Betriebsgefahr bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktion
"Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen ist es erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher jedenfalls dann, wenn die Fortbeweg......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen ist es erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher jedenfalls dann, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird oder bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat. Wann haftungsrechtlich nur noch die Funktion als Arbeitsmaschine infrage steht, lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entscheiden. Dabei ist es unter Schutzzweckgesichtspunkten von Bedeutung, ob der Arbeitseinsatz auf oder in örtlicher Nähe zu Straßenverkehrsflächen stattfindet (vgl. Senatsurteil vom 18. Juli 2023 - VI ZR 16/23, WM 2023, 2062 Rn. 13 f. mwN)."
vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2023 - VI ZR 77/23
Betriebsgefahr beim Entladen
"Der Halter haftet auch in diesen Fällen für die Gefahr, die das Kraftfahrzeug beim Entladen in dem in Anspruch genommenen Verkehrsraum für andere Verkehrsteilnehmer darstellt. Hierhin fällt nicht nur die Gefahr durch das entladende Kraftfahrzeug als solches, sondern auch diejenige, die von den Entlad......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Der Halter haftet auch in diesen Fällen für die Gefahr, die das Kraftfahrzeug beim Entladen in dem in Anspruch genommenen Verkehrsraum für andere Verkehrsteilnehmer darstellt. Hierhin fällt nicht nur die Gefahr durch das entladende Kraftfahrzeug als solches, sondern auch diejenige, die von den Entladevorrichtungen und dem Ladegut ausgeht (Senatsurteil vom 8. Dezember 2015 - VI ZR 139/15, BGHZ 208, 140 Rn. 14 mwN für das Entladen von Heizöl aus einem Tanklastwagen)."
vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2023 - VI ZR 77/23
Betriebsgefahr des verboten abgestellten Fahrzeuges
"Das Fahrzeug war vorliegend nämlich nicht ordnungsgemäß geparkt. Ein nicht ordnungsgemäß geparktes, weil in den Verkehr hineinragendes Fahrzeug wirkt jedoch im fließenden Verkehr. Es bildet gleich einem nur kurzfristig haltenden Fahrzeug ein Hindernis, von dem Gefahren für den fließenden Verkehr ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Das Fahrzeug war vorliegend nämlich nicht ordnungsgemäß geparkt. Ein nicht ordnungsgemäß geparktes, weil in den Verkehr hineinragendes Fahrzeug wirkt jedoch im fließenden Verkehr. Es bildet gleich einem nur kurzfristig haltenden Fahrzeug ein Hindernis, von dem Gefahren für den fließenden Verkehr ausgehen können (vgl. insoweit zur Argumentation OLG Karlsruhe, Urt. v. 29.06.2005, 1 U 247/04, Abs. 22 f.)."
vgl. LG München I, Urteil vom 26.05.2009 - 17 O 1695/09
Betriebsgefahr des verboten abgestellten Fahrzeuges kann zurücktreten, wenn ausreichend Platz vorhanden
"Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge trat der Sorgfaltspflichtverstoß der Klägerin hinter dem Sorgfaltspflichtverstoß des Fahrers der Beklagtenpartei zurück.
Die Straße war nämlich so breit, dass ein so enges Anfahren an die Fahrzeugseite des klägerischen Fahrzeugs, wie es die Beklagten......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge trat der Sorgfaltspflichtverstoß der Klägerin hinter dem Sorgfaltspflichtverstoß des Fahrers der Beklagtenpartei zurück.
Die Straße war nämlich so breit, dass ein so enges Anfahren an die Fahrzeugseite des klägerischen Fahrzeugs, wie es die Beklagtenpartei vorgetragen hat, nicht erforderlich gewesen wäre. Weiterhin haben dies auch die anwesenden Zeugen T. und K. so gesehen. Vielmehr ist der Müllwagen aus schlichter Unachtsamkeit dicht an den Wagen der Klagepartei herangefahren und hat diesen dann schließlich beim Anfahren gestreift.
