60% Eigenverschulden bei Überfahren einer Fahrbahnbegrenzung im (verkehrssicherungswidrig beschildertem) Baustellenbereich
"Die Klägerin muss sich jedoch nach § 254 Abs. 1 BGB die durch ein Mitverschulden ihrer Fahrerin erhöhte Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs entgegenhalten lassen (vgl. Staudinger/Schiemann, (2017) BGB § 254 Rn. 112, 116). Diese führt zu einer Mithaftung der Klägerin von 60%.
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1. Die Fahre......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die Klägerin muss sich jedoch nach § 254 Abs. 1 BGB die durch ein Mitverschulden ihrer Fahrerin erhöhte Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs entgegenhalten lassen (vgl. Staudinger/Schiemann, (2017) BGB § 254 Rn. 112, 116). Diese führt zu einer Mithaftung der Klägerin von 60%.
1. Die Fahrerin des Klägerfahrzeugs hat infolge Unachtsamkeit die als StVO-Zeichen 295 angebrachte Fahrbahnbegrenzung überfahren.
Aus dem vorgelegten Foto K 11 ist zu ersehen, dass - wie von der Anordnung S. 4 u. gefordert – die Baustellenausfahrt mit einer 30 cm breiten Randmarkierung vom öffentlichen Verkehr abgegrenzt war. Damit durfte diese Markierung als Fahrbahnbegrenzung i.S.d. StVO-Zeichens 295 von der Fahrerin des Klägerfahrzeugs – wie aber unstreitig geschehen - nicht überfahren werden. Die gelbe Randmarkierung war bei gehöriger Sorgfalt ohne Weiteres zu erkennen; dies lässt sich bereits den verwertbaren Fotos (s.o.) entnehmen. Dass die Fahrerin des Klägerfahrzeugs durch das vor ihr fahrende und ebenfalls die Randmarkierung überfahrende Fahrzeug "mitgezogen" wurde, kann die Unaufmerksamkeit nicht entschuldigen. Jeder Fahrzeugführer ist für die Einhaltung der Verkehrsregelung selbst verantwortlich."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 08.06.2017 - 2 S 5570/15
60% Haftung des Abbiegenden gegenüber Überholer
"Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger zumindest gegen die ihn treffende doppelte Rückschaupflicht verstoßen hat. Zwar hat der Kläger im Rahmen der informatorischen Befragung angegeben, er habe eine doppelte Rückschau durchgeführt, er hab......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger zumindest gegen die ihn treffende doppelte Rückschaupflicht verstoßen hat. Zwar hat der Kläger im Rahmen der informatorischen Befragung angegeben, er habe eine doppelte Rückschau durchgeführt, er habe in alle Richtungen gesehen, bevor er das Abbiegemanöver eingeleitet habe. Aus dem eingeholten Sachverständigengutachten des dem Gericht aus einer Vielzahl vergleichbarer Rechtsstreitigkeiten als ausgesprochen kompetent bekannten Sachverständigen Dipl.-Ing."....."vom 20. Juni 2016 ergibt sich jedoch, dass das Motorrad für den Kläger in jedem Fall auf der linken Fahrspur fahrend erkennbar gewesen ist. Der Sachverständige führt aus, dass der Beklagte nach seinen eigenen Angaben ca. 75 - 100 m vor Erreichen des Kollisionspunktes den Spurwechsel nach links durchgeführt haben wolle. In einem solchen Fall wäre das Motorrad auf der linken Fahrspur längere Zeit als überholendes Fahrzeug erkennbar gewesen. Berücksichtige man den spätesten Spurwechsel mit einem Einfahren in die linke Fahrspur ca. 35 m vor Erreichen des Kollisionspunktes, so wäre das Motorrad beim Beginn des Abbiegevorganges für den Kläger erkennbar gewesen. Durch Verbleiben in der rechten Fahrspur und Abbremsens wäre der Unfall - so der Sachverständige - deshalb für den Kläger vermeidbar gewesen. Der Sachverständige hat im Rahmen der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens in der öffentlichen Sitzung vom 23. November 2016 ausgeführt, dass die Endlage des Motorrades bzw. des Beklagten zu 1), wie dokumentiert, nur erreicht werden könne, wenn es zu einem schrägen Aufprall auf den Heckträger gekommen sei. Zu einem schrägen Aufprall könne es aber nur dann kommen, wenn sich das Motorrad irgendwann auf der linken Fahrspur befunden habe.
