Abwägung: 25% Haftung aus Betriebsgefahr, wenn Kind (10 Jahre, 2 Monate) auf Straße rennt
"aa) Hierzu wäre erforderlich gewesen, dass dem Kläger sein Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO in einer Weise vorzuwerfen ist, dass ihm objektiv und subjektiv ein erhebliches Verschulden zur Last fällt, welches die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges als völlig untergeordnet erscheinen lässt (vgl. hierz......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"aa) Hierzu wäre erforderlich gewesen, dass dem Kläger sein Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO in einer Weise vorzuwerfen ist, dass ihm objektiv und subjektiv ein erhebliches Verschulden zur Last fällt, welches die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges als völlig untergeordnet erscheinen lässt (vgl. hierzu BGH Beschl. v. 30.5.2006 - VI ZR 184/05, juris). Dies wäre etwa bei einem grob verkehrswidrigen Verhalten des Geschädigten anzunehmen (BGH Urt. v. 13.2.1990 - VI ZR 128/89, NJW 1990, 1483 = juris Rn. 20; aktuell dem folgend OLG Celle Urt. v. 11.10.2023 - 14 U 157/22, r+s 2024, 132 = juris Rn. 58 f.). Daran fehlt es, weil der Verkehrsverstoß des Klägers altersspezifisch nicht auch subjektiv als besonders vorwerfbar zu qualifizieren ist.
bb) Der Kläger steht mit zum Unfallzeitpunkt zehn Jahren und zwei Monaten an der unteren Grenze des Übergangs zwischen den gesetzlichen Haftungsprivilegierungen des § 828 Abs. 2 und Abs. 3 BGB bezogen auf das Lebensalter. Grundsätzlich sind, wie der Gesetzgeber mit dieser Wertung zum Ausdruck bringt, Kinder im Straßenverkehr größeren Anforderungen und Gefahren ausgesetzt als Erwachsene, im Gegensatz zu denen sie altersgemäße Defizite mit Blick auf die Integration in den Straßenverkehr und seine Gefahren haben (vgl. BGH Urt. v. 13.2.1990 - VI ZR 128/89, NJW 1990, 1483 = juris Rn. 22; OLG Celle Urt. v. 11.10.2023 - 14 U 157/22, r+s 2024, 132 = juris Rn. 59). Der Kläger befand sich zum Unfallzeitpunkt in dem Alter, in dem Kinder typischerweise trotz der Vermittlung der Grundregeln noch nicht sämtliche Risiken des Straßenverkehrs sicher in ihre Entscheidungen einstellen können (so auch OLG Celle Urt. v. 11.10.2023 - 14 U 157/22, r+s 2024, 132 = juris Rn. 60). So ist es schon altersgemäß und nicht ungewöhnlich, wenn ein gerade 10 Jahre alter Junge unter besonderen Umständen die Befolgung der Grundregel zur sicheren Beobachtung des Fahrzeugverkehrs beim Überqueren einer Straße zu Gunsten der Schlussfolgerung, dass ein Rückstau auf einer Fahrbahn sich nähernden Fahrzeugverkehr auf der anderen Fahrbahn sicher ausschließt, vernachlässigt. Dies gilt insbesondere - wie hier entsprechend den Angaben der Zeugin D (Berichterstattervermerk vom 25.06.2024 Seite 2 Abs. 9, eGA II-166, und Seite 3 Abs. 2, eGA II-167) und der Zeugin G (Berichterstattervermerk vom 25.06.2024 Seite 5 Abs. 2, eGA II-169) - , wenn er ausgelassen und (offensichtlich um die Wette) laufend mit einem Freund unterwegs ist und beide ein gemeinsames Ziel - wie hier wohl den im Bereich auf der gegenüberliegenden Seite der Straße befindlichen Supermarkt - haben. Die Situation vor dem Unfall war somit durch eine kindestypische Eigendynamik gekennzeichnet, die wiederum den Kläger zu einer impulsiven Handlung/Schlussfolgerung verleitet und eine Ablenkung von den Sorgfaltspflichten und der Aufmerksamkeit im Straßenverkehr zur Folge gehabt hat. Hierzu passt, dass nur der Zeuge A (erst) auf das Hupsignal des Zeugen E reagiert und angehalten hat. Gerade in einer solchen Situation realisiert sich gleichzeitig die von Kraftfahrzeugen gegenüber einem Kind als Verkehrsteilnehmer ausgehende Betriebsgefahr in typischer Weise, da regelmäßig - wie hier - technisch keine Möglichkeit besteht, auf derartige Impulshandlungen schadensausschließend zu reagieren."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25.06.2024 - 7 U 142/23
Abwägung: querender Fußgänger gegen einfache Betriebsgefahr: 20% Haftung des PKW