Die Berechnungen des Sachverständigen haben ergeben, dass auch bei einem Parken mit einem unterstellten Seitenabstand von 50 cm noch ausreichend Platz gewesen wäre, um den Müllwagen zu beladen und zugleich Fahrzeuge passieren zu lassen. Der Sachverständige Dipl.-Ing. L. hat dies überzeugend ausgeführt und mit den überreichten Skizzen verdeutlicht. Danach war es zweifellos so, dass die Durchfahrt mit einem weiteren LKW möglich gewesen wäre, hätte der Fahrer der Beklagtenpartei einen ordnungsgemäßen Seitenabstand zu dem Wagen der Klägerin gehalten. Dass die Passage insoweit eng gewesen wäre, ist regelmäßig bei der Kreuzung zweier Lastkraftwagen auf einer innerorts beidseitig beparkten Straße hinzunehmen."
vgl. LG München I, Urteil vom 26.05.2009 - 17 O 1695/09
Betriebsgefahr eines Traktor-Gespanns höher als eines PKW
"Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, da wegen der höheren Masse und der Gefahren, die aus deren Beschleunigung erwachsen, die Betriebsgefahr eines Traktors mit angehängtem Arbeitsgerät die eines fahrenden PKW übertreffen. Daher ist die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs auf Beklagtenseite au......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, da wegen der höheren Masse und der Gefahren, die aus deren Beschleunigung erwachsen, die Betriebsgefahr eines Traktors mit angehängtem Arbeitsgerät die eines fahrenden PKW übertreffen. Daher ist die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs auf Beklagtenseite aufgrund der Größe und Schwerfälligkeit des Gespanns höher als die eines PKW zu bewerten. "
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.04.2024 - 7 U 83/22
Betriebsgefahr geht vom verboten abgestellten Fahrzeug aus
"Denn auch das verbotswidrig geparkte Fahrzeug befindet sich im „Betrieb“ (König, in: Hentschel, 41. Aufl. 2011, § 7 StVO Rn. 5). Das vorschriftswidrige Abstellen des Fahrzeugs an einer Stelle, die nicht für das Parken zugelassen, sondern für den fließenden Verkehr vorgesehen ist, bewirkt ein Hin......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Denn auch das verbotswidrig geparkte Fahrzeug befindet sich im „Betrieb“ (König, in: Hentschel, 41. Aufl. 2011, § 7 StVO Rn. 5). Das vorschriftswidrige Abstellen des Fahrzeugs an einer Stelle, die nicht für das Parken zugelassen, sondern für den fließenden Verkehr vorgesehen ist, bewirkt ein Hindernis für den fließenden Verkehr, mit welchem andere Kraftfahrzeugführer an dieser Stelle nicht zu rechnen brauchen. Dadurch entsteht eine für den Kraftfahrzeugverkehr typische Gefahrensituation."
vgl. LG Kassel, Urteil vom 08.03.2013 - 5 O 118/12
Betriebsgefahr kann bei länger geöffneter Tür zurücktreten
"Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs tritt vollständig hinter den Verstoß des Beklagten zu 1) gegen das allgemeine Rücksichtsgebot gemäß § 1 Abs. 2 StVO zurück. Der Beklagte hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung selbst erklärt, dass er die Tür nicht gesehen habe und er schuld......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs tritt vollständig hinter den Verstoß des Beklagten zu 1) gegen das allgemeine Rücksichtsgebot gemäß § 1 Abs. 2 StVO zurück. Der Beklagte hat im Rahmen seiner informatorischen Anhörung selbst erklärt, dass er die Tür nicht gesehen habe und er schuld gewesen sei. Er sei drauf gefahren. Insbesondere spricht für eine Unaufmerksamkeit, dass er nach seiner eigenen Erklärung aufgrund der Baustelle 30-40 km/h gefahren ist. Trotz dieser geringen Geschwindigkeit hat er die über einen längeren Zeitraum geöffnete Fahrzeugtür nicht erkannt. Zwar ist das klägerische Fahrzeug ein schwarzer Golf, aber die Straße ist an der Unfallstelle gerade. Zudem war die Fahrzeugtür von innen mit einem Reflektor beleuchtet. Aufgrund dieser Gesamtumstände ist das Gericht, unabhängig von den Wetterbedingungen, von guten Sichtverhältnissen überzeugt."
vgl. LG Aachen, Urteil vom 23.02.2023 - 1 O 219/22
Betriebsgefahr Kfz höher als Motorrad
"Da hier vorliegend ein PKW und ein Motorrad in den Unfall verwickelt waren, ist bereits die Ausgangsquote angesichts der höheren Betriebsgefahr, die von einem PKW aufgrund seiner Größe, Schwere und Stabilität im Vergleich zu einem zweirädigen Motorrad ausgeht, höher zu bewerten. Eine genaue Quotier......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Da hier vorliegend ein PKW und ein Motorrad in den Unfall verwickelt waren, ist bereits die Ausgangsquote angesichts der höheren Betriebsgefahr, die von einem PKW aufgrund seiner Größe, Schwere und Stabilität im Vergleich zu einem zweirädigen Motorrad ausgeht, höher zu bewerten. Eine genaue Quotierung der ungleichen Betriebsgefahr kann jedoch unterbleiben, weil die Beklagten im Ergebnis zu 100% haften."
