"Der Zeuge war indes über § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO hinaus verpflichtet, den rückwärtigen Verkehr auch während des Abbiegevorgangs zu beobachten und jederzeit in der Lage zu sein, den Abbiegevorgang zum Schutz des rückwärtigen Verkehrs abzubrechen.
Diese Pflicht folgt indes nicht schon aus § 9 Abs. 5 StVO (analog), da es sich bei dem Weg, in den der Zeuge A abbiegen wollte, um einen Wirtschaftsweg handelt, auf den § 9 Abs. 5 StVO weder direkt noch analog anwendbar ist. Schon bei einem Wald- oder Feldweg handelt es sich zwar nicht um ein "Grundstück" im Sinne des § 9 Abs. 5 StVO, es gelten hier jedoch, abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, ähnlich verschärfte Pflichten. Im Grundsatz gilt, dass, je weniger erkennbar das Abbiegeziel im Fahrverkehr ist, um so sorgfältiger der Abbiegende sich verhalten muss (OLG Sachsen-Anhalt Urt. v. 12.12.2008 - 6 U 106/08, juris Rn. 19; OLG Stuttgart Beschl. v. 08.04.2011 - 13 U 2/11, juris Rn. 16; Hentschel/König/Dauer/König, 47. Aufl., StVO § 9 Rn. 45). Bei einem - wie hier - deutlich markierten Wirtschaftsweg, der nicht nur ein einzelnes Grundstück anbindet, scheidet eine Analogie jedenfalls mangels Vergleichbarkeit aus.
Im vorliegenden Fall leitet sich eine Pflicht zu einem die Gefährdung anderer ausschließenden Abbiegevorgang, der auch die Rückschau während dessen Durchführung einschließt, daraus ab, dass der Zeuge A seiner Rückschaupflicht vor dem Abbiegevorgang effektiv nicht nachkommen konnte (§ 1 Abs. 2 StVO).
Denn liegen besondere Umstände vor, besteht die Rückschaupflicht auch nach den in § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO genannten Zeitpunkten, also während des Abbiegevorganges. Solche besonderen Umstände, die für eine weitergehende Rückschaupflicht auch während des Abbiegevorgangs sprechen, können etwa sein, dass der Abbiegende mit einem sehr langsamen Fahrzeug auf einer für schnellen Verkehr bis zu 100 km/h ausgelegten Straße unterwegs ist oder dass er in einen völlig untergeordneten, schwer erkennbaren Feldweg abbiegen will. Denn aus den dabei entstehenden hohen Geschwindigkeitsdifferenzen folgen besondere Gefahren, die insbesondere der langsam Fahrende zu bedenken und zu beherrschen hat. Aus der Sicht eines Überholenden ist nämlich bei einem langsam fahrenden Fahrzeug, besonders einem Trecker, auf freier Strecke nicht ohne weiteres aus der geringen Geschwindigkeit auf ein bevorstehendes Abbiegen zu schließen; zudem ist bei Treckern oft wegen der Breite eine Einordnung zur Mitte kaum zu erkennen. Treckerfahrer und anderen langsam Fahrende haben daher jedes nachfolgende Fahrzeug als potentiellen Überholer anzusehen und daher den nachfolgenden Verkehr ständig im Auge zu behalten (vgl. OLG Hamm Urt. v. 9.10.1992 - 9 U 14/92, NZV 1993, 396)." |