"Der Senat hat erwogen, ob angesichts des erheblichen Verschuldens des Zeugen XXX an dem Unfall von einer Haftung der Beklagten gänzlich abgesehen werden muss, §§ 9 StVG, 254 Abs. 1 BGB (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2018, § 254 Rdn. 64). Solches kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtsho......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Der Senat hat erwogen, ob angesichts des erheblichen Verschuldens des Zeugen XXX an dem Unfall von einer Haftung der Beklagten gänzlich abgesehen werden muss, §§ 9 StVG, 254 Abs. 1 BGB (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl. 2018, § 254 Rdn. 64). Solches kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH v. 28.04.2015 - VI 206/14, NJW-RR 2015, 1056) allerdings nur in Ausnahmefällen in Betracht. Der Senat hat bereits entschieden, dass auch ein grob fahrlässigen Verhalten für einen Ausschluss des Anspruches nicht in jedem Falle genügt, sondern dass mangels weiterer erschwerender Umstände auch zu berücksichtigen ist, ob der Unfall für den Fahrer unabwendbar war (Urteil v. 23.08.2015 - I-1 U 168/15). Hätte auch ein Idealfahrer bei weit vorausschauender und überobligatorisch vorsichtiger Fahrweise den Unfall nicht verhindern können, so spricht dies dafür, die Haftung aus § 7 StVG gänzlich in den Hintergrund treten zu lassen.
Ein solcher Fall liegt hier allerdings nicht vor. Vielmehr ist es nach den Feststelllungen des Sachverständigen durchaus denkbar, dass ein besonders vorsichtiger Fahrer bei genauer Beobachtung der Fußgänger die Geschwindigkeit tatsächlich noch weiter reduziert und sich so in die Lage versetzt hätte, auf den Fehlschluss des Zeugen XXX noch zu reagieren und so die Kollision zu vermeiden. Daher muss es bei einer Mithaftung der Beklagten bleiben, die allerdings nur mit 20% zu bemessen ist (vgl. auch OLG Celle v. 12.12.1984 - 3 U 46/81; OLG Hamm v. 12.05.1981, 13 U 278/81)."
vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.04.2018 - I-1 U 196/14
Alleinhaftung des Radfahrers, der ungebremst auf PKW auffährt
"Der Kläger ist ungebremst auf den Pkw des Beklagten zu 1 aufgefahren, hat also überhaupt nicht reagiert, obwohl in Anbetracht des Seitenabstandes zwischen dem Pkw und der Gosse von ca. einem Meter eine Ausweichmöglichkeit nach rechts bestanden hätte (s. unter I 3). Bei dieser Sachlage ist auszuschlie......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Der Kläger ist ungebremst auf den Pkw des Beklagten zu 1 aufgefahren, hat also überhaupt nicht reagiert, obwohl in Anbetracht des Seitenabstandes zwischen dem Pkw und der Gosse von ca. einem Meter eine Ausweichmöglichkeit nach rechts bestanden hätte (s. unter I 3). Bei dieser Sachlage ist auszuschließen, dass der Kläger bei einem größeren Seitenabstand rechts mit einem Ausweichmanöver reagiert hätte.
Es kann dahinstehen, ob der Unfall für den Beklagten zu 1 im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG unabwendbar war oder ein besonders sorgfältiger Idealfahrer den Kläger in Anbetracht der Verkehrssituation überhaupt nicht überholt und damit den Unfall vermieden hätte. Zutreffend führt das Landgericht aus, dass die gegebenenfalls zu berücksichtigende Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 1 jedenfalls hinter dem überwiegenden Verschulden des Klägers zurückträte."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 15.01.2004 - 14 U 91/03
Alleinhaftung des spurwechselnden LKW beim Abbiegen gegenüber einem PKW mit einfacher Betriebsgefahr
"3. In rechtlicher Hinsicht liegt damit auf Seiten der Beklagten ein Verstoß ihres Fahrers gegen die Sorgfaltsanforderungen beim Spurwechsel nach § 7 Abs. 5 StVO vor. Demnach darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Für ein Versch......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"3. In rechtlicher Hinsicht liegt damit auf Seiten der Beklagten ein Verstoß ihres Fahrers gegen die Sorgfaltsanforderungen beim Spurwechsel nach § 7 Abs. 5 StVO vor. Demnach darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Für ein Verschulden des Beklagten-Fahrers spricht insoweit bereits der Beweis des ersten Anscheins (st. Rspr. z.B. OLG München Endurteil v. 23.3.2022 – 10 U 7411/21 e, BeckRS 2022, 6219; OLG Köln, 22.04.2015 – 11 U 154/14, juris; KG NZV 2011, 185; OLG Sachsen-Anhalt NZV 2008, 618; OLG Bremen VersR 1997, 253; KG NZV 2004, 28). Tatsächlich ist aber aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere des schlüssigen „Anerkenntnisses“ des Beklagten-Fahrers davon auszugehen, dass ein schuldhafter Verstoß ohnehin positiv bewiesen ist.