Aber auch der Beklagte zu 1) hat sich nicht wie der vom Bundesgerichtshof stets geforderte sogenannte "Idealfahrer" verhalten. Denn aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger mit seinem "....." auf der Landstraße bis auf eine Geschwindigkeit von ca. 20 - 25 km/h abgebremst, sich auf der rechten Fahrspur zumindest am linken Rand eingeordnet und den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hat. Die Zeugin".....", an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln die Kammer keinerlei Anlass hat, hat bei ihrer Vernehmung angegeben, dass sie den Kläger habe ankommen sehen und dass der Blinker am "....." eingeschaltet gewesen sei sowie, dass sich der Kläger auf seiner Fahrspur links eingeordnet habe. Die genaue Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeuges vermochte die Zeugin zwar nicht anzugeben, sie hat allerdings einen Rückschluss aus ihrer eigenen Fahrweise angegeben und meinte, sollte der Kläger "offensiver" fahren, so habe die Geschwindigkeit vielleicht 30 km/h betragen. Aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten folgt, dass der klägerische "....." mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von 10 bis 15 km/h gefahren ist. Gleichgültig, ob der Kläger nun mit 15 - 20 km/h oder aber mit 30 km/h gefahren ist, unter Berücksichtigung der an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sowie dem Umstand, dass das Fahrzeug links geblinkt hat und sich auch zur Mitte hin eingeordnet hatte, lag für den Beklagten zu 1) in jedem Fall eine unklare Verkehrssituation vor, so dass er nicht ohne weiteres mit seinem Motorrad zum Überholen ansetzen durfte, sondern vielmehr eine Zeit hinter dem "....." herfahren müssen, um zu eruieren, welche Absichten der Kläger hegt.
Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führt zu dem Ergebnis, dass vorliegend eine Haftungsverteilung von 40 : 60 zu Lasten der Beklagten vorzunehmen ist."
vgl. LG Kassel, Urteil vom 23.11.2016 - 6 O 253/15
Haftunverteilung: Verkehrssicherungspflicht in Baustelle (Haftung: 40%) zu Überfahren einer Fahrbahnmarkierung
"Die hier durch die unzureichende Beschilderung der Beklagten geschaffene Verkehrslage war für die Fahrerin des Klägerfahrzeugs unklar, was eine Schadenteilung rechtfertigt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.11.1975 – 10 U 28/75, VersR 1976, 668). Dabei ist zu sehen, dass die fehlerhaft und damit irre......." [vollständiges Zitat anzeigen]
"Die hier durch die unzureichende Beschilderung der Beklagten geschaffene Verkehrslage war für die Fahrerin des Klägerfahrzeugs unklar, was eine Schadenteilung rechtfertigt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 14.11.1975 – 10 U 28/75, VersR 1976, 668). Dabei ist zu sehen, dass die fehlerhaft und damit irreführende Beschilderung durch die Mitarbeiter der Beklagten auf einer Autobahn besonders schwer wiegt: Gerade auf einer Bundesautobahn muss sich ein Autofahrer wegen der dort üblicherweise gefahrenen hohen Geschwindigkeiten auf die Anordnungen der Straßenverkehrs- oder -baubehörde (§ 45 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, 3 StVO) und deren Beschilderung verlassen können (OLG Celle, Urteil vom 21.02.2006 – 14 U 163/05, DAR 2006, 267). Andererseits musste der Fahrerin des Klägerfahrzeugs trotz der geringen zur Verfügung stehenden "Überlegungszeit" zumindest durch die klar erkennbare durchgezogene Fahrbahnbegrenzung klar sein, dass die unzutreffende Beschilderung nicht im von ihr verstandenen Sinne gemeint gewesen sein konnte.
In der Rechtsprechung wird – dem hiesigen Fall durchaus nicht unähnlich - z.B. einem Fahrzeugführer ein überwiegendes Mitverschulden von 2/3 zugerechnet, wenn er mit einer Geschwindigkeit von 90 km/h die im Autobahnbaustellenbereich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h erheblich überschritten hat und mit dem Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit auch gegen das Sichtfahrgebot verstoßen hat und so reflektierende Absperrtafeln, die vor einer Baugrube aufgestellt waren, zu spät wahrgenommen hat, nachdem er veranlasst durch unzureichend aufgestellte Warnbaken in den Baustellenbereich gewechselt war (OLG Düsseldorf, Urteil vom 01.07.1998 – 15 U 124/97, Schaden-Praxis 1998, 415).
Nachdem es im Streitfall aber an einem unfallkausalen Geschwindigkeitsverstoß fehlt und auch sonst außer dem Überfahren der Fahrbahnmarkierung kein maßgebliches Mitverschulden festgestellt werden kann, hält die Kammer eine leicht überwiegende Eigenhaftung der Klägerin von 60% für angemessen und ausreichend, gleichzeitig aber auch geboten."
vgl. LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 08.06.2017 - 2 S 5570/15