbiegen gegenüber einem PKW mit einfacher Betriebsgefahr
"3. In rechtlicher Hinsicht liegt damit auf Seiten der Beklagten ein Verstoß ihres Fahrers gegen die Sorgfaltsanforderungen beim Spurwechsel nach § 7 Abs. 5 StVO vor. Demnach darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Für ein Versch......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"3. In rechtlicher Hinsicht liegt damit auf Seiten der Beklagten ein Verstoß ihres Fahrers gegen die Sorgfaltsanforderungen beim Spurwechsel nach § 7 Abs. 5 StVO vor. Demnach darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Für ein Verschulden des Beklagten-Fahrers spricht insoweit bereits der Beweis des ersten Anscheins (st. Rspr. z.B. OLG München Endurteil v. 23.3.2022 – 10 U 7411/21 e, BeckRS 2022, 6219; OLG Köln, 22.04.2015 – 11 U 154/14, juris; KG NZV 2011, 185; OLG Sachsen-Anhalt NZV 2008, 618; OLG Bremen VersR 1997, 253; KG NZV 2004, 28). Tatsächlich ist aber aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere des schlüssigen „Anerkenntnisses“ des Beklagten-Fahrers davon auszugehen, dass ein schuldhafter Verstoß ohnehin positiv bewiesen ist.
Hinzu tritt, dass der Beklagten-Lkw, der ausweislich der Erhebungen des Sachverständigen ein Leergewicht von ca. 8,6 t hat (Sachverständigengutachten S. 14), den linken Fahrstreifen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 3 S. 1 StVO befahren hat.
Dem Kläger wiederum kann ein unfallursächlicher Sorgfaltsverstoß nicht vorgeworfen werden. Insbesondere steht nicht fest, dass er sich mit seinem Fahrzeug neben den Beklagten-Lkw „setzte“, als dessen Ansetzen zum Spurwechsel bereits erkennbar war. Dass im Hinblick auf die vom Sachverständigen festgestellten geringfügige Geschwindigkeitsdifferenz – auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers hierzu – das Klägerfahrzeug rechts schneller als der Beklagten-Lkw fuhr, begründet keinen Sorgfaltsverstoß. Nach § 7 Abs. 3 S. 2 StVO durfte der Kläger im Bereich der Unfallstelle, wo mehrere markierte Fahrstreifen für eine Richtung vorhanden sind, rechts schneller fahren als links.
Auch wenn letztlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Kollision für den Kläger nachweislich unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG war (schließlich hatte der Kläger nach eigenen Angaben mindestens bereits zwei vergleichbare Unfälle an dieser Stelle gehabt, sodass er sich möglicherweise noch vorausschauender hätte verhalten können), ist im Zuge der Abwägung von einer 100-prozentigen Haftung der Beklagten auszugehen. Dem klaren Verstoß des Beklagten-Fahrers beim Spurwechsel (§ 7 Abs. 5 StVO) steht die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Kläger-Fahrzeugs gegenüber. Dies führt nach einheitlicher und ständiger Rechtsprechung zu einer vollen und alleinigen Haftung des Spurwechslers (z.B. OLG München Endurteil v. 23.3.2022 – 10 U 7411/21, BeckRS 2022, 6219; OLG Saarbrücken 1.8.2019 – 4 U 18/19; OLG Hamm 27.10.2014 – 9 U 60/14; OLG München 13.7.2018 – 10 U 1856/17).
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vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 15.02.2024 – 2 O 4326/22
Alleinhaftung des verkehrswidrigen Linksabbiegers ggü. überholendem Motorrad
"Auf Seiten des Klägers ist hingegen lediglich die einfache Betriebsgefahr in Ansatz zu bringen. Der Senat verneint eine Mithaftung des Klägers zu 25 %, da diesem - wie ausgeführt - ein Verschulden nicht nachgewiesen werden kann und die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden nach gefestigter R......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Auf Seiten des Klägers ist hingegen lediglich die einfache Betriebsgefahr in Ansatz zu bringen. Der Senat verneint eine Mithaftung des Klägers zu 25 %, da diesem - wie ausgeführt - ein Verschulden nicht nachgewiesen werden kann und die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden nach gefestigter Rechtsprechung des Senats regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurücktritt (Senat Hinweisbeschl. v. 21.12.2021 - 7 U 41/21, BeckRS 2021, 54315 Rn. 14; Senat Urt. v. 3.12.2021 - I-7 U 33/20, NJW-RR 2022, 676 Rn. 18; ebenso: OLG Saarbrücken Beschl. v. 12.3.2015 - 4 U 187/13, BeckRS 2015, 8438 Rn. 43; OLG Jena Urt. v. 28.10.2016 - 7 U 152/16, NJW-RR 2017, 605 Rn. 17)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 08.07.2022 - 7 U 106/20
Grundsatz beim Auffahrunfall und Ausnahmen
"Hält das Erstfahrzeug wegen eines einbiegenden Fahrzeugs zu Recht an, so ist in der Regel von der Alleinhaftung des Auffahrenden auszugehen (vgl. BGH, VersR 1957, 65). Ausgehend von der grundsätzlichen Alleinhaftung des Auffahrenden kommt eine Mithaftung des Erstfahrzeugs z.B. in Betracht, wenn sein Fa......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Hält das Erstfahrzeug wegen eines einbiegenden Fahrzeugs zu Recht an, so ist in der Regel von der Alleinhaftung des Auffahrenden auszugehen (vgl. BGH, VersR 1957, 65). Ausgehend von der grundsätzlichen Alleinhaftung des Auffahrenden kommt eine Mithaftung des Erstfahrzeugs z.B. in Betracht, wenn sein Fahrer selbst verspätet abbremst oder nur fehlerhaft von der Verletzung seines Vorfahrtrechts ausgegangen ist (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 17. Auflage, Rn. 116)."
vgl. LG Bochum, Urteil vom 07.06.2023 - 4 O 238/22