Hinzu tritt, dass der Beklagten-Lkw, der ausweislich der Erhebungen des Sachverständigen ein Leergewicht von ca. 8,6 t hat (Sachverständigengutachten S. 14), den linken Fahrstreifen unter Verstoß gegen § 7 Abs. 3 S. 1 StVO befahren hat.
Dem Kläger wiederum kann ein unfallursächlicher Sorgfaltsverstoß nicht vorgeworfen werden. Insbesondere steht nicht fest, dass er sich mit seinem Fahrzeug neben den Beklagten-Lkw „setzte“, als dessen Ansetzen zum Spurwechsel bereits erkennbar war. Dass im Hinblick auf die vom Sachverständigen festgestellten geringfügige Geschwindigkeitsdifferenz – auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers hierzu – das Klägerfahrzeug rechts schneller als der Beklagten-Lkw fuhr, begründet keinen Sorgfaltsverstoß. Nach § 7 Abs. 3 S. 2 StVO durfte der Kläger im Bereich der Unfallstelle, wo mehrere markierte Fahrstreifen für eine Richtung vorhanden sind, rechts schneller fahren als links.
Auch wenn letztlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Kollision für den Kläger nachweislich unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG war (schließlich hatte der Kläger nach eigenen Angaben mindestens bereits zwei vergleichbare Unfälle an dieser Stelle gehabt, sodass er sich möglicherweise noch vorausschauender hätte verhalten können), ist im Zuge der Abwägung von einer 100-prozentigen Haftung der Beklagten auszugehen. Dem klaren Verstoß des Beklagten-Fahrers beim Spurwechsel (§ 7 Abs. 5 StVO) steht die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Kläger-Fahrzeugs gegenüber. Dies führt nach einheitlicher und ständiger Rechtsprechung zu einer vollen und alleinigen Haftung des Spurwechslers (z.B. OLG München Endurteil v. 23.3.2022 – 10 U 7411/21, BeckRS 2022, 6219; OLG Saarbrücken 1.8.2019 – 4 U 18/19; OLG Hamm 27.10.2014 – 9 U 60/14; OLG München 13.7.2018 – 10 U 1856/17).
"
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 15.02.2024 – 2 O 4326/22
Alleinhaftung des sturr weiterfahrenden ohne Rücksichtnahme
"4. Der Klägerin kann allenfalls - wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat - vorgeworfen werden, dass sie ihr Fahrzeug in schräger Position an den Fahrbahnrand lenkte. Anerkanntermaßen kann es der Billigkeit entsprechen, gegenüber einem grob leichtfertig handelnden Schädiger eine nicht erhebl......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"4. Der Klägerin kann allenfalls - wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat - vorgeworfen werden, dass sie ihr Fahrzeug in schräger Position an den Fahrbahnrand lenkte. Anerkanntermaßen kann es der Billigkeit entsprechen, gegenüber einem grob leichtfertig handelnden Schädiger eine nicht erheblich ins Gewicht fallende mitursächliche Betriebsgefahr bei der Abwägung außer Betracht zu lassen (BGH, Urteil vom 20. Februar 1990 - VI ZR 124/89 -, Rn. 12, juris). Um einen solchen Fall geht es hier, da der Beklagte zu 2) jedenfalls grob gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen hat, indem er einfach weiterfuhr und dabei eine Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs mutwillig in Kauf nahm, anstatt - wie es von Nöten gewesen wäre - anzuhalten und sich mit der Klägerin über das weitere Vorgehen zu verständigen."
vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 13.06.2024, Az. 13 S 85/23
Betriebsgefahr eines Traktor-Gespanns höher als eines PKW
"Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, da wegen der höheren Masse und der Gefahren, die aus deren Beschleunigung erwachsen, die Betriebsgefahr eines Traktors mit angehängtem Arbeitsgerät die eines fahrenden PKW übertreffen. Daher ist die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs auf Beklagtenseite au......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, da wegen der höheren Masse und der Gefahren, die aus deren Beschleunigung erwachsen, die Betriebsgefahr eines Traktors mit angehängtem Arbeitsgerät die eines fahrenden PKW übertreffen. Daher ist die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs auf Beklagtenseite aufgrund der Größe und Schwerfälligkeit des Gespanns höher als die eines PKW zu bewerten. "
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.04.2024 - 7 U 83/22
blindlings kreuzender Fahrradfahrer haftet allein
"Danach liegt ein grobes Fehlverhalten in diesem Sinne ohne Weiteres vor, wenn ein wartepflichtiger Radfahrer blindlings und ohne Halt aus einem Feldweg auf eine Landstraße einbiegt (OLG Saarbrücken, Urteil vom 04.07.2013, 4 U 65/12 – juris) oder ein Radfahrer versucht, gleichsam blindlings von dem re......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Danach liegt ein grobes Fehlverhalten in diesem Sinne ohne Weiteres vor, wenn ein wartepflichtiger Radfahrer blindlings und ohne Halt aus einem Feldweg auf eine Landstraße einbiegt (OLG Saarbrücken, Urteil vom 04.07.2013, 4 U 65/12 – juris) oder ein Radfahrer versucht, gleichsam blindlings von dem rechts von der Fahrbahn verlaufenden Radweg über die gesamte Breite der stadtauswärts führenden Fahrspur einer Straße hinweg in die gegenüberliegende Zufahrt zu mehreren Häusern einzubiegen (Senat, Urteil vom 08.01.2016, 9U125/15 –Justiz online). Der vorliegende Fall ist den in den zitierten Entscheidungen zu beurteilenden Fällen in vielerlei Hinsicht ähnlich. Der Erblasser ist von der falschen Seite her, ohne sein Vorhaben anzuzeigen und ohne den Vorrang des Beklagten zu 1) zu beachten, und insbesondere ohne eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen, vom Fahrradweg, man muss tatsächlich sagen: blindlings, über die Straße gefahren und hat somit die wesentliche Ursache des Unfalls gesetzt. Die daraus gezogene Wertung des Landgerichts, dass hinter diesem groben Verschulden die einfache Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges zurückzutreten hat, ist daher in keiner Weise zu beanstanden."
vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 08.03.2022 - 9 U 157/21
einfache Betriebsgefahr des Überholes tritt zurück ggü. Linksabbieger
"Die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden tritt regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurück (OLG Hamm Urt. v. 03.12.2021 - I-7 U 33/20, juris Rn. 19; v. 08.07.2022 - I-7 U 106/20, juris Rn. 23; Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Überholenden tritt regelmäßig hinter dem Verschulden desjenigen, der verkehrswidrig nach links abbiegt, vollständig zurück (OLG Hamm Urt. v. 03.12.2021 - I-7 U 33/20, juris Rn. 19; v. 08.07.2022 - I-7 U 106/20, juris Rn. 23; Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, juris Rn. 35). Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, da wegen der höheren Masse und der Gefahren, die aus deren Beschleunigung erwachsen, die Betriebsgefahr eines Traktors mit angehängtem Arbeitsgerät die eines fahrenden PKW übertreffen. Daher ist die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs auf Beklagtenseite aufgrund der Größe und Schwerfälligkeit des Gespanns höher als die eines PKW zu bewerten. Hinzu kommt, dass das Einbiegen auf einen zwischen Feldern gelegenen Weg für den Folgeverkehr generell schwieriger zu erkennen ist (vgl. OLG Hamm Beschl. v. 04.05.2020 - I-7 U 29/19, juris Rn. 36)."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.04.2024 - 7 U 83/22