vgl. LG Köln, Urteil vom 19.04.2024 - 14 O 65/21
Betriebsgefahr: Abwägung: PKw und Motorrad
"Da hier vorliegend ein PKW und ein Motorrad in den Unfall verwickelt waren, ist bereits die Ausgangsquote angesichts der höheren Betriebsgefahr, die von einem PKW aufgrund seiner Größe, Schwere und Stabilität im Vergleich zu einem zweirädigen Motorrad ausgeht, höher zu bewerten. Eine genaue Quotier......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Da hier vorliegend ein PKW und ein Motorrad in den Unfall verwickelt waren, ist bereits die Ausgangsquote angesichts der höheren Betriebsgefahr, die von einem PKW aufgrund seiner Größe, Schwere und Stabilität im Vergleich zu einem zweirädigen Motorrad ausgeht, höher zu bewerten. Eine genaue Quotierung der ungleichen Betriebsgefahr kann jedoch unterbleiben, weil die Beklagten im Ergebnis zu 100% haften."
vgl. LG Köln, Urteil vom 19.04.2024 - 14 O 65/21
einfache Betriebsgefahr des Überholes tritt zurück ggü. Linksabbieger
"Die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden tritt regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurück (OLG Hamm Urt. v. 03.12.2021 - I-7 U 33/20, juris Rn. 19; v. 08.07.2022 - I-7 U 106/20, juris Rn. 23; Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden tritt regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurück (OLG Hamm Urt. v. 03.12.2021 - I-7 U 33/20, juris Rn. 19; v. 08.07.2022 - I-7 U 106/20, juris Rn. 23; Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, juris Rn. 35). Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, da wegen der höheren Masse und der Gefahren, die aus deren Beschleunigung erwachsen, die Betriebsgefahr eines Traktors mit angehängtem Arbeitsgerät die eines fahrenden PKW übertreffen. Daher ist die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs auf Beklagtenseite aufgrund der Größe und Schwerfälligkeit des Gespanns höher als die eines PKW zu bewerten. Hinzu kommt, dass das Einbiegen auf einen zwischen Feldern gelegenen Weg für den Folgeverkehr generell schwieriger zu erkennen ist (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, juris Rn. 36)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.04.2024 - 7 U 83/22
Fahrzeugbetrieb liegt auch vor, wenn andere Verkehrsteilnehmer durch Fahrverhalten beeinflusst werden
"Das Haftungsmerkmal "bei Betrieb" ist nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen (Urteil vom 08.12.2015, VI ZR 139/15 - juris Rn. 11). Es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat, und das Schadensgeschehen ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Das Haftungsmerkmal "bei Betrieb" ist nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen (Urteil vom 08.12.2015, VI ZR 139/15 - juris Rn. 11). Es genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat, und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist (BGH, Urteil vom 08.12.2015, a.a.O.; OLG Hamm, Urteil vom 21.05.2019, 9 U 56/18 - juris; Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand: 25.03.2020, § 7 StVG Rn. 25). Der erforderliche Ursachenzusammenhang mit dem Betrieb setzt nicht unbedingt eine Fahrzeugberührung voraus. Allerdings muss das Kraftfahrzeug über seine bloße Anwesenheit hinaus durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen haben; eine mittelbare Verursachung des Unfalls ist ausreichend (BGH, Urteil vom 22.11.2016, VI ZR 533/15, NJW 2017, 1173; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 7 StVG Rn. 10).
