Abwägung: Alleinhaftung des Linkabbiegers gegenüber Fahrzeug mit Sonderrechten
"4. Die Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG führt zur Alleinhaftung der Beklagten. Auf Seiten der Erstbeklagten wirkt sich der doppelte Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO und § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO aus. Auf Seiten des Klägers kann lediglich die durch das innerörtliche Überholmanöver erh......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"4. Die Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG führt zur Alleinhaftung der Beklagten. Auf Seiten der Erstbeklagten wirkt sich der doppelte Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO und § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO aus. Auf Seiten des Klägers kann lediglich die durch das innerörtliche Überholmanöver erhöhte Betriebsgefahr Berücksichtigung finden. Diese tritt allerdings gegenüber dem Verschulden der Erstbeklagten zurück. Denn das Verschulden eines Linksabbiegers wiegt gegenüber einem Fahrzeug, das in zulässiger Weise Sonderrechte nach § 35 Abs. 5 a StVO in Anspruch nimmt, so schwer, dass eine Mithaftung grundsätzlich nur in Betracht kommt, wenn den Sonderrechtsfahrer ein mitwirkendes Verschulden trifft (vgl. KG, NZV 2008, 147)."
vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 01.07.2011 - 13 S 61/11
Alleinhaftung des Rettungswagens, der ohne (bzw. nicht beweisbare) Nutzung von Sonderrechten über rote Ampel fährt
"Gleichwohl erscheint es angesichts der mehrfach zu registrierenden Sorgfaltspflichtverstöße auf Seiten der Beklagten gerechtfertigt, die dem Kläger allein zuzurechnende Betriebsgefahr seines Pkw hinter das insgesamt erhebliche, der Beklagten zur Last fallende Verschulden zurücktreten zu lassen und di......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Gleichwohl erscheint es angesichts der mehrfach zu registrierenden Sorgfaltspflichtverstöße auf Seiten der Beklagten gerechtfertigt, die dem Kläger allein zuzurechnende Betriebsgefahr seines Pkw hinter das insgesamt erhebliche, der Beklagten zur Last fallende Verschulden zurücktreten zu lassen und dieser, auch wegen der geschwindigkeitsbedingt höheren Betriebsgefahr des Rettungswagens, im Rahmen der Gesamtabwägung der wechselseitigen Verantwortungsbeiträge nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 und 2 StVG die alleinige Haftung zuzuweisen. Der Senat befindet sich hierbei in Übereinstimmung mit einem vergleichbaren Urteil des Kammergerichts vom 07. Mai 2007 (VRS 113 Nr. 37). Dort hatte ein Polizeifahrzeug sein Martinshorn nicht rechtzeitig vor der roten Ampelkreuzung zugeschaltet, was ebenfalls zum Zurücktreten der Betriebsgefahr auf Seiten des Unfallgegners führte."
vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 21.07.2011 - 4 U 23/11
Alleinhaftung eines Fahrzeuges, das trotz Martinshorn kein Vorrecht hat
"Bei einer höheren Geschwindigkeit wird jedoch in der Regel die überwiegende Mitverursachung oder Alleinhaftung auf Seiten des Sonderrechtsfahrzeugs angenommen (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 18 m. w. N.). Der Beklagte zu 2 war - wie erwähnt - unbedingt gehalten, nur mit äu......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Bei einer höheren Geschwindigkeit wird jedoch in der Regel die überwiegende Mitverursachung oder Alleinhaftung auf Seiten des Sonderrechtsfahrzeugs angenommen (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 18 m. w. N.). Der Beklagte zu 2 war - wie erwähnt - unbedingt gehalten, nur mit äußerster Vorsicht in den Kreuzungsbereich einzufahren (Schrittgeschwindigkeit), weil in beide Fahrtrichtungen - sowohl des Beklagten zu 2 als auch der Zeugin M. - nicht der jeweils heranfahrende Querverkehr wahrgenommen werden konnte (vgl. die Lichtbilder auf S. 3 des Sachverständigengutachtens W.). Die Zeugin M. konnte damit auch dann, wenn man unterstellt, dass sie das Martinshorn rechtzeitig gehört hat, nicht sehen, dass aus ihrer Richtung von links der Wagen der Unfallforschung herankam und trotz Rotlichts mit nahezu ungebremster Geschwindigkeit in die Kreuzung hineinfuhr. Andererseits hätte der Beklagte zu 2 in jedem Fall bedenken müssen, dass der Verkehr auf der bevorrechtigten G.-W.-Straße bei Grünlicht in die Kreuzung einfährt und deshalb bei Missachtung des Rotlichts eine ganz erhebliche Unfallgefahr bestand.