Haftungsabwägung (schlafender Fußgänger auf Straße gegenüber Verstoß gegen Sichtfahrgebot): 50:50
"Die gebotene Abwägung der beiderseitigen unfallursächlichen Verursachungsbeiträge führt zu einer je hälftigen Verantwortung beider Unfallbeteiligten. Insoweit hat der Senat berücksichtigt, dass der Geschädigte zwar die erste Ursache für das Unfallgeschehen gesetzt und damit maßgeblich zum Unfall......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die gebotene Abwägung der beiderseitigen unfallursächlichen Verursachungsbeiträge führt zu einer je hälftigen Verantwortung beider Unfallbeteiligten. Insoweit hat der Senat berücksichtigt, dass der Geschädigte zwar die erste Ursache für das Unfallgeschehen gesetzt und damit maßgeblich zum Unfall beigetragen hat, dem Beklagten zu 1), der nach seinen eigenen Angaben vor der Kollision "gar nichts auf der Fahrbahn" gesehen hat, jedoch ebenfalls ein nicht unerheblicher Verkehrsverstoß zur Last fällt. Die von ihm gesetzte Unfallursache weicht von der durch den Versicherungsnehmer der Klägerin gesetzten Erstursache in ihrer Ausprägung weder nach oben noch nach unten ab. Beide Unfallbeteiligten hatten es in der Hand, durch verkehrsrichtiges Verhalten den Unfall unschwer zu vermeiden. Beide haben durch ihr verkehrswidriges Verhalten gleichermaßen zum Unfallgeschehen beigetragen."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 03.03.2023 - 7 U 100/22
keine Betriebsgefahr des ordnungsgemäß parkenden Fahrzeuges
"Entgegen der Auffassung der Berufung findet vorliegend auch keine Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG statt. Denn die Klägerin trifft hier keine Haftung für die Unfallfolgen. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob sich das klägerische Fahrzeug im Unfallzeitpunkt noch im Betrieb befand (vgl. hier......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Entgegen der Auffassung der Berufung findet vorliegend auch keine Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG statt. Denn die Klägerin trifft hier keine Haftung für die Unfallfolgen. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob sich das klägerische Fahrzeug im Unfallzeitpunkt noch im Betrieb befand (vgl. hierzu Hentschel aaO § 7 StVG Rn. 8 m.w.N.). Denn jedenfalls war das Unfallereignis für die Klägerin nach § 17 Abs. 3 StVG unabwendbar, nachdem sie ihr Fahrzeug ordnungsgemäß vor ihrem Anwesen abgestellt hatte und keinerlei Umstände erkennbar sind, bei denen ein Idealfahrer anstelle der Klägerin den Unfall hätte vermeiden können. Auf die Frage, ob sich der Halter des Fahrzeugs, dessen Tür geöffnet worden ist, in einem Fall wie dem vorliegenden die einfache oder die - ggfl. durch ein Verschulden (§ 14 Abs. 1 StVO) - erhöhte Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zurechnen lassen muss, kommt es danach nicht an (vgl. hierzu OLG München, VersR 1996, 1036)."
vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 20.11.2015 - 13 S 117/15
situationsbedingte Betriebsgefahr: Kolonnenfahren
"Besondere Betriebsgefahr ist hierbei die Gesamtheit der Umstände, welche in der konkreten Verkehrssituation zur allgemeinen, die Gefährdungshaftung auslösenden Betriebsgefahr hinzutreten und die Gefahr einer Schadensverursachung erhöhen (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.1995 - VI ZR 247/94, NJW 1995, 1029,......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Besondere Betriebsgefahr ist hierbei die Gesamtheit der Umstände, welche in der konkreten Verkehrssituation zur allgemeinen, die Gefährdungshaftung auslösenden Betriebsgefahr hinzutreten und die Gefahr einer Schadensverursachung erhöhen (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.1995 - VI ZR 247/94, NJW 1995, 1029, beckonline), so dass hierdurch die allgemeine Betriebsgefahr erhöht wird, ohne dass bereits Verschuldensmomente hinzukommen. Die besondere Betriebsgefahr ist stets situationsbezogen (so auch Berz/Burmann StraßenverkehrsR-HdB, 4. A. Allgemeines Rn. 126, beckonline).