Der Beklagte zu 1 hat sein Fahrzeug im fließenden Verkehr zwecks Abbiegens abgebremst und dadurch eine kritische Verkehrslage für den nachfolgenden Verkehr geschaffen, der auf das Bremsen seinerseits reagieren musste (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22.11.2016, a.a.O. Rn. 17). Das Fahrverhalten des Beklagten zu 1 hat sich damit auf die Fahrweise der nachfolgenden Fahrzeuge ausgewirkt, sodass nach der vom BGH vorgenommenen weiten Auslegung das Merkmal "bei Betrieb" des Beklagtenfahrzeugs auch hinsichtlich des Klägerfahrzeugs erfüllt ist."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 27.11.2020 - 7 U 24/19
Haftungsabwägung bei Unfall zwischen Kfz und Fußgänger
"Da der Kläger bei dem Betrieb des vom Beklagten zu 1 geführten und bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges verletzt wurde, haben die Beklagten zwar auch ohne den Beweis eines Verschuldens des Beklagten zu 1 grundsätzlich aufgrund der Betriebsgefahr des Fahrzeuges für den unfall......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Da der Kläger bei dem Betrieb des vom Beklagten zu 1 geführten und bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges verletzt wurde, haben die Beklagten zwar auch ohne den Beweis eines Verschuldens des Beklagten zu 1 grundsätzlich aufgrund der Betriebsgefahr des Fahrzeuges für den unfallbedingten materiellen und immateriellen Schaden gemäß § 7 Abs. 1, § 18 Abs. 1, § 11 StVG, § 115 Abs. 1 VVG einzustehen, weil sie den Beweis der Verursachung durch höhere Gewalt gemäß § 7 Abs. 2 StVG nicht führen können. Da der Kläger weder Halter noch Führer eines beteiligten Fahrzeuges war, kommt eine Anspruchskürzung nach den §§ 17, 18 StVG nicht in Betracht. Die Beklagte zu 2 und der Beklagte zu 1 (letzterer vorbehaltlich einer Entlastung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG; Feststellungen zur Haltereigenschaft des Beklagten zu 1 haben die Instanzgerichte nicht getroffen) haften dem Kläger grundsätzlich als Gesamtschuldner in vollem Umfang. Die Haftung kann jedoch im Rahmen der - im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbaren (vgl. dazu etwa Senatsurteil vom 13. Dezember 2016 - VI ZR 32/16, VersR 2017, 374 Rn. 8 mwN) - Abwägung nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB entfallen, wenn die im Vordergrund stehende Schadensursache ein grob verkehrswidriges Verhalten des Geschädigten darstellt (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 24. September 2013 - VI ZR 255/12, VersR 2014, 80 Rn. 7; vom 13. Februar 1990 - VI ZR 128/89, VersR 1990, 535, 536, juris Rn. 20; vom 18. März 1969 - VI ZR 242/67, VersR 1969, 571, 572, juris Rn. 16; vom 12. Oktober 1965 - VI ZR 81/64, VersR 1966, 39; vom 21. Dezember 1955 - VI ZR 63/55, VersR 1956, 238 f.). Für diese Abwägung ist von Bedeutung, ob den Beklagten zu 1 ein Schuldvorwurf hinsichtlich der Verursachung des Unfalls trifft."
vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2023 - VI ZR 11/21
situationsbedingte Betriebsgefahr: Kolonnenfahren
"Besondere Betriebsgefahr ist hierbei die Gesamtheit der Umstände, welche in der konkreten Verkehrssituation zur allgemeinen, die Gefährdungshaftung auslösenden Betriebsgefahr hinzutreten und die Gefahr einer Schadensverursachung erhöhen (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.1995 - VI ZR 247/94, NJW 1995, 1029,......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Besondere Betriebsgefahr ist hierbei die Gesamtheit der Umstände, welche in der konkreten Verkehrssituation zur allgemeinen, die Gefährdungshaftung auslösenden Betriebsgefahr hinzutreten und die Gefahr einer Schadensverursachung erhöhen (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.1995 - VI ZR 247/94, NJW 1995, 1029, beckonline), so dass hierdurch die allgemeine Betriebsgefahr erhöht wird, ohne dass bereits Verschuldensmomente hinzukommen. Die besondere Betriebsgefahr ist stets situationsbezogen (so auch Berz/Burmann StraßenverkehrsR-HdB, 4. A. Allgemeines Rn. 126, beckonline).
Situationsbezogen ergab sich jedenfalls, also ungeachtet eines eigenen Verkehrsverstoßes der Fahrerin, für das klägerische Fahrzeug eine besondere Betriebsgefahr. Bei der von der Gesellschafterin der Klägerin nach ihren Angaben gefahrenen (und unterstellt zulässigen) Geschwindigkeit im Bereich von 40 bis 45 km/h im innerstädtischen Kolonnenverkehr traf sie - auch bei (hier unterstellt) verkehrsangepasstem Verhalten - das in diesem Fall jedenfalls bei der streitgegenständlichen Kollision kausal gewordene Risiko einer Bremswegverkürzung infolge einer Unaufmerksamkeit des plötzlich vollbremsenden und/oder mit dem Vordermann kollidierenden Vorausfahrenden. Dieses dem Kolonnenverkehr immanente Risiko hat jedenfalls - insbesondere wenn der Blick auf den weiteren Verkehrsfluss voraus beeinträchtigt war - die Gefahr einer Schadensverursachung erhöht."