Allgemeines Erschütterung des Anscheinsbeweises und die Folge
"Erschüttert ist der Anscheinsbeweis, wenn die ernsthafte (reale) Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs besteht. Die Tatsachen, aus denen diese ernsthafte Möglichkeit hergeleitet wird, müssen unstreitig oder (voll) bewiesen sein. Zweifel gehen zulasten dessen, gegen d......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Erschüttert ist der Anscheinsbeweis, wenn die ernsthafte (reale) Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Geschehensablaufs besteht. Die Tatsachen, aus denen diese ernsthafte Möglichkeit hergeleitet wird, müssen unstreitig oder (voll) bewiesen sein. Zweifel gehen zulasten dessen, gegen den der Anscheinsbeweis streitet. Bei erfolgreicher Erschütterung besteht wieder die beweisrechtliche Normallage (OLG München NJW-RR 2014, 601, 602)."
vgl. Saarländisches OLG, Urteil vom 13.08.2020 - 4 U 6/20
Anscheinsbeweis bei Unfall im Kreisverkehr
"Ein Vorfahrtsverstoß einer der am Unfall beteiligten Parteien folgt auch nicht aus den Grundsätzen eines Anscheinsbeweises: Der Beweis des ersten Anscheins spricht dann für einen Vorfahrtsverstoß des in einen Kreisverkehr Einfahrenden, wenn er im Einmündungsbereich mit einem auf der Kreisfahrbahn fa......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Ein Vorfahrtsverstoß einer der am Unfall beteiligten Parteien folgt auch nicht aus den Grundsätzen eines Anscheinsbeweises: Der Beweis des ersten Anscheins spricht dann für einen Vorfahrtsverstoß des in einen Kreisverkehr Einfahrenden, wenn er im Einmündungsbereich mit einem auf der Kreisfahrbahn fahrenden Verkehrsteilnehmer kollidiert, dessen Vorfahrtsberechtigung feststeht, weil er zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist. Hier gilt die gleiche Lebenserfahrung wie an sonstigen Einmündungen auch (Spelz in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 8 StVO (Stand: 01.12.2021) Rn. 82)."
vgl. Saarländisches OLG, Urteil vom 13.10.2022 - 4 U 111/21
Anscheinsbeweis gegen den betrunkenen Kfz-Fahrer
"Es spricht nämlich ein Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit der Trunkenheit (im Sinne einer absoluten oder relativen Fahruntüchtigkeit) für einen Unfall, wenn dieser sich in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können (vgl. BGH, Urteil vom 2......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Es spricht nämlich ein Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit der Trunkenheit (im Sinne einer absoluten oder relativen Fahruntüchtigkeit) für einen Unfall, wenn dieser sich in einer Verkehrslage und unter Umständen ereignet, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können (vgl. BGH, Urteil vom 24.10.1955 - II ZR 345/53 -, BGHZ 18, 311, 318 f.; Urteil vom 30.10.1985 - IVa ZR 10/84 -, NJW-RR 1986, 323, 324; Urteil vom 10.01.1995 - VI ZR 247/94 -, NJW 1995, 1029, 1030; OLG Saarbrücken, Urteil vom 29.06.2017 - 4 U 62/16 -, r + s 2018, 154, 156; Burmann, in: ders./Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Aufl. 2022, § 287, Rdnr. 16; Kaufmann, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl. 2024, Kap. 25, Rdnr. 331). So liegt es hier. Gerade angesichts der freien Sicht für den Beklagten zu 1 unterliegt es keinem Zweifel, dass ein nüchterner Fahrer die Gruppe um die Klägerin wahrgenommen und rechtzeitig gebremst hätte."
vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 25.01.2024, Az. 26 U 11/23
Anscheinsbeweis zwischen Falschbeschilderung und Unfall
"3. Dass die Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten für den Schaden am Klägerfahrzeug ursächlich geworden ist, folgt bereits aus den Grundsätzen des Anscheinsbeweises.
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In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass bei der Verletzung von Schutzgesetzen sowie von Unfallverhütu......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"3. Dass die Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten für den Schaden am Klägerfahrzeug ursächlich geworden ist, folgt bereits aus den Grundsätzen des Anscheinsbeweises.
In der Rechtsprechung des BGH ist anerkannt, dass bei der Verletzung von Schutzgesetzen sowie von Unfallverhütungsvorschriften ein Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass der Verstoß für den Schadenseintritt ursächlich war, sofern sich gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, der das Schutzgesetz oder die Unfallverhütungsvorschrift entgegen wirken soll. Der Beweis des ersten Anscheins ist auch bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten geboten, die wie Schutzgesetze und Unfallverhütungsvorschriften typischen Gefährdungen entgegenwirken sollen, wenn sich in dem Schadensfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht, der durch die Auferlegung bestimmter Verhaltenspflichten begegnet werden soll (BGH, Urteil vom 09.09.2008 – VI ZR 279/06, r+s 2009, 35 m.w.N.).
Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die korrekte Beschilderung nach RSA 95 sollte "klare Verhältnisse schaffen" und damit den Autobahnverkehr vor Missverständnissen hinsichtlich der Verkehrsführung und einem Schadenseintritt bewahren. Umstände, die die Wirkung des Anscheinsbeweises in Frage stellen könnten, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Eigene Sorgfaltsverstöße der Fahrerin des Klägerfahrzeugs reichen hierfür nicht aus; sie sind lediglich im Rahmen der (Mit-)Verschuldensabwägung relevant."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 08.06.2017 - 2 S 5570/15
Lebenserfahrung spricht für Nutzungswillen eines privaten Kfz
"In der Regel spricht die Lebenserfahrung dafür, dass der Halter und Fahrer eines privat genutzten PKW diesen während eines unfallbedingten Ausfalls benutzt hätte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. Januar 2007 - I-1 U 151/06; Urteil vom 1. Oktober 2001, Az.: 1 U 206/00 sowie Urteil vom 29. Oktober 2001, ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"In der Regel spricht die Lebenserfahrung dafür, dass der Halter und Fahrer eines privat genutzten PKW diesen während eines unfallbedingten Ausfalls benutzt hätte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. Januar 2007 - I-1 U 151/06; Urteil vom 1. Oktober 2001, Az.: 1 U 206/00 sowie Urteil vom 29. Oktober 2001, Az.: 1 U 211/00; so auch OLG Celle VersR 1973, 717; OLG Frankfurt DAR 1984, 318; OLG Köln VRS 96, 325)."
vgl. OLG München, Endurteil vom 01.06.2022 - 10 U 7382/21 e
typische alkoholbedingte Fahrfehler: Abkommen von Straße, verspätete Reaktion
"Als typische alkoholbedingte Fahrfehler sind etwa das Abkommen von der Straße ohne ersichtlichen Grund bei einfacher Verkehrssituation (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 8. Januar 2020 - 11 U 197/18, juris; OLG Hamm, Urteil vom 30. Januar 1981 - 20 U 229/80, VersR 1981, 924), aber auch das......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Als typische alkoholbedingte Fahrfehler sind etwa das Abkommen von der Straße ohne ersichtlichen Grund bei einfacher Verkehrssituation (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 8. Januar 2020 - 11 U 197/18, juris; OLG Hamm, Urteil vom 30. Januar 1981 - 20 U 229/80, VersR 1981, 924), aber auch das deutlich verspätete Erkennen von Hindernissen oder Gefahrenmomenten und die damit verbundene verzögerte oder überzogene Reaktion des alkoholisierten Fahrers gewertet worden (vgl. die Nachweise bei Klimke in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, AKB 2015 A.2.9 Rdn. 52)."
vgl. Saarländisches OLG, Urteil vom 12.10.2022 - 5 U 22/22
Verhältnis zwischen Anscheinsbeweis und Beweisfragen
"c) Das "Kerngeschehen" (hier einer Vorfahrtssituation) als solches ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13. Dezember 2016 - VI ZR 32/16, NJW 2017, 1177 m.w.N. zu den Grundsätzen des Anscheinsbeweises am Beispiel des Auffahrunfalls) als Grundlage eines Anscheinsbeweises allerdin......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"c) Das "Kerngeschehen" (hier einer Vorfahrtssituation) als solches ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13. Dezember 2016 - VI ZR 32/16, NJW 2017, 1177 m.w.N. zu den Grundsätzen des Anscheinsbeweises am Beispiel des Auffahrunfalls) als Grundlage eines Anscheinsbeweises allerdings dann nicht ausreichend, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die als Besonderheit gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den getroffenen Feststellungen ergeben. Steht jedoch nicht fest, ob über das - für sich gesehen typische - Kerngeschehen hinaus Umstände vorliegen, die, sollten sie gegeben sein, der Annahme der Typizität des Geschehens entgegenstünden, so bestehen gegen die Anwendung des Anscheinsbeweises keine Bedenken. Ist also ein Sachverhalt unstreitig, zugestanden oder positiv festgestellt, der die für die Annahme eines Anscheinsbeweises erforderliche Typizität aufweist, so obliegt es demjenigen, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis angewendet werden soll, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass weitere Umstände vorliegen, die dem feststehenden Sachverhalt die Typizität wieder nehmen; er hat den Anscheinsbeweis zu erschüttern (vgl. BGH a.a.O., NJW 2017, 1177)."
vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 30.12.2019 - 13 S 66/19