cc) Da auf Seiten des Klägers kein Verschuldensbeitrag nachgewiesen ist, bliebe allein die Anrechnung der Betriebsgefahr für den Pkw zu diskutieren. Gegenüber dem leichtfertigen Fahrverhalten des Beklagten zu 2, durch das der Verkehrsunfall allein verschuldet und maßgeblich verursacht wurde, ist die Betriebsgefahr jedoch ohne erhebliches Gewicht und kann deshalb zurücktreten. Somit bleibt es bei der Haftung der Beklagten. Entsprechend ist die Klage und damit auch die Berufung begründet."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 03.08.2011 - 14 U 158/10
Haftungsabwägung: 25% Betriebsgefahr des am ohne Blinken anfahrenden Busses mit 30 km/h vorbeifahrenden PKW
"c) Bei einer vorzunehmenden Abwägung verbleibt auf Seiten des Klägers eine erhöhte Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeuges, die mit 25% zu bemessen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die allgemeine Betriebsgefahr durch besondere Umstände erhöht sein, was bei der Schadensteilung m......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"c) Bei einer vorzunehmenden Abwägung verbleibt auf Seiten des Klägers eine erhöhte Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeuges, die mit 25% zu bemessen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die allgemeine Betriebsgefahr durch besondere Umstände erhöht sein, was bei der Schadensteilung mit zu berücksichtigen ist (BGH, Urteil vom 27. Juni 2000 – VI ZR 126/99 –, Rn. 23, juris m.w.N.; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 45. Aufl. 2019, § 17 StVG Rn. 11 m.w.N.). Erhöht ist die Betriebsgefahr, wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendigerweise mit dem Betrieb des Kraftfahrzeuges verbunden sind, durch das Hinzutreten besonderer unfallursächlicher Umstände vergrößert werden (Scholten, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 17 StVG (Stand: 28.03.2018), Rn. 21).
Dies war vorliegend der Fall. Bereits aus dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 StVO folgt, dass an haltenden Linienomnibussen nur vorsichtig vorbeizufahren ist. Dies intendiert die gesetzgeberische Wertung, welche beinhaltet, dass es sich dabei um ein Fahrmanöver handelt, aus welchem eine abstrakt erhöhte Gefährlichkeit erwächst. Zu der dem Kraftfahrzeug ohnehin innewohnenden Betriebsgefahr von 20 % (st. Rspr. u.a. des Senats, vgl. etwa Urteil vom 15.05.2018 – 14 U 175/17 – juris, Urteil vom 27.09.2001 – 14 U 296/00 – juris) kommt insoweit ein weiterer gefahrträchtiger Umstand hinzu."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 10.11.2021 - 14 U 96/21
Sonderrechtfahrzeuge mit Blaulicht und Martinshorn bei Geschwindigkeit bis 30 km/h nur mit geringer Haftungsuote
"Die Rechtsprechung geht bei einem Wegerechtsfahrzeug, das auf einer ampelgeregelten Kreuzung einen Zusammenstoß verursacht, noch von einer Schadensteilung aus, wenn das Einsatzfahrzeug die Warnsignale eingeschaltet und eine Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h aufgewiesen hat. Bei einer höheren Geschwind......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Rechtsprechung geht bei einem Wegerechtsfahrzeug, das auf einer ampelgeregelten Kreuzung einen Zusammenstoß verursacht, noch von einer Schadensteilung aus, wenn das Einsatzfahrzeug die Warnsignale eingeschaltet und eine Geschwindigkeit von bis zu 30 km/h aufgewiesen hat. Bei einer höheren Geschwindigkeit wird jedoch in der Regel die überwiegende Mitverursachung oder Alleinhaftung auf Seiten des Sonderrechtsfahrzeugs angenommen (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker a. a. O., § 35 StVO Rdnr. 18 m. w. N.)."
vgl. OLG Celle, Urteil vom 03.08.2011 - 14 U 158/10