Situationsbezogen ergab sich jedenfalls, also ungeachtet eines eigenen Verkehrsverstoßes der Fahrerin, für das klägerische Fahrzeug eine besondere Betriebsgefahr. Bei der von der Gesellschafterin der Klägerin nach ihren Angaben gefahrenen (und unterstellt zulässigen) Geschwindigkeit im Bereich von 40 bis 45 km/h im innerstädtischen Kolonnenverkehr traf sie - auch bei (hier unterstellt) verkehrsangepasstem Verhalten - das in diesem Fall jedenfalls bei der streitgegenständlichen Kollision kausal gewordene Risiko einer Bremswegverkürzung infolge einer Unaufmerksamkeit des plötzlich vollbremsenden und/oder mit dem Vordermann kollidierenden Vorausfahrenden. Dieses dem Kolonnenverkehr immanente Risiko hat jedenfalls - insbesondere wenn der Blick auf den weiteren Verkehrsfluss voraus beeinträchtigt war - die Gefahr einer Schadensverursachung erhöht."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 27.11.2020 - 7 U 24/19
Unfall zwischen PKW und Fußgänger: § 254 BGB möglich
"2. Die Haftung der Beklagten für die unfallbedingten materiellen und immateriellen Schäden aus § 7 Abs. 1 StVG ist eröffnet, weil der Kläger beim Betrieb des von der Beklagten gehaltenen Fahrzeugs schwerst verletzt wurde und die Beklagte den Beweis der Verursachung durch höhere Gewalt gemäß § 7 ......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"2. Die Haftung der Beklagten für die unfallbedingten materiellen und immateriellen Schäden aus § 7 Abs. 1 StVG ist eröffnet, weil der Kläger beim Betrieb des von der Beklagten gehaltenen Fahrzeugs schwerst verletzt wurde und die Beklagte den Beweis der Verursachung durch höhere Gewalt gemäß § 7 Abs. 2 StVG nicht führen kann. Da der Kläger weder Halter noch Führer eines beteiligten Fahrzeuges war, kommt eine Anspruchskürzung nach § 17 StVG nicht in Betracht (vgl. nur BGH Urt. v. 4.4.2023 - VI ZR 11/21, r+s 2023, 455 Rn. 9). Der Kläger hat sich allerdings als Fußgänger beim Überqueren der Fahrbahn verkehrswidrig verhalten und dadurch die im Vordergrund stehende Schadensursache gesetzt. Das führt im Rahmen der Abwägung nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB zu einer Reduzierung der grundsätzlich vollen Haftung der Beklagten auf 25%."
vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25.06.2024 - 7 U 142/23
Vorbeifahren an Bussen: 30 km/h erhöhen die Betriebsgefahr
"Dies war vorliegend der Fall. Bereits aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 StVO folgt, dass an haltenden Linienomnibussen nur vorsichtig vorbeizufahren ist. Dies intendiert die gesetzgeberische Wertung, welche beinhaltet, dass es sich dabei um ein Fahrmanöver handelt, aus welchem eine abstrakt erhöhte Gef......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Dies war vorliegend der Fall. Bereits aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 StVO folgt, dass an haltenden Linienomnibussen nur vorsichtig vorbeizufahren ist. Dies intendiert die gesetzgeberische Wertung, welche beinhaltet, dass es sich dabei um ein Fahrmanöver handelt, aus welchem eine abstrakt erhöhte Gefährlichkeit erwächst. Zu der dem Kraftfahrzeug ohnehin innewohnenden Betriebsgefahr von 20 % (st. Rspr. u.a. des Senats, vgl. etwa Urteil vom 15.05.2018 – 14 U 175/17 – juris, Urteil vom 27.09.2001 – 14 U 296/00 – juris) kommt insoweit ein weiterer gefahrträchtiger Umstand hinzu.
Dieser Umstand war auch erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden, ansonsten hätte er außer Ansatz bleiben müssen (vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 1995 - VI ZR 247/94, VersR 1995, 357 f.; vom 21. November 2006 - VI ZR 115/05, VersR 2007, 263 Rn. 15 m.w.N.; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 45. Aufl. 2019, § 17 StVG Rn. 5 f. m.w.N.), was eine erhöhte Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs in dieser konkreten Unfallsituation rechtfertigt.
Ausgehend von der gesetzgeberischen Wertung einer abstrakten Gefährdungssituation hat sich diese ausgewirkt, indem es zu einer Kollision zwischen dem vorbeifahrenden klägerischen Fahrzeug und dem Linienbus gekommen ist, der in den fließenden Verkehr einfahren wollte. Der Kläger ist insoweit mit den gutachterlich festgestellten 30 km/h zwar noch „vorsichtig“ im Sinne des § 20 Abs. 1 StVO gefahren, so dass ihm kein Verschulden zur Last gelegt werden kann. Er hatte mit dieser Geschwindigkeit aber dennoch die Obergrenze der vom Gesetzgeber geforderten vorsichtigen Fahrweise erreicht, was sich in der konkreten Situation gefahrerhöhend niedergeschlagen hat. Denn er konnte mit der gefahrenen Geschwindigkeit nicht mehr unfallvermeidend reagieren, als der Linienbus zum Einfahren in den fließenden Verkehr angesetzt hat, und ist seitlich in den Linienomnibus hineingefahren."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 10.11.2021 - 14 U 96/21